10 Tipps zum Umgang in Zeiten von Corona

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1. Informieren Sie sich tagesaktuell über die bundesweite Lage zu Covid-19; treffen Sie erst dann eine Entscheidung zum Umgang

Ein aufgeklärter Umgang mit der Tatsachenlage, kann Ihnen helfen, die richtigen Entscheidungen in Umgangsfragen mit Ihrem Kind zu Zeiten des Corona-Virus zu treffen. Informieren Sie sich daher täglich auf verlässlichen Medien über die aktuellen Entwicklungen. Offizielle Informationen gibt es hier: https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/ 

Verlässliche Informationen finden Sie u. a. auch bei Spiegel Online oder der SZ: https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-infizierte-genesene-tote-alle-live-daten-a-242d71d5-554b-47b6-969a-cd920e8821f1 oder https://www.sueddeutsche.de/thema/Coronavirus

Es ist entscheidend, dass Sie verantwortungsvolle Entscheidungen für Ihr Kind treffen. Sie dürfen die Situation weder unterschätzen noch für die Konflikte mit dem anderen Elternteil instrumentalisieren.

Möglicherweise müssen heute getroffene Entscheidungen morgen schon überdacht werden. Dokumentieren Sie ggf. Ihre Entscheidungsfindung, z. B. durch Tagebucheinträge.

2. Versuchen Sie gemeinsame Überlegungen zum Umgang bei Corona Epidemie zu treffen.

Auch wenn es für Sie schwer ist, bedürfen diese außergewöhnlichen Zeit ein wenig Mitwirkung beider Seiten. Außerdem zeigen Sie so, dass sie sich bindungstolerant gegenüber Ihrem Ex-Partner auftreten, was ein positives Licht auf Sie wirft, sollte es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung um den Umgang kommen. Wenn eine Einigung nicht möglich ist, so ist jedenfalls wichtig, dass Ihre Entscheidungen und Gründe klar kommuniziert werden.

3. Keine unnötigen Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln bei Umgang während der Corona Epidemie.

Der Transport in Flugzeug, Bahn oder ÖPNV dürfte derzeit unzumutbar und gefährlich für das Kind sein. Zumutbar ist aber der private Transport mit dem Pkw. Sollten Sie also die Übergaben Ihres Kindes zwecks Durchführung des Umgangs mit Ihrem Pkw organisiert haben, sollten Sie diese auf diesem Wege aufrechterhalten. Soweit Transport normalerweise per Flugzeug, Bahn oder ÖPNV praktiziert ist, müssen Sie Alternativen finden. Beide Eltern sind hier zur Mitwirkung verpflichtet. Vernünftigerweise sollten sich dabei beide Eltern am Transport per Pkw beteiligen.

4. Prüfen sie ggf. bestehende Vereinbarungen zum Umgang.

Sollten Sie nicht genau wissen, wie Sie sich insgesamt verhalten sollen, dann werfen Sie einen Blick in die ggf. bereits bestehende Umgangsvereinbarung mit dem anderen Elternteil. Möglicherweise sind darin bereits getroffene Regelungen auf ihre Situation übertragbar. Beispielsweise enthalten Umgangsvereinbarungen häufig Sonderregelungen für die Ferien, auf welche in dieser akuten Situation zurückgreifen werden kann. Allerdings gelten Ferienregelungen nicht automatisch auf die Zeiten der durch Corona verursachten Schulschließungen. Es sind keine gesetzlichen Schulferien. Daher können Sie als Umgangselternteil nicht einfach mit Verweis auf die Regelung des Umgangs die Hälfte der Corona bedingten Freizeit der Kinder verlangen.

Prinzipiell kann über die Frage der Betreuung während der Schulschließung eine gerichtliche Klärung herbeigeführt werden. Da aber die Gerichte gerade ebenfalls nur noch im absoluten Notfall terminieren ist zweifelhaft, dass dies vor Ende der Maßnahmen zu einem Ergebnis führen würde.

Allerdings dürfte zu erwarten sein, dass die Gerichte sehr negativ auf Eltern reagieren, die in Zeiten der Corona-Pandemie starr auf dem genauen Wortlaut der gerichtlichen Regelung beharren oder die schwierige Situation nutzen, um ihre Ziele zu erreichen.

5. Halten Sie sich an die für ihr Bundesland bestehenden Allgemeinverfügungen und dokumentieren Sie Ihre Vorgehensweise

Fast alle Bundesländer haben sog. Allgemeinverfügungen erlassen. Dabei handelt es sich rein rechtlich um Verwaltungsakte, die rechtsverbindlich sind. Halten Sie sich unbedingt an die Vorgaben in diesen Allgemeinverfügungen, um ihr Kind und sich selbst vor möglichen Ansteckungen zu schützen. Ein Verhalten entgegen dieser Allgemeinverfügungen könnte Ihnen in einem möglicherweise später stattfindenden Gerichtsverfahren negativ ausgelegt werden.

Das bedeutet aber nicht, dass Sie einfach mit Verweis auf diese Verfügungen den Umgang aussetzen können. Sie sind immer angehalten, nach Lösungen für die Ermöglichung von Umgang zu suchen. Alle Allgemeinverfügungen nehmen Umgangskontakte eindeutig als erlaubt von der Kontaktsperre aus. Familiäre Kontakte sind weiterhin unproblematisch erlaubt. Das umfasst auch neue Partner des anderen Elternteils und dessen Familienmitglieder. Unterschiedliche Hygienevorstellungen und unterschiedlich strenge Einhaltung der sozialen Isolation sind kein Grund den Umgang zu versagen. Und auch kein Grund die Kinder nach einem Umgang nicht zurückzugeben. 

