Andere Länder, andere Erbschaftssitten

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Seit Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung empfiehlt sich jedem Deutschen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, das Erbrecht des Landes, in welchem er lebt, mit dem deutschen Erbrecht zu vergleichen. Entsprechendes gilt für EU-Ausländer, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

Es darf nicht verkannt werden, dass ausländische Erbrechtsordnungen Regelungen enthalten, die das deutsche Erbrecht nicht kennt. Je nach dem, was man primär regeln möchte, kann das eine oder andere Erbrecht vorteilhafter sein.

  • So ist es in Spanien und Frankreich möglich, dass eine Erbschaft komplett den gemeinsamen Kindern zufällt und der Ehepartner lediglich ein Nutzungsrecht an der zuletzt gemeinsam benutzten Wohnung erhält.
  • Frankreich kennt weder den Erbvertrag noch das gemeinschaftliche Testament.
  • In Schweden ist unter bestimmten Voraussetzungen der Ehegatte Alleinerbe und die Kinder sind von der Erbschaft ausgeschlossen.
  • In Deutschland ist die sog. Dauertestamentsvollstreckung möglich, die in vielen anderen EU-Ländern oftmals auf ein Jahr mit einjähriger Verlängerungsoption beschränkt wird.
  • In Frankreich wird dem Testamentsvollstrecker grds. nur die Befugnis zur Verwertung von beweglichem Nachlassvermögen eingeräumt. Die Befugnis zur Verwertung unbeweglichen Vermögens kann nur dann eingeräumt werden, wenn keine pflichtteilsberechtigten Erben vorhanden sind.

Ebenfalls unterscheidet sich die Höhe der Pflichtteilsansprüche je nach Rechtsordnung.

Wie groß diese Vorteile sein können, die sich bei einem Blick auf die einzelnen Rechtssysteme ergeben, zeigt der Blick auf die innerhalb der EU geltenden, höchst unterschiedlichen Pflichtteilsregelungen.

1. Pflichtteilsrecht in Deutschland

Im deutschen Recht entspricht der Pflichtteilsanspruch der Hälfte (1/2) der gesetzlichen Erbquote. Bei einem im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Ehepaar mit zwei Kindern hat der Ehepartner damit einen Pflichtteilsanspruch von 25 %, jedes der Kinder einen solchen von 12,5 %, jeweils gemessen am Gesamtnachlass.

2. Pflichtteilsrecht in Frankreich

Dem überlebenden Ehegatten steht nach französischem Recht bei Vorhandensein von Abkömmlingen überhaupt kein Pflichtteilsanspruch zu. Der Ehegatte kann bis auf ein einjähriges Wohnrecht an einer gemeinsam genutzten, zum Nachlass gehörenden Ehewohnung und einem etwaigen Unterhaltsanspruch bei Bedürftigkeit komplett von erbrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen werden.

Das Pflichtteilsrecht in Frankreich ist ein sog. Noterbenrecht der Kinder, durch das der Pflichtteilsberechtigte seine Einsetzung als Miterbe zulasten der eingesetzten Erben erzwingen kann. Die in Frankreich geltenden Pflichtteilsquoten sind abhängig von der Anzahl der Abkömmlinge. Ein Kind allein hat danach einen Pflichtteilsanspruch von 1/2 am gesamten Nachlass, zwei Kinder gemeinsam einen solchen von 2/3 und drei Kinder einen solchen von 3/4.

3. Pflichtteilsrecht in Spanien

Auch das spanische Erbrecht räumt den Pflichtteilsberechtigten im Gegensatz zum deutschen Pflichtteilsrecht eine wesentlich stärkere Stellung ein. Nach spanischem Recht erhält der Pflichtteilsberechtigte einen bestimmten Mindestanteil an der Erbschaft. Im Gegenteil zum deutschen Pflichtteilsrecht begründet das spanische Recht damit nicht nur einen finanziellen Ausgleichsanspruch, sondern auch einen Anspruch auf Beteiligung an der Erbmasse selbst, was wiederum dazu führt, dass sich die vom Erblasser bestimmten Erben mit dem Pflichtteilsberechtigten ggf. streitig auseinandersetzen müssen.

Nach spanischem Erbrecht beträgt der Pflichtteil der Kinder und Abkömmlinge grds. 2/3 des gesamten Nachlasses. In einzelnen autonomen Gebieten Spaniens gibt es hiervon abweichende Regelungen.

4. Pflichtteilsrecht in Österreich

Das österreichische Pflichtteilsrecht ist dem deutschen ähnlich. So bemisst sich die Pflichtteilsquote in Österreich ebenfalls – wie in Deutschland – an der gesetzlichen Erbquote. Der Pflichtteilsanspruch von Nachkommen und Ehepartnern des Verstorbenen entspricht 1/2 der gesetzlichen Erbquote, der von Vorfahren 1/3.

Die Pflichtteilsquote des Ehepartners entspricht in Österreich damit 1/6 am Gesamtnachlass, die der Kinder insgesamt 1/3.

Gerne unterstützen wir, die auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwälte der Kanzlei Görtz Rechtsanwälte, Sie dabei, die für Sie und Ihre Erben optimale Lösung zu finden und Ihren „letzten Willen“ mit einem Testament oder Erbvertrag bestmöglich darzustellen.

Axel Steiner

Rechtsanwalt für Erbrecht 


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