AG Weißenfels: Bußgeldstelle ist zur Herausgabe der Roh-Messdaten in unverschlüsselter Form verpflichtet

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Auf den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs folgt, dass die Bußgeldstelle auf dessen Antrag hin die sog. Roh-Messdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen hat.

Gegen den Betroffenen wurde durch die zentrale Bußgeldstelle ein Bußgeldbescheid erlassen, mit dem ihm eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorgeworfen und ein Bußgeld von 120,00 € festgesetzt wurde. Gegen den Bescheid legte der Verteidiger fristgerecht Einspruch ein. Der Verteidiger ersuchte nach der Akteneinsicht, dass ihm die sog. Roh-Messdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung gestellt werden. Nur so sei es ihm möglich, die Ordnungsgemäßheit der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegenden Messung zu bewerten. Hierauf teilte die Verwaltungsbehörde mit, dass die Originaldaten der Messung digital signiert und verschlüsselt seien und eine Übersendung unverschlüsselter Daten nicht in Betracht komme. Hiergegen wendete sich der Betroffene mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Das Gericht entschied, dass aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs folge, dass dem Betroffenen auf dessen Antrag hin die sog. Roh-Messdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen sind. Liege dem Bußgeldbescheid ein standardisiertes Messverfahren zugrunde, obliege es dem Betroffenen, konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände zu einem Messfehler vorzutragen.

Er hat ein Einsichtsrecht in das Messprotokoll und den Eichschein des Messgeräts, daneben bedürfe es aber auch der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung sowie erforderliche Fotos.

Hier wurde das Gerät des Typs ES 3.0 verwendet. Dabei handelt es sich um ein Messfoto und das sog. Fotolinienbild. Das hat der Betroffene erhalten.

Das Gericht hat entschieden, dass darüber hinaus dem Betroffenen auf sein Verlangen hin aber auch die bei der Messung erstellte Messdatei zugänglich gemacht werden muss, um ihm die Möglichkeit zu geben, eventuelle Messfehler zu entdecken und im Verfahren substantiiert behaupten zu können.

Versage man dem Betroffenen dieses Einsichtsrecht unter dem Hinweis, die Daten würden verschlüsselt sein und könnten in unverschlüsselter Form nicht zur Verfügung gestellt werden, so werde der Betroffene in seinen Verfahrensrechten unzulässig eingeschränkt.

Eine Ausgestaltung des Verfahrens, welche die Ermittlung der Wahrheit zulasten des Betroffenen behindere, könne dessen Anspruch auf ein faires Verfahren verletzen, denn ein zentrales Anliegen eines rechtsstaatlich geordneten Bußgeldverfahrens sei die Ermittlung des wahren Sachverhalts als notwendige Grundlage eines gerechten Urteils.

Dabei dürfe der Betroffene nicht Objekt des Verfahrens sein. Das ist er aber, wenn ihm die Möglichkeit versagt werde, seine Daten zu prüfen.

Für die Praxis heißt das, dass es auf den individuell abgestimmten Fall immer wieder Möglichkeiten gibt, gegen Messungen vorzugehen. Wir sagen unseren Mandanten immer wieder, dass bei dem standardisierten Messverfahren die Obergerichte schon mehrfach entschieden haben, dass die Messungen grundsätzlich ordnungsgemäß sind und dass deshalb quasi der erste Anschein dafür spricht, die Messung sei auch in ihrem Fall ordnungsgemäß durchgeführt.

Wir stellen aber immer wieder fest, dass es neben den Messungen so viele Ansatzpunkte gibt, das Bußgeldverfahren zur Zufriedenheit des Betroffenen zu Ende zu bringen, sei es durch Freispruch oder Einstellung. Wir wollen hier nicht sämtliche unserer Taktiken veröffentlichen, können aber nur anbieten, dass Sie sich bei uns melden – wir haben in so vielen Bußgeldverfahren Erfolg, dass wir sicherlich auch in Ihrem Fall etwas finden.

Allein zu den Messdaten können weitere veröffentlichte Urteile angeführt werden. z. B. im März dieses Jahres entschied das Amtsgericht Wusterhausen, dass dem Betroffenen der dem Bußgeldbescheid zugrunde liegende Messfilm auf Antrag herauszugeben ist. Die Frage, ob die Nichtherausgabe kompletter Messreihen die Verteidigung unzulässig beschränkt, ist in der Vergangenheit von diversen Gerichten teilweise konträr entschieden worden.

Während das Amtsgericht Schleiden noch im Oktober 2012 entschied, dass das Einsichtsrecht des Verteidigers zwar bestehe, nicht jedoch ein Anspruch auf Erhalt der Messreihe in einem allgemein lesbaren Format, werden jetzt vorliegende Entscheidungen den allgemeinen Grundsätzen des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs gerecht.


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