Sozialleistungen in Deutschland: Ein stabiles Sicherheitsnetz für alle
- 6 Minuten Lesezeit
Experten-Autor dieses Themas
Die soziale Absicherung in Deutschland kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der historisch älteste Teil davon ist die Sozialversicherung. So wurden erstmalig auf der Welt schon unter Otto von Bismarck Anfang der 1880er-Jahre die ersten Sozialversicherungen wie Krankenversicherung und Unfallversicherung eingeführt. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 wurde auch das Grundgesetz verabschiedet mit dem Ziel, für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Artikel 20 des Grundgesetzes (GG) bestimmt:
„(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Was sind Sozialleistungen?
Sozialleistungen sind grundsätzlich gesetzlich vorgesehen und umfassen sämtliche staatliche und gesellschaftliche Zuwendungen, die der Verbesserung der Lebens- oder Arbeitsbedingungen dienen. Es wird dabei zwischen Geldleistungen, Sachleistungen und Dienstleistungen unterschieden. Diese Zuwendungen sollen allen Bürgern ein menschenwürdiges Leben zu jeder Zeit und in jeder Lebenslage ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Sozialhilfe oder Wohngeld. Finanziert wird das aus Steuermitteln. Ca. 70 % der Sozialleistungen entfallen auf die Sozialversicherungen wie zum Beispiel die Rentenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung oder die Pflegeversicherung.
Ist Wohngeld eine Sozialleistung?
Antwort: Ja. Wohngeld ist eine Sozialleistung nach dem Wohngeldgesetz (WoGG). Es ist ein Zuschuss zu den Unterkunftskosten und soll dazu beitragen, Menschen mit geringem Einkommen bei den Wohnkosten zu unterstützen. Beantragt werden kann Wohngeld von jedem, dessen Einkommen nicht für die Deckung seiner Wohnkosten ausreicht. Das betrifft oft Geringverdiener, deren Einkommen nur wenig über dem sogenannten „Hartz-IV-Satz“ liegt. Da man es nicht viel besser sagen kann, zitiere ich, wer beispielsweise nicht wohngeldberechtigt ist. § 7 WoGG besagt:
„(1) Vom Wohngeld ausgeschlossen sind Empfänger und Empfängerinnen von
1. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, auch in den Fällen des § 25 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
2. Leistungen für Auszubildende nach § 27 Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die als Zuschuss erbracht werden,
3. Übergangsgeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II nach § 21 Abs. 4 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch,
4. Verletztengeld in Höhe des Betrages des Arbeitslosengeldes II nach § 47 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch,
5. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch,
6. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch,
7. a) ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt oder
b) anderen Hilfen in einer stationären Einrichtung, die den Lebensunterhalt umfassen,
nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das dieses für anwendbar erklärt,
8. Leistungen in besonderen Fällen und Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder
9. Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch in Haushalten, zu denen ausschließlich Personen gehören, die diese Leistungen empfangen, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind (Leistungen). Der Ausschluss besteht in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 und 4, wenn bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind.“
Übrigens können nicht nur Mieter einen Antrag auf Wohngeld stellen. Auch Besitzer eines Eigenheims haben einen Anspruch auf einen Wohnkostenzuschuss, wenn sie das Eigentum selbst nutzen und in eine bedürftige Lage geraten. In so einem Fall werden beispielsweise die Heizkosten, Instandhaltungskosten oder Kosten zur Kredittilgung bezuschusst. Man spricht dabei vom Lastenzuschuss.
Gute Neuigkeiten: Die Wohngeldreform 2023 kommt. Durch diese Reform gibt es deutlich mehr Wohngeld. Der Bundesrat hat der Wohngeld-Novelle der Bundesregierung am 25.11.2022 zugestimmt. Somit wird wie geplant das sogenannte „Wohngeld-Plus-Gesetz“ am 1.01.2023 in Kraft treten. Durch eine Anpassung des Berechnungsschlüssels mit einem dauerhaften Bestandteil für Heizkosten und Klima sollen deutlich mehr Haushalte als bisher Wohngeld erhalten. Nach Angaben des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung („Weg frei für Wohngeldreform“ vom 25.11.2022) können so zwei Millionen Haushalte statt bisher 600.000 Wohngeld erhalten. Die Kosten der Wohngeldreform werden hälftig von Bund und Ländern getragen.
Ist Kindergeld eine Sozialleistung?
Antwort: Nein. Um Familien mit Kindern finanziell zu entlasten, gibt es das staatliche Kindergeld. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Sozialleistung, sondern um eine Steuervergütung, die das Existenzminimum der Kinder sichern soll. Begründet wird dies aus dem Einkommensteuergesetz (EStG). Darin wird in § 62 geregelt, wer einen Anspruch auf Kindergeld hat.
