Anhörungsbogen erhalten – was tun?

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Die Ausgangslage

Egal, welche Ordnungswidrigkeit Ihnen vorgeworfen wird, der Verfahrensablauf ist bei allen Verstößen identisch. Ein paar Wochen nach dem umstrittenen Vorfall erhalten Sie zunächst einen Anhörungsbogen von der zuständigen Bußgeldstelle. Dieser Beitrag soll Ihnen jedoch aufzeigen, was Sie bezüglich des weiteren Vorgehens beachten müssen. Viel zu oft suchen Mandanten einen Rechtsanwalt auf und haben die Anhörungsbögen bereits ausgefüllt und übersandt. Teils entstehen hierbei vorschnelle Äußerungen oder Ungeschicklichkeiten bei der Formulierung der Einlassung, welche zu nicht mehr revidierbaren Nachteilen für den Betroffenen führen.

Sind Sie verpflichtet, den Anhörungsbogen auszufüllen?

Ein weit verbreiteter Irrtum ist es, dass Sie verpflichtet wären, den Anhörungsbogen fristgerecht und ausgefüllt an die zuständige Stelle zurückzusenden.

Dieser Irrglaube kommt einzig und allein dadurch zustande, dass im Belehrungsteil des Bußgeldbescheides ein Bußgeld angedroht wird. Die Bußgeldstelle zitiert hierbei § 111 OWiG. Nach § 111 OWiG handelt jedoch lediglich derjenige ordnungswidrig, der seine Personenstandsdaten nicht korrekt gegenüber der zuständigen Stelle angibt. Sie müssen daher lediglich überprüfen, ob Ihr Name, die Anschrift, das Geburtsdatum und Ihr Geburtsort im Anhörungsbogen korrekt wiedergegeben sind. Sollten die Daten zutreffen, sind Sie nicht verpflichtet den Anhörungsbogen zurückzusenden.

Durch den Anhörungsbogen wird lediglich Ihr grundgesetzlich verankertes Recht auf „rechtliches Gehör“ gewährleistet. Sie erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme. Auch wenn Sie der Auffassung sind, dass die Sach- und Rechtslage eindeutig sei, so sollten Sie vor Abgabe einer solchen Erklärung einen fachkundigen Rechtsanwalt kontaktieren, denn durch eine wahllose Einlassung entstehen oft Fehler zu Lasten des Mandanten, welche im Verfahren nicht mehr korrigiert werden können.

Sie können sich folglich äußern, müssen dies jedoch nicht. Auch müssen Sie sich als Betroffener in einem Bußgeldverfahren nie selbst belasten. Selbst einer Ladung durch die Polizei müssen Sie nicht Folge leisten.

Es führt zu keinerlei rechtlichen Konsequenzen oder Nachteilen, wenn Sie auf den Anhörungsbogen einfach nicht reagieren bzw. diesen nicht zurückschicken.

Was ist, wenn einer meiner Familienangehörigen gefahren ist?

Häufig variieren Halter und Fahrer des Fahrzeugs. Gerade in unserer modernen Gesellschaft ist es aus Kostengründen oft so, dass eines der Elternteile ein Fahrzeug versichert- um Prämienzahlungen gering zu halten- und eines der Kinder fährt dieses Fahrzeug. Eine andere typische Variante ist, dass Ehepartner wechselseitig das Fahrzeug des anderen nutzen, je nach Bedarf.

In diesen Fallkonstellationen wird der der Anhörungsbogen in aller Regel an den Halter übersandt.

Oftmals wird hierbei fälschlicherweise der Rat erteilt Angaben insoweit zu machen, dass man zum Beispiel von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle. Empfehlenswert in einer solchen Konstellation ist es hingegen, keine Angaben zu machen. Durch Ihre Angaben wird es für die Bußgeldstelle ein leichtes ihre Ermittlungen auf die näheren Familienmitglieder zu lenken.

Gelingt es der Behörde nämlich nicht, den „wahren Fahrer“ rechtzeitig zu ermitteln, besteht die Chance, dass das Verfahren nach drei Monaten verjährt und Sie deshalb nicht mehr mit einem Bußgeld belegt werden dürfen.

