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§ 53 Schulgesetz NRW – erzieherische Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen

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§ 53 Abs. 1 SchulG NRW differenziert zwischen erzieherischen Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen:

„Erzieherische Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen dienen der geordneten Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule sowie dem Schutz von Personen und Sachen. Sie können angewendet werden, wenn eine Schülerin oder ein Schüler Pflichten verletzt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Ordnungsmaßnahmen sind nur zulässig, wenn erzieherische Einwirkungen nicht ausreichen. Einwirkungen gegen mehrere Schülerinnen und Schüler sind nur zulässig, wenn das Fehlverhalten jeder oder jedem Einzelnen zuzurechnen ist.“

Erzieherische Einwirkungen in NRW gem. § 53 Abs. 2 Schulgesetz NRW:

Erzieherische Einwirkungen beinhalten also den niederschwelligen Bereich pädagogischen Handelns. In NRW werden in § 53 Abs. 2 SchulG NRW Fallbeispiele benannt:

  • das erzieherische Gespräch,
  • die Ermahnung,
  • Gruppengespräche mit Schülern und Eltern,
  • die mündliche oder schriftliche Missbilligung des Fehlverhaltens,
  • der Ausschluss von der laufenden Unterrichtsstunde,
  • die Nacharbeit unter Aufsicht nach vorheriger Benachrichtigung der Eltern,
  • die zeitweise Wegnahme von Gegenständen,
  • Maßnahmen mit dem Ziel der Wiedergutmachung angerichteten Schadens
  • und die Beauftragung mit Aufgaben, die geeignet sind, das Fehlverhalten zu verdeutlichen.

Bei wiederholtem Fehlverhalten soll eine schriftliche Information der Eltern erfolgen, damit die erzieherische Einwirkung der Schule vom Elternhaus unterstützt werden kann. Bei besonders häufigem Fehlverhalten eines Schülers oder gemeinschaftlichem Fehlverhalten der Klasse oder Lerngruppe soll den Ursachen für das Fehlverhalten in besonderer Weise nachgegangen werden.

Ordnungsmaßnahmen gem. § 53 Abs. 3 Schulgesetz NRW:

Ordnungsmaßnahmen sind gravierendere Ahndungen, die gem. 53 Abs. 1 SchulG NRW nur dann erfolgen, wenn die erzieherischen Einwirkungen nicht ausreichen.

Hierdurch entsteht oft der Irrglaube, Ordnungsmaßnahmen dürften nur in ganz außergewöhnlichen Fällen angeordnet werden. Dies ist indes nicht der Fall, da Ordnungsmaßnahmen einer stark inflationären Entwicklung unterliegen und heutzutage zum schulischen Tagesgeschäft gehören. 

Der schriftliche Verweis (§ 53 Abs. 3 Nr.1 SchulG NRW):

Der schriftliche Verweis ist eine verschärfte Ermahnung, die anzeigt, dass man das Level der Ordnungsmaßnahmen erreicht hat und bei künftigem Fehlverhalten andere Ordnungsmaßnahmen denkbar wären. Der schriftliche Verweis ist demnach oftmals die letzte Mahnung der Schule.

Die Überweisung in eine parallele Klasse oder Lerngruppe (§ 53 Abs. 3 Nr.2 SchulG NRW):

Die Überweisung in die Parallelklasse ist denkbar, bei einem qualifizierten pädagogischen Verstoß innerhalb der Klasse, wenn also durch einen Schüler das soziale Gefüge innerhalb der Klasse massiv gestört wird.

In der Praxis ist dies selten, da niemand einen potenziellen Problemschüler in einer anderen Klasse möchte…

Der vorübergehende Ausschluss vom Unterricht von einem Tag bis zu zwei Wochen und von sonstigen Schulveranstaltungen (§ 53 Abs. 3 Nr.3 SchulG NRW):

Der Unterrichtsausschluss wird in NRW gerne verwendet und von vielen Eltern (zurecht) als Strafe gegen die Eltern verstanden. Schüler haben oftmals weniger Probleme, ein paar Tage zu Hause zu bleiben...

