Beliebte Kürzungen von Versicherungen im Rahmen einer Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall

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I. Einleitung

Nach einem Verkehrsunfall ist dem Geschädigten der entstandene Schaden zu erstatten.

Zwecks der Beweissicherung wird ein Sachverständigengutachten nach einem Unfall erstellt.

Liegen dem Schädiger bzw. der gegnerischen Versicherung verschiedene Rechnungen über die durchgeführte Reparatur und Gutachten vor, so ist bei auftretenden Differenzbeträgen grundsätzlich die höhere Rechnung maßgeblich, da es sich hier um eine konkrete Abrechnung handelt.

II. Fiktive Abrechnung /Abrechnung auf Gutachtenbasis

Viel interessanter ist eine fiktive Abrechnung oder Abrechnung auf Gutachtenbasis. Darunter versteht man die Erstattung der Reparaturkosten und des Minderwertes nach Maßgabe eines Sachverständigengutachtens oder eines Kostenvoranschlags. Dabei werden die fiktiven Kosten ersetzt, also der Betrag, den der Geschädigte für die Reparatur des Fahrzeugs hätte aufwenden müssen.

Der Geschädigte hat das Recht, sein Fahrzeug gar nicht zu reparieren oder günstiger zu reparieren und gleichzeitig die im Sachverständigengutachten ermittelten Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer zu behalten. Denn dafür hat der Gesetzgeber im § 249 Absatz 2 Satz 2 BGB eine ausdrückliche Ausnahme geregelt. Danach kann die Umsatzsteuer nur ersetzt werden, wenn diese tatsächlich angefallen ist. Diese fällt bei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Geschädigten regelmäßig für die Gutachter- und Anwaltskosten an.

Repariert der Geschädigte das Fahrzeug ganz oder zum Teil, so kann er die nun angefallene Mehrwertsteuer für diese Reparatur nachfordern (BGH, Urteil v. 17.10.2006 – VI ZR 249/05).

Bezüglich anderer Schadenspositionen nimmt die gegnerische Haftpflichtversicherung gerne einige Kürzungen vor oder verweist auf eine andere Reparaturmöglichkeit. Einige davon werden hier kurz erläutert.

1. Fahrzeuge bis 3 Jahre oder älter und scheckheftgepflegt:

Ist das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht älter als 3 Jahre, so ist eine Reparatur in einer anderen als einer markengebundenen Fachwerkstatt für den Geschädigten in der Regel selbst dann nicht zumutbar, wenn die Reparatur technisch gleichwertig ist (BGH, Urteil, v. 28.04.2015 – VI ZR 267/14). Der Geschädigte muss sich nicht auf eine Reparatur verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten würde (BGH, Urteil v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09).

Bei einem älteren Fahrzeug kann eine solche Verweisung in eine nicht markengebundene Fachwerkstatt ebenso unzumutbar sein. Hierbei ist von Bedeutung, ob das Fahrzeug „scheckheftgepflegt“ ist. Wurde das Fahrzeug in einer markengebundener Fachwerkstatt gewartet und repariert, so kann der Geschädigte, um seine Gewährleistungsrechte nicht zu gefährden, das Fahrzeug in „seiner“ Fachwerkstat reparieren bzw. diese Stundenverrechnungssätze berechnen lassen.

2. UPE- Aufschläge:

Es sind die sogenannten Aufschläge auf die unverbindlichen Preisempfehlungen für Ersatzteile, die aufgrund der Lagerung von Originalersatzteilen aufgeschlagen werden und damit den Aufwand für das Invorrathalten von den Ersatzteilen abgelten sollen. Durch das Bereithalten von Ersatzteilen wird eine zeitliche Reparaturverzögerung vermieden, die andernfalls durch die Zusendung dieser Ersatzteile vom Herstellerwerk entstehen würde.

