Befangenheit eines Sachverständigen wegen fachlicher Beziehungen mit dem Gegner?

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Gemäß § 406 ZPO kann in Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Die Ablehnung eines Richters ist in § 42 ZPO geregelt. Nach Absatz 2 findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn  ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

Das Oberlandesgericht Dresden beschäftigte sich mit der Frage, ob die berufliche Zusammenarbeit eines Sachverständigen mit einer Partei oder enge fachliche Beziehungen die Besorgnis der Befangenheit begründen und die Ablehnung des Sachverständigen begründen können. Wenn befürchtet wird, dass ein Sachverständiger befangen ist, dann muss dies dem Gericht umgehend mitgeteilt werden.  Sie können die Erstellung des Gutachtens nicht abwarten und dann, je nach Ergebnis des Gutachtens, später damit kommen, dass Sie den Sachverständigen für befangen halten. Denn: Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. (§ 43 ZPO)


OLG Dresden, Beschluss vom 05.02.2024 - 4 W 782/23 (II. Instanz)

LG Leipzig, 19.10.2023 - 8 O 2174/21 (I. Instanz)



Der Kläger fordert von der Beklagten, einem Klinikum, Schmerzensgeld und die Anerkennung der Haftung für zukünftige materielle sowie immaterielle Schäden infolge seiner stationären Behandlung dort im März 2020. Im Juli 2022 beauftragte das Landgericht Prof. Dr. W., einen ausgewiesenen Experten im Bereich Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens. Dieses Gutachten wurde den Parteien im Juli 2023 übermittelt, mit der Aufforderung, binnen vier Wochen etwaige Einwände vorzubringen.


Der Kläger äußerte Bedenken hinsichtlich der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen, nachdem er herausfand, dass dieser und der Chefarzt der beklagten Klinik beide aktive Mitglieder der Mitteldeutschen Chirurgenvereinigung sind und bei fachlichen Veranstaltungen zusammenarbeiteten. Er beantragte daraufhin die Ablehnung des Sachverständigen wegen befürchteter Befangenheit, was das Landgericht jedoch im Oktober 2023 ablehnte. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger sofortige Beschwerde ein, welche das Landgericht ohne Änderung seiner Entscheidung zurückwies.


Verlust des Rechts zur Ablehnung wegen Befangenheit

Die Beschwerde wurde als zulässig betrachtet, hatte jedoch inhaltlich keinen Erfolg. Das Gericht urteilte, dass der Ablehnungsantrag des Klägers teilweise verspätet und somit unzulässig war, insbesondere bezüglich der behaupteten engen Zusammenarbeit des Sachverständigen mit Ärzten der Beklagten. Solche Einwände hätten innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Ernennung des Sachverständigen geltend gemacht werden müssen.


Fehler im Gutachten ≠ Befangenheit

Ferner urteilte das Gericht, dass berufliche oder wissenschaftliche Kontakte allein noch keine Befangenheit begründen. 

Die vom Kläger vorgebrachten inhaltlichen Mängel des Gutachtens – speziell die angebliche Nichtberücksichtigung seiner Schmerzsymptomatik und der CRP-Werte – rechtfertigten ebenfalls nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit. Fehler oder Mängel in einem Gutachten könnten zwar dessen Wert mindern, begründeten aber ohne Weiteres keinen Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters.

Insgesamt folgte das Gericht der Argumentation, dass objektive Gründe für eine Ablehnung wegen Befangenheit fehlten. Die beruflichen Beziehungen des Sachverständigen zu Ärzten der Beklagten und dessen wissenschaftliche Aktivitäten ließen nicht auf eine mangelnde Distanz oder Unparteilichkeit schließen. Entsprechend blieb die Beschwerde des Klägers erfolglos.

Foto(s): stock.adobe.com Gpoint Studio


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