Und auch hier gute Neuigkeiten: Als Teil des dritten Entlastungspaketes wird das Kindergeld zum 1. Januar 2023 erhöht: Eltern erhalten dann für jedes Kind € 250,– pro Monat. Familien mit niedrigem Einkommen erhalten zusätzlich einen Sofortzuschlag und eine Erhöhung des Kinderzuschlags.
Ist Kinderzuschlag eine Sozialleistung?
Antwort: Ja. Der Kinderzuschlag soll verhindern, dass geringverdienende Eltern Leistungen der Grundsicherung (umgangssprachlich: Hartz IV) in Anspruch nehmen müssen. Um Kinderzuschlag zu erhalten, müssen Eltern die sogenannte „Mindesteinkommensgrenze“ erreichen. Bezieher von Kinderzuschlag oder auch Wohngeld haben gleichzeitig auch Anspruch auf „Leistungen für Bildung und Teilhabe“ wie zum Beispiel Zuschuss oder Zahlung mehrtägiger Klassenfahrten, kostenloser gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung in Schule, Kita oder Hort oder auch eine jährliche Geldleistung als Ausstattung mit Schulbedarf.
Ist Arbeitslosengeld eine Sozialleistung?
Antwort: Nein. Anders als das ALG II (sogenanntes Hartz IV) ist das Arbeitslosengeld (ALG I) keine Sozialleistung. Es ist vielmehr eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenversicherung, in die man vorher während seiner Beschäftigungszeiten eingezahlt hat. Kommt man also aus einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit und wurde plötzlich arbeitslos, erhält man Arbeitslosengeld (ALG I) von der Agentur für Arbeit nach dem Dritten Sozialgesetzbuch (SGB III). Voraussetzung dafür ist, dass Sie die sogenannte Anwartschaftszeit erfüllen. Das bedeutet, dass Sie in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung mindestens zwölf Monate lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Die Höhe des Arbeitslosengeldes wird durch die letzten Nettoeinkommen ermittelt. Um Sie nicht mit Zahlen zu verwirren, sind das ca. 60 % der letzten monatlichen Nettoeinkommen. Wenn Kinder mit Kindergeldanspruch mit im Haushalt leben, bekommen Sie ca. 67 % des letzten monatlichen Nettoverdienstes als Arbeitslosengeld ausgezahlt.
Ist Elterngeld eine Sozialleistung?
Antwort: Ja. Das Elterngeld zählt zu den sogenannten Entgeltersatzleistungen (früher: Lohnersatzleistungen) und wird von den Sozialversicherungsträgern gewährt. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) regelt zum Beispiel die Höhe, die Berechnung, die Bezugsdauer, Zuschläge oder Abzüge des Elterngeldes. Mit Wirkung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes aus 2021 verbesserten sich für Eltern, deren Kinder ab dem 1. September 2021 geboren wurden, unter anderem die Teilzeitmöglichkeiten für Eltern, der Bezug bei zu früh geborenen Kindern verlängerte sich und Corona-Sonderregelungen wurden geschaffen.
Sozialleistungen Arbeitgeber (Betriebliche Sozialleistungen)
Sozialleistungen der Arbeitgeber (betriebliche Sozialleistungen) sind zusätzliche Leistungen an die Mitarbeiter (oder auch Betriebsrentner). Darunter fallen:
- die gesetzlichen betrieblichen Sozialleistungen: wie zum Beispiel Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung sowie Versicherungsbeiträge bei Betriebsunfall oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- die tariflichen Regelungen: wie zum Beispiel Urlaubsgeld oder Vermögensbildung und
- die arbeitsvertraglichen Regelungen: wie zum Beispiel Zulagen u. Ä.
Weiterhin gibt es auch diverse freiwillige Sozialleistungen der Arbeitgeber, die sich positiv auf das Betriebsklima und die Bindung an das Unternehmen auswirken sollen. Dazu zählen zum Beispiel Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, Mitarbeiterrabatte, Fahrkostenzuschüsse oder Firmenhandy oder -wagen, kostenlose Getränke oder Bildungsangebote.
Deshalb möchte ich heute an Folgendes erinnern: Auch wenn Meckern und Motzen in Deutschland bei einigen schon Tradition hat und sicherlich hier und da eine gewisse soziale Schieflage besteht, sollten wir vielleicht hin und wieder auch daran denken: In den meisten Entwicklungsländern gibt es gar keine oder kaum staatliche oder private Versicherungen. Millionen von Kindern auf der Welt können keine Schule besuchen und Millionen Menschen haben tagtäglich immer noch keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser. Es gibt unzählige solcher Beispiele, und vielleicht lassen diese unsere „Luxusprobleme“ ja hin und wieder mal in einem etwas kleineren Licht erscheinen?
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Sozialleistungen?