Der Unterrichtsausschluss ist die erste Ordnungsmaßnahme, die auch von Eltern als bedrohlich erkannt wird, weil man auf diese Weise schon in einen Bereich gerät, dass man irgendwann vielleicht ganz von der Schule ausgeschlossen wird.

Unter dem Ausschluss von sonstigen Schulveranstaltungen versteht man meist Klassenfahrten. Dieser Ausschluss hat meist nicht nur ein strafendes, sondern auch ein präventives Element, ob die Teilnahme des Schülers an der Klassenfahrt diese gefährdet.

Die Androhung der Entlassung von der Schule (§ 53 Abs. 3 Nr.4 SchulG NRW):

Dies ist die zweitgravierendste Ordnungsmaßnahme in NRW, quasi einer „Abmahnung“ im Arbeitsverhältnis vergleichbar. Passiert nochmals etwas in dieser Größenordnung, wird die Entlassung ausgesprochen.

Die Entlassung von der Schule (§ 53 Abs. 3 Nr.5 SchulG NRW):

Die Entlassung von der Schule ist die endgültige Beendigung der Beschulung an dieser Schule, d. h., man müsste an eine andere vergleichbare Schule wechseln.

Die Androhung und die Verweisung von allen öffentlichen Schulen des Landes durch die obere Schulaufsichtsbehörde (§ 53 Abs. 3 Nr.6 und 7 SchulG NRW):

Diese Maßnahmen kommen wegen des Rechts auf Bildung in der Praxis so gut wie nicht vor.

Die Anordnung der Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in NRW:

Die Anordnung der Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen erfolgt:

  • Für schriftliche Verweise, Überweisungen in die Parallelklasse, Unterrichtsausschlüsse und schulische Veranstaltungen (insb. Klassenfahrten) durch den Schulleiter, der sich allerdings von der Teilkonferenz beraten lassen oder ihr die Entscheidungsbefugnis übertragen kann (§ 53 Abs. 6 SchulG NRW).
  • Über die Androhung der Entlassung und die Entlassung entscheidet eine von der Lehrerkonferenz berufene Teilkonferenz (§ 53 Abs. 7 SchulG NRW).

In der Praxis gibt es deshalb oft Teilkonferenzen in NRW. Der Teilkonferenz gehören ein Mitglied der Schulleitung, der Klassenlehrer oder der Jahrgangsstufenleiter und drei weitere, für die Dauer eines Schuljahres zu wählende Lehrer oder Mitarbeiter als ständige Mitglieder an. Weitere, für die Dauer eines Schuljahres zu wählende Mitglieder sind ein Vertreter der Schulpflegschaft und des Schülerrates. Diese nehmen an Sitzungen nicht teil, wenn die Schülerin oder der Schüler oder die Eltern der Teilnahme widersprechen (§ 53 Abs. 7 SchulG NRW). 

Bei Schulpflichtigen bedarf die Entlassung von der Schule zudem der Bestätigung durch die Schulaufsichtsbehörde, die die Schülerin oder den Schüler einer anderen Schule zuweisen kann!

Anhörung und Beteiligung von Schülern und Eltern:

Für schulische Ordnungsmaßnahmen ist eine Anhörung und Beteiligung zumindest des Schülers, teils aber auch der Eltern erforderlich. Man darf demnach erwarten, dass ein konkreter Vorwurf erhoben wird, eine Anhörung erfolgt und die Erkenntnisse daraus dann in weitere Ermittlungen bzw. die Entscheidungsfindung einfließen.

In § 53 Abs. 6 Schulgesetz NRW heißt es für Ordnungsmaßnahmen durch den Schulleiter (ggf. nach Beratung durch die Teilkonferenz):

Über Ordnungsmaßnahmen nach Absatz 3 Nr. 1 bis 3 entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter nach Anhörung der Schülerin oder des Schülers. Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann sich von der Teilkonferenz gemäß Absatz 7 beraten lassen oder ihr die Entscheidungsbefugnis übertragen. Den Eltern und der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer oder der Jahrgangsstufenleiterin oder dem Jahrgangsstufenleiter ist vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In dringenden Fällen kann auf vorherige Anhörungen verzichtet werden; sie sind dann nachzuholen.

