Arbeitsrecht in Pferdebetrieben, Reitvereinen und Pferdekliniken

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Es gibt zahlreiche Beschäftigungsformen und hieraus resultierende Voraussetzungen der Sozialversicherungspflichten. Falsche Einordnungen der Arbeitnehmer können zu kostspieligen sozialversicherungsrechtlichen und auch strafrechtlichen Folgen führen (Stichwort: Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz).

  • Der Begriff des Arbeitnehmers (AN) ist im § 611a BGB legaldefiniert. Der AN wird durch den Arbeitsvertrag in den Diensten eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet.
  • Freie Mitarbeit/Selbständigkeit: Freie Mitarbeiter sind selbständig und unternehmerisch tätige natürliche Personen, die auf Grundlage eines Dienst- oder Werkvertrages für fremde Unternehmen entsprechende Tätigkeiten verrichten. Der Unterschied liegt vor allem in der Weisungsgebundenheit, mithin der freien Bestimmung von Arbeitszeit und Gestaltung der Tätigkeit. 
  • Scheinselbständigkeit ist anzunehmen, wenn nach dem zugrunde liegenden Vertrag in einem fremden Unternehmen selbständige Dienst- oder Werkleistungen erbracht werden sollen, tatsächlich aber nichtselbständige Tätigkeiten wie in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden. Auf die Bezeichnung der Parteien kommt es nicht an, ein solcher Beschäftigter muss sodann als Arbeitnehmer behandelt werden. Die Folge wäre sodann eine Sozialversicherungs- und Lohnsteuerplicht. Der Arbeitgeber (AG) kann bis 4 Jahre zurückliegend verpflichtet werden, Nachzahlungen zu leisten (Festsetzungsverjährung). Auch eine Umgehung dergestalt, dass im Vertrag der „Scheinselbständige“ dazu verpflichtet werden, selbst für die Versteuerung des Entgelts verantwortlich zu sein. 
  • Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, bei denen an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit eine wirtschaftliche Abhängigkeit tritt. Dies ist anzunehmen, wenn der Betroffene die Einkünfte aus der Dienstleistung zur Sicherung seiner Existenzgrundlage benötigt und damit auf die Verwertung seiner Dienste angewiesen ist (Dauerbeziehung). Die Folge einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ist die Anwendung einzelner arbeitsrechtlichen Bestimmungen, obwohl es sich um Selbständige handelt (Schutzwürdigkeit: Urlaub, Pflegezeit, ArbSchG, AGG). Gerade bei Reitlehrern und Bereitern kommt dies in Betracht. Diese sind zwar dem Grunde nach selbständig, tatsächlich aber ausschließlich für einen einzigen Stallbetreiber oder einen damit im Zusammenhang stehenden Reitverein tätig und es besteht eine wirtschaftliche Abhängigkeit. 

Auskunft für die Einordnung kann beim Finanzamt eingeholt werden (§ 42e EstG); oder Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV. Es besteht die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 266a StGB wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Dies ist mit einer Freiheitsstrafe bis 5 Jahre oder Geldstrafe bewehrt. Verstößt ein AG vorsätzlich oder leichtfertig gegen die Meldepflicht zur Sozialversicherung, liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, diese kann mit einem Bußgeld bis zu 25.000,00 € verhängt werden (§ 111 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB IV). Fällt ein Verstoß erst im Rahmen einer Betriebsprüfung auf, handelt es sich um ein „illegales Beschäftigungsverhältnis“. Eine Arbeitnehmereigenschaft kann nicht einvernehmlich abbedungen werden. 

Je nach Einzelfall können Reitlehrer, die zwar aufgrund eines als Dienst- oder Werkvertrages bezeichneten Vertrages tätig werden, tatsächlich Arbeitnehmer sein.

Weiter anzusprechen ist die Beschäftigung von Ausländern. In fast allen Ställen ist ausländisches Stallpersonal anzutreffen.

  • EU-Bürger

Unionsbürger, welche in Deutschland arbeiten möchten, haben nach der Maßgabe von § 2 FreizügG einen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt ohne Visa oder Aufenthaltstitel. Bei der Einreise ist lediglich der Pass oder ein anerkannter Passersatz erforderlich. EU Bürgern gleichgestellt sind Bürger aus den EWR-Staaten (Norwegen, Lichtenstein, Island).

  • Nicht EU-Bürger

Diese Personen dürfen beschäftigt werden, wenn es ein Aufenthaltstitel erlaubt und eine Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt wurde. 

Grundsätzlich gilt das Recht, was zwischen den Parteien vereinbart wurde (Folge: Privatautonomie). Fehlt eine Regelung, findet auf den im Inland beschäftigten Ausländer deutsches Recht Anwendung. Arbeitsverträge werden auch dann wirksam, wenn der AN der deutschen Sprache nicht mächtig ist, es besteht aber die Möglichkeit der Vertragsanfechtung. 

Auszubildende dürfen auf keinen Fall als „billige Arbeitskräfte“ gesehen werden. Hilfstätigkeiten kommen dem Ausbildungszweck nicht hinreichend nach. 

Auch für Praktikanten (Unterschieden wird zwischen Pflichtpraktika und freiwilligen Praktika) können Versicherungspflichten bestehen. 

In Ermangelung eines Weisungsrechtes sind die meisten Vereinsmitglieder keine Beschäftigten im Sinne des § 7 SGB IV. Bei Reitlehrern, die zugleich Mitglied im jeweiligen Verein sind, bedarf es einer grundsätzlichen Vorsicht. Der Umfang von Vereinsarbeit und darüberhinausgehende geleistete Tätigkeiten können schnell ineinander übergehen, sodass es zu einem ungewollten Arbeitsverhältnis mit sich daran anknüpfenden Verpflichtungen kommen kann. (48 Stunden pro Woche bei einer 6 Tage-Woche). Bei Verstößen kann ein Bußgeld bis zu 15.000,00 € verhängt werden, zudem ist eine Strafbarkeit möglich. 

Jeder AN hat gem. § 1 Abs. 1 MiLoG einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe des Mindestlohns. Dieser beträgt seit dem 01.01.2019 à 9,19 €. Die werkvertragliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers darf grds. 8 Stunden nicht überschreiten, § 3 S. 1 ArbZG. Eine Verlängerung auf 10 Stunden ist möglich, sodann müssen jedoch weitere Anforderungen beachtet werden und es stehen dem AN gesetzliche Pausen zu. Für den Bereich der Tierhaltung und Tierpflege bestehen zudem Ausnahmen für Beschäftigungsverbote an Sonn- und Feiertagen. Sollten die Zeiten nicht eingehalten werden können, ist dem AG zu raten, weiteres Personal einzustellen. Zahlt ein AG vorsätzlich keinen Mindestlohn, ist ein Bußgeld bis zu 500.000,00 € möglich. Auch kleinere Betriebe werden durch den Zoll kontrolliert, da gerade bei osteuropäischen AN der Lohn gerne „gedrückt“ wird.

Das Arbeitsverhältnis kann nach §§ 622 f. BGB gekündigt werden, hierbei ist zwingend die Schriftform einzuhalten. Mündlich ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam. In Kleinbetrieben (nicht mehr als 10 AN) gibt es keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG.

Bei Fragen können Sie sich gerne an mich wenden

Rechtsanwältin für Pferderecht Jasmin Lisa Himmelsbach


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