6. Bei einer Infektion des anderen Elternteils ist – davon gehen wir aktuell aus – der Umgang auszusetzen.

Bei der aktuellen Corona-Pandemie handelt es sich um eine in der Bundesrepublik Deutschland nie dagewesenen Ausnahmezustand. Entsprechend gibt es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Durchführung von Umgangskontakten in Pandemiefällen. Wir gehen aktuell davon aus, dass aufgrund der Besonderheit der Situation eine Aussetzung des Umgangs ausnahmsweise zu rechtfertigen ist. So auch im Falle der Erkrankung eines Elternteils. Es ist davon auszugehen, dass es dem Kindeswohl widerspricht, einen Umgang mit dem Elternteil trotz tatsächlicher oder aus triftigem Grunde vermuteter Ansteckung mit Sars-Covid-19 durchzuführen. Bleiben Sie in (telefonischem) Kontakt mit dem anderen Elternteil und informieren Sie diesen über Ihre Beweggründe und Ihr Vorgehen. Allerdings geht es hier nur um nachgewiesene Infektionen oder gut begründete Verdachtsfälle.

7. Sollte ein Elternteil die Situation ausnutzen, um durchführbare Umgänge zu unterlassen können Zwangsmaßnahmen erwirkt werden. 

Aus unserer Praxis sind wir mit dem Problem vertraut, dass manche Elternteile jede Gelegenheiten nutzen, um die Durchführung des Umgangs mit dem anderen Elternteil zu vermeiden. Sollte der andere Elternteil die Corona-Pandemie ohne triftigen Grund zur Vermeidung des gerichtlich geregelten Umgangs mit ihrem Kind vermutlich vorschieben, so können unter Umständen gerichtliche Zwangsmaßnahmen gegen dieses Vorgehen nach § 89 I FamFG erwirkt werden. Die Beweislast, dass die Maßnahmen notwendig waren hat dabei der Elternteil, der sich entscheidet gegen die gerichtliche Regelung zu verstoßen. Hier ist also große Umsicht und Vorsicht gefragt. Im Zweifelsfall sollten sie mit Jugendamt, Gesundheitsamt und/oder einem Arzt Rücksprache halten.

Hierzu beraten wir Sie gerne.

Wir arbeiten auch derzeit an Möglichkeiten trotz Corona Krise eine zügige gerichtliche Bearbeitung bewirken zu können. 

8. Falls der andere Elternteil die Betreuung verweigert, kann versucht werden ihn gerichtlich einzubinden. 

Aufgrund der deutschlandweiten Aussetzung der Schulpflicht für Kinder und Jugendliche sind viele Eltern in schwierige Konfliktlagen bezüglich der Betreuungssituation ihrer Kinder während der eigenen Arbeitszeiten geraten. Wir wurden mehrmals darauf angesprochen, wie die Rechtslage ist, wenn der andere Elternteil die Betreuung des Kindes verweigert und der betreuende Elternteil selbst aufgrund beruflicher Verpflichtungen verhindert ist. Hierbei gilt die klare Regel, dass Sie im Zweifelsfall selbst für die Betreuung Ihres Kindes verantwortlich sind, sofern sich der andere Elternteil verweigert. Sie können den anderen Elternteil nur über ein Umgangsverfahren zwingen seinen Verpflichtungen über das bisher übliche nachzukommen.
Hierzu beraten wir Sie gerne. Beachten Sie jedoch, dass solche Rechtsmittel in der Regel einige Zeit in Anspruch nehmen, bevor sie gerichtlich durchgesetzt werden. In akuten Situationen müssen Sie daher selbstständig tätig werden und mit Ihrem Arbeitgeber eine Kulanzregelung treffen. Bitte informieren Sie sich daher unbedingt auch zu allen für Sie relevanten arbeitsrechtlichen Fragen zum Coronavirus.
Sie sollten ihr Kind zudem derzeit – soweit irgend möglich – nicht durch die Großeltern betreuen lassen. Denn die Großeltern gehören zur am stärksten bedrohten Risikogruppe und wären im Falle einer Infektion stark gefährdet.

9. Wenn ihr Kind Verdacht auf Corona hat, verfolgen Sie strikt die Vorgaben des zuständigen Gesundheitsamtes.

Im Falle eines begründeten Verdachts oder der tatsächlichen Infektion Ihres Kindes mit dem Corona-Virus, gehen wir ähnlich wie in dem zuvor beschriebenen Fall der vermuteten Erkrankung eines Elternteils davon aus, dass eine Aussetzung des Umgangs für den anderen Elternteil zumutbar ist. In solchen Fällen kontaktieren Sie bitte das das zuständige Gesundheitsamt und halten Sie sich strikt an dessen Regelungen. 

10. Begleitete Umgänge und die Corona-Pandemie

Sehr schwierig ist die Situation bei begleiteten Umgängen. Die Begleitung von Umgängen kann vor dem Familiengericht nicht erzwungen werden. Derzeit dürften die meisten Träger, welche Umgänge begleiten, zum Schutz ihrer Mitarbeiter nicht bereit sein, die Umgänge zu begleiten. Ggf. ist dies auch durch Allgemeinverfügungen verboten.

Die Jugendämter sind grundsätzlich verpflichtet, familiengerichtlich angeordnete Umgänge zu begleiten. Notfalls kann man dies vor dem Verwaltungsgericht erzwingen.

Insgesamt müssen Sie immer bedenken, dass es möglicherweise zu einer gerichtlichen Überprüfung Ihrer Vorgehensweise kommen wird. Daher müssen Ihre Entscheidungen – bei aller verständlichen Sorge – gut durchdacht und sehr gut begründbar sein. Es sollte deutlich werden, dass Sie nicht die Corona-Pandemie zur Durchsetzung Ihrer Ziele missbraucht haben.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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