Anforderungen an die Kriminalprognose gemäß § 56 StGB - oder: wann muß man ins Gefängnis
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Anforderungen an die Kriminalprognose gemäß § 56 StGB (Strafaussetzung zur Bewährung).
Ziel der Kriminalprognose (§ 56 StGB):
- Maßgeblich ist, ob der Verurteilte in Zukunft ohne Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe straffrei bleibt.
- Allgemeines Wohlverhalten, wie ein „gesetzmäßiges und geordnetes Leben“, wird nicht verlangt.
Fallbeispiel und Entscheidungsgründe:
- Das Landgericht (LG) verurteilte einen Angeklagten wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten.
- Die Strafkammer verneinte eine positive Sozialprognose, weil der Angeklagte Weisungen nach einer Haftverschonung nicht befolgt hatte.
Rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs (BGH):
- Der BGH rügte die Verweigerung der Strafaussetzung. Er führte aus, dass das LG mögliche spezialpräventive Wirkungen der Untersuchungshaft, die bereits über sieben Monate andauerte, nicht ausreichend berücksichtigt habe.
- Der BGH betonte, dass eine günstige Sozialprognose nicht davon abhängt, ob der Täter ein „gesetzmäßiges und geordnetes Leben“ führt, sondern ob künftige Straffreiheit zu erwarten ist.
Weitere Aspekte der Begründung:
- Der BGH sieht eine erhebliche Erörterungslücke in der Entscheidung des LG, da die Verstöße gegen Melde- und Aufenthaltspflichten nicht ausreichend in Bezug auf ihre Bedeutung für die künftige Straffreiheit bewertet wurden.
- Allgemeine Anforderungen, wie ein vollkommen geordnetes Leben, wurden bereits mit der Reform des Strafrechts (1969) aufgehoben.
Zusammenfassende Kritik des BGH:
- Es genügt nicht, allein auf formale Verstöße des Angeklagten gegen Auflagen abzustellen. Diese sind nicht automatisch ausschlaggebend für die Prognose künftiger Straffreiheit.
Die Entscheidung (203 StRR 301/24) stellt klar, dass die Beurteilung der Sozialprognose auf einer differenzierten Abwägung beruhen muss, die insbesondere die Wirkungen einer langen Untersuchungshaft und die Bedeutung formaler Verstöße angemessen berücksichtigt.
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