Beweislastumkehr bei einfachem Befunderhebungsfehler

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„Ein einfacher Befunderhebungsfehler kann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde." Diesen Leitsatz hat der Bundesgerichtshof (BGH) seinem Urteil vom 13.09.2011 (Az.: VI ZR 144/10) vorangestellt.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die beklagte Notärztin Schadensersatzansprüche geltend. Er ist der Auffassung, es läge ein Diagnose- bzw. Befunderhebungsfehler vor. Die Beklagte behandelte den Kläger als Notärztin. Ihr wurde mitgeteilt, dass der Kläger an Herz- und Magenschmerzen leide und in der Familie bereits ein Herzinfarkt aufgetreten sei. Die Notärztin gab dem Kläger zwei Hub eines Pumpsprays, welches die Durchblutung des Herzens verbessern und das Herz entlasten sollte. Als Diagnose stellte sie einen Verdacht auf Virusinfekt und auf Angina pectoris. Da sich die Beschwerden des Klägers nicht besserten, brachte die Ehefrau des Klägers diesen später am selben Tag in ein Krankenhaus. Hier zeigte sich ein akuter Vorderwandinfarkt. Der Kläger wurde in ein Herzzentrum verlegt und dort einer Bypassoperation unterzogen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben Ansprüche des Klägers abgelehnt. Zwar läge ein Befunderhebungsfehler vor; die Kausalität des Behandlungsfehlers für die eingetretene Schädigung sei jedoch nicht bewiesen. Da laut Sachverständigem hier nur ein einfacher Befunderhebungsfehler vorlag, gingen die Gerichte davon aus, dass die Kausalität vom Kläger bewiesen werden müssen. Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Entscheidung

Der BGH führt aus, dass auch eine nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung zu einer Beweislastumkehr führen könne. Nämlich dann, wenn sich bei der Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft dargestellt hätte.

Hierzu habe das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen. Es ließe sich nicht ausschließen, dass eine sofortige EKG-Untersuchung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis im Sinne eines akuten koronaren Geschehens gezeigt hätte. Käme es nach diesen Grundsätzen zu einer Beweislastumkehr, hätte die beklagte Notärztin beweisen müssen, dass der Gesundheitsschaden des Klägers nicht auf der unterbliebenen sofortigen Einweisung in das Krankenhaus zur weiteren Abklärung beruht.

Fazit: Der Beweislast kommt im Arzthaftungsrecht oft eine entscheidende Bedeutung zu. Grundsätzlich hat der Patient zu beweisen, dass der Arzt ihn fehlerhaft behandelt hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn ein sog. „grober Behandlungsfehler" vorliegt. Aber auch bei einfachen Befunderhebungsfehlern kann, wie diese Entscheidung des BGH zeigt, eine Umkehr der Beweislast in Betracht kommen. Anders liegt die Beweislast bei der sog. Selbstbestimmungsaufklärung. Der Arzt muss beweisen, dass der Patient hinreichend aufgeklärt wurde und dieser in die Behandlung eingewilligt hat.



Rechtsanwalt
Matthias Herberg

Fachanwalt für Sozialrecht,
Fachanwalt für Medizinrecht

Tel. (0351) 80 71 8-80, herberg@dresdner-fachanwaelte.de

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