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Aufklärung über Misserfolgsrisiko vor Operation

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Bei der Entfernung von Fremdmaterial, sog. Osteosynthesematerial, kommt es nicht selten zu Problemen. Der Arzt hat vor einer solchen Operation den Patienten auch darüber aufzuklären, dass der Eingriff gegebenenfalls nicht vollständig von ihm durchgeführt werden kann, sofern er nicht alle spezialisierten Operationswerkzeuge für mögliche eintretende Komplikationen griffbereit hat. 

Zur Vermeidung einer zweiten Operation muss der Patient darauf hingewiesen werden, damit ihm die Möglichkeit gegeben wird, die Operation bei einem anderen Arzt durchführen lassen zu können, um sich dadurch einer zweiten, eventuell notwendig werdenden Operation entziehen zu können.

Entscheidung des LG Heidelberg

Dies hat das LG Heidelberg in einem Urteil vom 22.04.2015 (Az. 4 O 221/13) entschieden.

Die Patientin war bei einem Wanderausflug gestürzt und zog sich dabei eine Radiusfraktur des rechten Handgelenks zu. Anfang Dezember 2011 erfolgte eine offene Resorption und osteosynthetische Versorgung mittels winkelstabiler Radiusplatte. Die Entfernung dieses Fremdmaterials wurde für Anfang Mai 2012 vorgesehen. An diesem Tag wurden fünf der sechs eingesetzten Schrauben operativ entfernt, die sechste Schraube ließ sich nicht lösen, woraufhin der behandelnde Arzt die Operation abbrach und die Metallplatte sowie die sechste Schraube in situ beließ.

Es wurde ein erneuter Operationstermin für Mitte Mai 2012 in einer anderen Klinik vereinbart, in welchem das zurückgebliebene Fremdmaterial entfernt werden konnte. Unmittelbar nach der Operation litt die Patientin unter Nervenschmerzen und einem Taubheitsgefühl in Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger der rechten Hand.

Die Patientin wirft dem behandelnden Arzt vor, bei seinem Versuch, während der zweiten Operation die festsitzende Schraube zu entfernen, gegen den fachärztlichen Standard verstoßen und eine Nervenschädigung verursacht zu haben.

Zudem erhebt die Patientin die Rüge fehlerhafter Aufklärung. Sie sei vor der Operation nicht über die mit dem Eingriff verbundenen typischen oder spezifischen Risiken aufgeklärt worden. Ihr sei weder über den Ablauf noch über die möglichen Risiken der Operation etwas erklärt worden. Ihr sei lediglich mitgeteilt worden, dass sie zwei Wochen nach der Operation nicht in den Urlaub fahren dürfe, da zu dieser Zeit Wundkontrollen und die Entfernung des Nahtmaterials vorgenommen werden müssten. Auch am Operationstag selbst sei keine Aufklärung erfolgt. Auf dem Weg zum Operationssaal sei ihr ein Dokument vorgelegt worden, welches sie ausgefüllt und unterschrieben habe. An den Inhalt könne sie sich jedoch nicht mehr erinnern.

Hierin liegt eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung. Der Arzt trägt die Beweislast dafür, dass er die Aufklärungspflicht erfüllt, der Patient wirksam eingewilligt hat und sein Eingriff infolgedessen gerechtfertigt ist. Diese Einwilligung ist nur wirksam und schließt die Rechtswidrigkeit des körperlichen Eingriffs nur dann aus, wenn die Patientin das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite in seinen Grundzügen erkannt hat.

Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen an den von dem Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Die Risikoaufklärung durch den in der zweiten Operation handelnden Arzt ist jedoch im Hinblick auf das bei der Entfernung der Metallplatte bestehende Misserfolgsrisiko unvollständig gewesen.

Laut Beurteilung des Sachverständigen klären Mediziner über das Problem schwer entfernbarer Schrauben nur unzulänglich bis gar nicht auf. Diese Schwierigkeiten beim Herausdrehen seien auch nicht als medizinische Komplikation zu verstehen, selbst wenn dabei ein Stück der Schraube im Knochen verbleibe. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Risikoaufklärung nach herrschender Meinung dem Patienten einen Überblick über die mit dem Eingriff verbundenen Gefahren verschaffen muss. Damit sind dauerhaft oder vorübergehende nachteilige Folgen eines Eingriffs gemeint, die sich auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht mit Gewissheit ausschließen lassen.

Der Arzt hat den Patienten auch über seltene Risiken aufzuklären, wenn sie bei ihrer Realisierung die Lebensführung des Patienten schwer belasten würden. Daher hat der Arzt auch über Misserfolgsrisiko des geplanten Eingriffs im Sinne einer eingriffsspezifischen Risikoerhöhung aufzuklären.

Empfehlung

Die Entscheidung zeigt, dass viele Ärzte ihrer Aufklärungspflicht nicht vollumfänglich nachkommen und die Patienten oftmals im Ungewissen gelassen werden. Eine ausführliche Aufklärung ist auch nicht nur deshalb nötig, um sich als Arzt von möglichen Haftungsrisiken freizusprechen. Sie ist vielmehr dazu da, dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Rechnung zu tragen.

Um nachträgliche Schäden, welche mitunter auch durch falsche Aufklärung entstehen können, zu vermeiden, ist es hilfreich, einen spezialisierten und erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren und die Rechtslage prüfen zu lassen. Dieser berät Sie im konkreten Fall über ihre möglichen Ansprüche und deren Erfolgsaussichten.



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