Und in § 53 Abs. 8 SchulG NRW heißt es für Ordnungsmaßnahmen der Teilkonferenz:

Vor der Beschlussfassung hat die Teilkonferenz der betroffenen Schülerin oder dem betroffenen Schüler und deren Eltern Gelegenheit zu geben, zu dem Vorwurf der Pflichtverletzung Stellung zu nehmen; zu der Anhörung kann die Schülerin oder der Schüler eine Person des Vertrauens aus dem Kreis der Schülerinnen und Schüler oder der Lehrerinnen und Lehrer hinzuziehen.

Natürlich darf man erwarten, dass diese Beteiligung nicht nur als lästiges Begleitelement empfunden werden, sondern offen ermittelt wird, bevor man eine Entscheidung trifft.

Voraussetzungen für Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in NRW:

Für die Androhung der Entlassung von der Schule und die Entlassung der Schule heißt es in § 53 Abs. 4 Schulgesetz NRW:

„Maßnahmen nach Absatz 3 Nr. 4 und 5 sind nur zulässig, wenn die Schülerin oder der Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgaben der Schule oder die Rechte anderer ernstlich gefährdet oder verletzt hat. Bei Schulpflichtigen bedarf die Entlassung von der Schule der Bestätigung durch die Schulaufsichtsbehörde, die die Schülerin oder den Schüler einer anderen Schule zuweisen kann. Die Entlassung einer Schülerin oder eines Schülers, die oder der nicht mehr schulpflichtig ist, kann ohne vorherige Androhung erfolgen, wenn die Schülerin oder der Schüler innerhalb eines Zeitraumes von 30 Tagen insgesamt 20 Unterrichtsstunden unentschuldigt versäumt hat.“

Neben einem qualifizierten pädagogischen Fehlverhalten können demnach auch Fehlzeiten zum Verhängnis werden. Letzteres wird noch ergänzt durch § 47 Abs. 1 Nr. 8 Schulgesetz NRW, wo es heißt:

„(Das Schulverhältnis endet, wenn) die nicht mehr schulpflichtige Schülerin oder der nicht mehr schulpflichtige Schüler trotz schriftlicher Erinnerung ununterbrochen 20 Unterrichtstage unentschuldigt fehlt.“

Niederschwellige Ordnungsmaßnahmen sind nicht gesetzlich geregelt und erfordern ein schulisches Fehlverhalten, wobei als Regulativ vor allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt, d. h., die Strafe muss geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Rechtsschutz gegen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in NRW: 

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Überweisung in die Parallelklasse, Unterrichtsausschlüsse und Ausschlüsse von schulischen Veranstaltungen haben keine aufschiebende Wirkung, d. h., diese werden auch vollzogen, wenn Widerspruch eingelegt wurde (§ 53 Abs. 3 SchulG).

Dessen sind sich Eltern meist nicht bewusst und überrascht, wenn niemand über ihren Widerspruch entscheiden, sodass dieser leerläuft: Insbesondere Unterrichtsausschlüsse werden kurzerhand vollzogen bis man irgendwann die Mitteilung erhält, dass sich die Ordnungsmaßnahme erledigt hat.

Wer sich gegen Ordnungsmaßnahmen wehren möchte, sollte also schauen, dass diese erst gar nicht angeordnet werden. Und ist dies der Fall, dann hilft meist nur noch ein gerichtlicher Eilantrag.

Schulische Ordnungsmaßnahmen behandle ich deshalb fast immer als Eilmandat. Oftmals geht es um Stunden und mitunter sogar Minuten!

Rechtsanwalt Andreas Zoller

Anwalt für Schulrecht


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