Kann ich schlicht behaupten, dass jemand anderes gefahren ist?

Auch diesen Irrtum musste ich bereits in vielfältigen Beratungen klarstellen. In vielen Internetforen oder von Bekannten erhält der Betroffene des Öfteren den Tipp, Bruder, Vater oder sonst einen Bekannten mit ähnlichem Aussehen zu benennen, der dann die Buße auf sich nehmen soll, weil der eigentlich Betroffene entweder schon zu viele Punkte hat oder sich noch in der Probezeit befindet. Von einem solchen Vorgehen muss deutlich abgeraten werden!

Diese unzuverlässigen Informationsquellen verkennen, dass dieses Vorgehen eine Bestrafung nach § 164 StGB nach sich ziehen kann und wird. Denn wer wider besseres Wissen eine solche Behauptung aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahme gegen einen (unschuldigen) Dritten herbeizuführen, verwirklicht den Straftatbestand der falschen Verdächtigung. Diese Straftat wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Aus einer simplen Ordnungswidrigkeit, wird dann eine Straftat, welche zu wesentlich härteren Strafen führt, als es die zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeit je getan hätte. Hände weg von dieser Variante! Nehmen Sie hierbei lieber anwaltliche Hilfe in Anspruch, denn damit ist dies leicht in den Griff zu bekommen.

Gibt es Konstellationen, in denen Angaben dennoch sinnvoll sind?

Die Antwort ist hier eindeutig: Ja! Es kann auch Situationen geben, in denen es durchaus Sinn macht, sich zu äußern oder der Behörde gegenüber Angaben auf dem Anhörungsbogen zu machen.

Wenn zum Beispiel Ihr Fahrzeug gestohlen oder entwendet worden ist oder Sie hatten den Pkw verliehen, als der Verstoß begangen wurde, so ist es, aber stets nach einer sorgfältigen Prüfung im konkreten Einzelfall, womöglich angebracht, diese Umstände mitzuteilen, um sich selbst zu entlasten.

Sollte es sich um ein Firmenfahrzeug handeln, wird Ihr Arbeitgeber als Halter mitteilen, wer zum Tatzeitpunkt gefahren ist. Nehmen Sie ihm dies nicht übel, denn auch wenn Sie einen guten Draht zu Ihrem Chef haben, so drohen diesem im Gegensatz zu Angehörigen meist schärfere Sanktionsmöglichkeiten. Die Bußgeldstellen sind mittlerweile bundeseinheitlich dazu übergegangen gegen eine Firma, welche den Fahrer nicht benennt eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen. Dies würde für Ihre Vorgesetzten zu einem höheren organisatorischen und buchhalterischen Aufwand führen. Deshalb wird die Abwägung in den meisten Fällen zu Ihren Ungunsten ausfallen und eine Mitteilung erstattet werden.

Zusammenfassung

Wenn Sie einen Anhörungsbogen erhalten, sollten Sie zunächst Ruhe bewahren statt direkt mit dem Ausfüllen zu beginnen. Bitte vermeiden Sie in Ihrem Interesse vorschnelle Äußerungen. Wenden Sie sich unbedingt an einen vorwiegend auf dem Gebiet des Verkehrsrechts tätigen Rechtsanwalt, denn nur dieser kann Sie mit der nötigen Expertise vertreten.

Hierbei der Tipp: Ein zuverlässiger Verkehrsrechtsanwalt wird zunächst Akteneinsicht beantragen und mit Ihnen nach Erhalt der Akte in einem gemeinsamen Gespräch die Angriffsmöglichkeiten und Verteidigungsstrategien erörtern. Finger weg von Rechtsanwälten, die Ihnen bereits anhand des Bußgeldbescheides die Fehlerhaftigkeit der Messung versprechen, denn es gibt zwar umstrittene Messgeräte, jedoch muss der gesamte Akteninhalt zunächst überprüft und mit der Bedienungsanleitung und dem Fallblatt verglichen werden, denn jede Messung ist ein Einzelfall.

In den allermeisten Fällen werden die entstehenden Anwaltskosten dabei sogar von Ihrer Verkehrsrechtsschutzversicherung getragen.

Hierbei stehe ich Ihnen gern beratend zur Seite.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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