Rechtstipps zu "Sozialleistungen" | Seite 18
-
18.05.2009 Rechtsanwalt Michael Vogt„… Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Diese Regelung führte in der Praxis dazu, dass von den Trägern der Sozialleistungen bereits beim bloßen Zusammenwohnen …“ Weiterlesen
-
11.05.2009 Rechtsanwalt Rolf Hörnlein„… die Überschrift trägt "Gesetz zur Nichtanrechnung des Kinderbonus", sich aber inhaltlich nur mit der Nichtanrechenbarkeit des Bonus auf Sozialleistungen beschäftigt. Fazit: Alleinerziehende erhalten den Bonus nur …“ Weiterlesen
-
19.03.2009 Rechtsanwältin Antje Hirlinger„Eltern erhalten im Rahmen des von der Bundesregierung verabschiedeten Konjunkturpakets II pro Kind einen einmaligen Kinderbonus in Höhe von 100,00 €. Der Bonus wird nicht mit Sozialleistungen …“ Weiterlesen
-
17.03.2009 GKS Rechtsanwälte„… sein kann, wenn einer der Ehepartner in naher Zukunft Anspruch auf Sozialleistungen (Elterngeld, Krankengeld, Arbeitslosengeld etc.) haben könnte. Dies ergibt sich daraus, dass sich die Berechnung der jeweiligen …“ Weiterlesen
-
30.01.2009 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… und kann nun bis zu 18 Monate bezogen werden. Arbeitnehmer in Kurzarbeit erhalten das gekürzte Gehalt als Sozialleistung gemäß §§ 169 ff. SGB III (Drittes Sozialgesetzbuch) von der Bundesagentur für …“ Weiterlesen
-
08.01.2009 Monique Michel, anwalt.de-Redaktion„… werden müssen. Beispiele: Überstundenlohn, Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung oder Weihnachts- und Urlaubsgeld. Auch für Arbeitslosengeld, Sozialleistungen nach SGB II …“ Weiterlesen
-
21.11.2008 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… das Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt werden darf, wenn es an das Kind ausgezahlt wird (Az.: 3 WF 61/08). Immerhin erhalten Kinder und Jugendliche, die Sozialleistungen nach SGB XII oder Hartz …“ Weiterlesen
-
08.09.2008 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… die die Verfassungsrichter entschieden, dass es gegen die Menschenwürde verstößt, wenn der Staat Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit registriert und katalogisiert. Privatrente kostet Sozialleistung Anders …“ Weiterlesen
-
14.05.2008 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… hat entschieden, dass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend machen kann. (Az.: 2 Sa 1254/06) Privatrente kann Sozialleistung kosten Anders …“ Weiterlesen
-
05.05.2008 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… die beim Einwohnermeldeamt erfassten Daten sind nicht immer zutreffend. Entscheidend ist allein, wie viel Personen sich tatsächlich im Mietshaus aufhalten. (Az.: VIII ZR 82/07) Sozialleistungen für …“ Weiterlesen
-
24.01.2008 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… ist, mindestens vier Monate zuvor beschäftigungslos war und Sozialleistungen bezogen hat. Verlängerung oder neuer Vertrag? Der vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelte Fall drehte sich um …“ Weiterlesen
-
11.10.2007 Monique Michel, anwalt.de-Redaktion„… den Zeitarbeitern nach sechs Wochen am neuen Arbeitsplatz das gleiche Gehalt und die gleichen Sozialleistungen wie ihren fest angestellten Kollegen zuzusichern. Doch das Bundesarbeitsgericht (BAG) war …“ Weiterlesen
-
03.05.2007 Rechtsanwalt Andreas Hartmann„… - und das Arbeitslosengeld. Daher kann es sinnvoll sein, zunächst die Bezugsdauern der höheren Sozialleistungen auszuschöpfen, bevor man eine Rente in Anspruch nimmt. Andreas Hartmann, Rechtsanwalt Schützenstr. 5 35578 Wetzlar Tel. 06441-2009600“ Weiterlesen
-
23.04.2007 Rechtsanwältin Simone Weber„… bezüglich der Sozialleistungen ausgesprochen wird. Der Grund liegt darin, dass der Verlust des Arbeitsplatzes dann urch den Arbeitnehmer mitverursacht worden ist. Alternativ kan nach Ausspruch einer Kündigung …“ Weiterlesen
-
16.11.2006 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… das bisherige Erziehungsgeld als Sozialleistung im Kindesinteresse ausgestaltet, richtet sich das neue Elterngeld als Lohnersatzleistung vorwiegend nach dem Erwerbseinkommen der Eltern, um …“ Weiterlesen
-
02.10.2006 anwalt.de-Redaktion„… der wirtschaftlich unterlegene Ehepartner auf jeglichen Betreuungsunterhalt und wäre deshalb auf Sozialleistungen angewiesen, ist der Ehevertrag nichtig. Die Unterhaltspflichten dürfen nicht so verteilt …“ Weiterlesen
-
16.03.2006 anwalt.de-Redaktion„… nicht selten überdurchschnittliches Gehalt – während sie zugleich Arbeitslosengeld II empfangen. Zwar sind Bezieher von Sozialleistungen verpflichtet, jede Änderung ihrer persönlichen Verhältnisse …“ Weiterlesen