Auffahrunfall nach Spurwechsel

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Wer haftet nach einem Verkehrsunfall für die entstanden Schäden an den am Unfall beteiligten Fahrzeugen, Motorrädern, Fahrrädern, Personen, usw. ist die erste Frage, die man sich nach einem Unfall stellt. Oftmals ist es so, dass die Unfallbeteiligten jeweils meinen, dass der Unfallgegner den Unfall alleine verschuldet habe. Dies ist in den meisten Fällen ein Irrglaube, da nicht selten beide Seiten zumindest eine Teilschuld an dem Unfall trifft oder sich aber aus der Betriebsgefahr des Fahrzeuges eine (Mit-) Haftung ergibt.

Es gibt jedoch Unfallsituationen, in denen nur einer der Beteiligten den Unfall alleine verschuldet haben, jedenfalls der Beweis des ersten Anscheins für ein Alleinverschulden spricht. Dieser Beweis kann zwar erschüttert werden, was jedoch im Einzelfall schwierig sein kann.

Das Kammergericht Berlin hatte am 22.12.2021 über einen Fall zu entscheiden, in dem es nach einem Spurwechsel zu einem Auffahrunfall kam. Der Unfall kam so zustande, dass Kläger, der auf einer dreispurigen Richtungsfahrbahn unterwegs war nach einem Spurwechsel von der mittleren auf die linke Spur fuhr und anschließend vor einer roten Ampel anhalten musste. Der Beklagte fuhr dem Kläger von hinten in sein Fahrzeug, mithin lag ein Fall des Spurwechsels mit anschließendem Auffahrunfall vor.

Auf der einem Seite haftet - nach dem Anscheinsbeweis - bei einem Unfall, der in unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang steht, grundsätzlich der Spurwechsler zu 100 %  und zum anderen haftet der Auffahrende ebenfalls zu 100%.  Dies war also die Rechtsfrage, mit der sich das Kammergericht auseinandersetzen musste.

Das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Berlin hatte angenommen, dass bei einem solchen Fall der Beweis des ersten Anscheins nicht gilt, da dieser nur gilt, wenn das gesamte Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch ist, das derjenige Unfallteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat.

Der BGH hatte bereits entschieden, dass dies auf Autobahnen eben nicht der Fall ist, wenn es nach einem Spurwechsel zu einem Auffahrunfall kommt. Das Landgericht sah es in dem vorliegenden Fall genauso und auch das Kammergericht bestätigte dies mit dem Argument, dass ebenso wie auf der Autobahn auf einer mehrspurigen Fahrbahn im Stadtverkehr mit häufigen Spurwechseln zu rechnen ist, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer sich aufgrund der des häufig dichteren Verkehrsaufkommen und komplexer Verkehrssituationen vergleichbar wie auf der Autobahn gefordert ist, mit der damit einhergehenden vergleichbaren Gefahr von Fehleinschätzungen der Fahrweise anderer. 

Das Gericht gab im Ergebnis beiden Verkehrsteilnehmern eine Mitschuld von 50%. 

Sollte Sie einen Verkehrsunfall erleiden, sprechen Sie uns gern an. Je früher Sie sich an einen Anwalt wenden, desto höher sind Ihre Erfolgschancen. Eine zuverlässige Einschätzung ist oft bereits im Rahmen eines Erstberatungsgesprächs möglich und zielführend.


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