Aus der Praxis: Diebstahl im Supermarkt
- 5 Minuten Lesezeit
Ab wann ist man eigentlich ein Ladendieb?
Eine wichtige und praxisnahe Frage bei der Strafbarkeit eines Diebstahls im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB ist der Zeitpunkt der Vollendung der Tat. Und dies ist für einen Laien oft gar nicht so einfach zu durchschauen.
Viele haben vielleicht sogar schon einmal unabsichtlich den objektiven Tatbestand des Diebstahls in einem Supermarkt erfüllt. Ist jemand, der die Ware im Laden in seine Jackentasche steckte und noch vor dem Ausgang zurücklegt, bereits ein Ladendieb? Oder muss er dazu erst die Kasse passieren? Oder gar das Gebäude verlassen? Und was ist mit jemand, der eine Ware bereits im Supermarkt verspeist und die leere Packung an der Kasse bezahlt? Solche und andere Fragen drängen sich auf beim Diebstahl.
Der Gewahrsamsbruch
Dreh und Angelpunkt dieser Problematik ist der Gewahrsamsbruch. Denn der § 242 Abs. 1 StGB setzt die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache voraus. Die Waren im Supermarkt sind zweifelsohne für den Käufer fremde und bewegliche Sachen. Aber ab wann ist die Sache dem Ladeninhaber weggenommen worden?
Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründen neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist ein tatsächliches, von einem Herrschaftswillen getragenes Herrschaftsverhältnis. In der Regel besitzt jemand Gewahrsam, wenn er im Besitz der Sache ist. Obwohl der zivilrechtliche Besitz nicht mit dem strafrechtlichen Gewahrsam gleichgesetzt werden darf, stellen beide Begriffe auf die soziale Zuordnung ab, sodass sie zumeist deckungsgleich sind.
Das Essen der Ware im Geschäft
Der Ladeninhaber hat grundsätzlich einen Gewahrsam an alle sich in seinem Laden befindlichen Ware. Greift ein „Kunde" nun zu und isst die Ware, zum Beispiel eine Weintraube oder Schokoladenriegel, so erfüllt er zumindest den objektiven Tatbestand des Diebstahls. Denn das Verspeisen einer Sache ist die intensivste Form des sich Aneignens. Er eignet sich somit diese fremde bewegliche Sache an.
Die Ware in die eigene Jackentasche stecken
Wie sieht es aber aus, wenn er sich die Sache in seine Jackentasche steckt?
Hier hat sich das Konstrukt der Gewahrsamsenklave entwickelt und durchgesetzt. Ist die Ware in der Jackentasche, so befindet sie sich - genauso wie der Kunde und die Jacke - zwar noch im Gebäude des Ladeninhabers, jedoch hat der Ladeninhaber keinen direkten Zugriff (und Blick) mehr auf seine Sache. Viel mehr bilden die Kleidungsstücke des Kunden seine eigene Privatsphäre, auf die der Ladeninhaber nicht ohne weiteres zugreifen kann. Er müsste daher z. B. den „Dieb" bitten, seine Jackentasche oder den Rucksack zu öffnen und dort Einblick gewährt zu bekommen, was immer mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Daher ist dem Ladeninhaber bereits beim Einstecken der Sache dieselbe weggenommen worden, da er keine tatsächliche Herrschaftsmacht mehr über die Sache ausübt.
Damit lautet die Antwort: Es bedarf somit zur Vollendung des Diebstahls kein Passieren der Kasse oder gar das Verlassen des Ladens. Bereits das Einstecken in die eigene Jacke erfüllt den objektiven Tatbestand des Diebstahls.
Und bei eigenen Tüten?
Schwieriger sind dann jedoch die Fälle zu behandeln, bei denen der Kunde die Ware in eine mitgebrachte Einkaufstasche oder in einen eigenen Einkaufs-Trolley packt, die in der Regel als legales Transportmittel zur Kasse (und später nach Hause) verwendet werden. Hier muss im Einzelfall geschaut werden, ob im konkreten Umstand bereits eine Wegnahme vollendet wurde oder nicht. Durchsichtige Einkaufstüten oder „offene" Rolleys, die einen gewissen Einblick gewähren, sind tendenziell eher weniger eine Wegnahme als das „Verstecken" der Ware in dem untersten Fach. Hier spielt das Verhalten des Kunden ebenfalls einen gewissen Einfluss.
Subjektiver Tatbestand: Der Vorsatz
Zur Vollendung des Diebstahls muss aber auch ein subjektives Moment hinzukommen. Der Kunde muss allgemein den Vorsatz der Tat haben. Das heißt er muss es für möglich halten und zumindest billigend in Kauf nehmen, dass er eine fremde bewegliche Sache wegnimmt. Darüber hinaus muss der Täter aber noch die Absicht haben, sich oder einem Dritten, die Sache zuzueignen. Der Täter muss den bisherigen Eigentümer dauerhaft aus seiner bisherigen Position verdrängen und sich zumindest vorübergehend die Sache einverleiben. Dies ist zum Beispiel, wie bereits oben erläutert, auch dann gegeben, wenn ein Lebensmittel im Laden gegessen wird. In diesem Fall kann der Ladeneigentümer natürlich nicht mehr auf seine Eigentumsposition bestehen.
Der Rücktritt
Der Zeitpunkt der Vollendung eines Diebstahls ist nicht nur für die Höhe der Strafe relevant, sondern auch für die Frage, ob er überhaupt bestraft wird. Denn solange eine Tat noch im Versuchsstadium steckt, könnte der Täter strafbefreiend gemäß § 24 Abs. 1 StGB von der Verwirklichung der Tat zurücktreten. So verhält es sich zum Beispiel, wenn den Ladendieb vor der Kasse die Reue packt und er die Ware doch bezahlt (auf das Band legt) oder gar zurücklegt.
Wie aber festgestellt, ist bereits mit dem Einstecken der Ware in die Jacke der Diebstahl vollendet worden. Damit ist ein Rücktritt danach nicht mehr möglich. Das führt im Extremfall zu der Situation, dass ein Ladendieb, der eine Ware mit Zueignungsabsicht in seine Jacke steckt und anschließend doch noch an der Kasse das Produkt zahlt, sich wegen Diebstahls strafbar gemacht hat.
Fazit
Beim Einkaufen hat man sich häufig vermutlich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wie die Produkte (zur Kasse) transportiert werden sollten. Zu einer unabsichtlichen „Strafbarkeit" kommt es in der Regel jedoch nicht, weil es häufig am Vorsatz des Diebstahls fehlt. Trotzdem wird in einem Strafverfahren der Verdacht erst einmal bestehen, dass man auch vorsätzlich gehandelt hat. In vielen Fällen wird der Ladeneigentümer natürlich dies nachzuweisen versuchen. Dies sollte daher gänzlich vermieden werden durch die Verwendung von einem Einkaufskorb oder durchsichtige Einkaufstüten. Denn wie ein altes Sprichwort bereits sagt: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Artikel teilen: