Befunderhebungsfehler - oder: Was der Arzt gern vergisst, oder viel zu spät vornimmt.

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OLG Hamm, Urteil vom 10.05.2016, Aktenzeichen 26 U 107/15

Die zum damaligen Zeitpunkt 11-jährige Klägerin litt unter Diabetes Mellitus. Wegen dieser Diagnose stellte sie sich auch bei dem beklagten Augenarzt vor. Trotz erheblicher Visusverschlechterung führte dieser keine Untersuchung der Sehnerven durch. Durch diesen groben Befunderhebungsfehler unterblieb die erforderliche Behandlung des bestehenden Glaukoms. Die Klägerin hat nunmehr nur noch eine Sehfähigkeit von 30 %, zudem besteht das Risiko der Erblindung. Das Gericht sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von € 80.000,00 zu.

Leitsätze des Gerichtes

Unterlässt ein Augenarzt bei einem 11-jährigen Kind mit Diabetes mellitus eine Sehnervuntersuchung durchzuführen, kann dies als grober Behandlungsfehler zu werten sein.

Der Verlust der Sehfähigkeit von 60 % auf unter 30 % kann bei einem 11-jährigen Kind ein Schmerzensgeld von 80.000,- EUR rechtfertigen. Dabei ist nur das Risiko der Erblindung, nicht aber die tatsächliche Erblindung selbst berücksichtigt.

Anmerkung

Die Unterscheidung von typischen Diagnosefehlern und Befunderhebungsfehlern bereitet nicht nur Patienten Probleme, sondern stellt auch Anwälte vor eine besondere Herausforderung. So ist ein einfacher Diagnosefehler letztlich nicht immer haftungsauslösend, wobei ein einfacher Befunderhebungsfehler weitreichende Konsequenzen haben kann.

Neben der klassischen falschen Durchführung der Behandlung (Behandlungsfehler) muss überprüft werden, ob der Arzt die erhobenen Befunde richtig ausgewertet hat (Diagnosefehler), welche Befunderhebung in Betracht kommt und ob der Arzt diese hätte zwingend vornehmen müssen, obgleich er dies unterlassen hat (Befunderhebungsfehler).

Bei dem Befunderhebungsfehler wird dann in einem zweiten Schritt hypothetisch gefragt, ob dies mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätte und ob das Nichtreagieren hierauf grob fehlerhaft wäre.

Im hiesigen Fall war dies offensichtlich zu bejahen und führte neben einem ganz erheblichen Schaden auch zur Haftung des Arztes.

Diese komplizierte Fragestellung sollten Sie jedoch im Zweifel durch einen spezialisierten Anwalt prüfen lassen, da sonst die Gefahr besteht, dass Wesentliches sehr schnell übersehen wird.

Haben auch Sie den Verdacht, dass der Arzt nur oberflächlich überprüft hat? Glauben Sie, eine früher veranlasste Diagnose hätte bereits einige Schäden vermieden? Dann kontaktieren Sie uns. Wir beraten Sie gerne weiter.

Wir vertreten Sie mit Sitz in Siegen (Südwestfalen) gern bundesweit.

Alexander Rüdiger
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht
Lehrbeauftragter der Universität Siegen


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