Nach der herrschenden Meinung sind die UPE-Aufschläge auch bei einer fiktiven Abrechnung zu ersetzen, wenn sie nach den örtlichen Gepflogenheiten auch bei einer markengebundenen Werkstatt angefallen wären (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2012 – 1 U 108/11). Die regionale Üblichkeit der Aufschläge hat der Geschädigte darzulegen. Enthält das Gutachten keine Aussage diesbezüglich, so stellt das eine willkommene Angriffsfläche für die gegnerische Haftpflichtversicherung dar. In diesem Zusammenhang verweisen die gegnerischen Versicherungen gerne daraufhin, dass auch die Benennung nur einer Fachwerkstat, die die UPE-Aufschläge erhebt, dafür nicht ausreichend ist (OLG Hamm, Urteil v. 30.10.2012, I – 9 U 5/12).

In einigen Regionen ist die Üblichkeit der Aufschläge bereits „gerichtskundig“, womit der Beweis mit dem Hinweis angetreten werden kann, § 287 ZPO.

Die Beweislast für das Erschüttern bzw. Entkräften der Darlegung des Geschädigten (hinsichtlich der Erhebung der UPE-Aufschläge) trägt die Haftpflichtversicherung.

3. Verbringungskosten:

Die Verbringungskosten entstehen, wenn die Fachwerkstatt über keine eigene Lackiererei verfügt und es daher eine Verbringung zum Lackierer erforderlich ist.

Im Rahmen der Dispositionsbefugnis des Geschädigten steht es ihm frei auf die Reparatur ganz zu verzichten oder die Lackierarbeiten selbst durchführen zu lassen.

Die dafür anfallenden Kosten stellen einen angemessenen und erforderlichen Aufwand zu Schadensbeseitigung dar und sind daher nach der herrschenden Meinung auch bei einer fiktiven Abrechnung zu ersetzen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.2008 – 1 U 246/07).

4. Kleinersatzteile:

Selbst der Aufschlag für die Kleinersatzteile versucht die Haftpflichtversicherung zu kürzen, was nicht gerechtfertigt ist. Das Gericht hat keine grundsätzlichen Bedenken daran, dass der Verbrauch entsprechender Klein- und Kleinstteile sowie diverser notwendiger Flüssigkeiten im geringfügigen Umfang pauschal abgerechnet werden kann, da eine exakte Verbraucherfassung in keinem Verhältnis zum Wert stünde (AG Erlangen, Urt. v. 16.02.2012 – 3 C 1956/11). Das Aufzählen jedes Kleinteilersatzteiles oder jeden Tropfen Öl ist viel aufwändiger und steht in keinem Verhältnis zu dem pauschalen Aufschlag. Denn das Aufzählen jedes einzelnen Kleinersatzteiles stellt eine langwierige Arbeit dar, wofür am Ende mehr bezahlt werden müsste, als eben für den einen pauschalen Aufschlag.

5. Fehlerauslese:

Es kommt vor, dass die Haftpflichtversicherung den Lohn für die Durchführung einer Fehlerspeicherauslese nicht erstattet. Dies ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. Denn es existieren unfallbedingte Eingriffe (wie z. B. das Ersetzen eines Einparkhilfesensors), wo es zwingend ist, eine Fehlerdiagnose durchzuführen. Solche Fehler werden nicht mittels Warnleuchten im Fahrzeug angezeigt. Diese werden in einem Steuergerät gespeichert. Nur durch diese Fehlerauslese können weitergehende Fehler erkannt oder gelöscht werden. Heutzutage wird in jeder Werkstatt der Fehlerspeicher ausgelesen, sodass hier auf jeden Fall die genannten Kosten für den Geschädigten entstehen würden.

6. Verweis auf die alternative Fachwerkstatt:

Die alternative Fachwerkstatt muss für den Geschädigten ohne weiteres zugänglich sein.

Ein wichtiger Anhaltspunkt dafür ist die Entfernung der angebotenen Fachwerksatt zum Wohnsitz des Geschädigten. Dabei spielen unter den Umständen auch geographische Begebenheiten. So wird die Zugänglichkeit in der Stadt bis zu 15 km (BGH, Urteil v. 20.10.2009 – AZ ZR 53/09) und in der ländlichen Region bis zu 20 km akzeptiert. Bietet die Reparaturwerkstatt einen kostenlosen Hol- und Bringservice, so ist die Entfernung ohne weiteres zumutbar auch, wenn die Referenzwerkstatt beispielsweise 26 km entfernt ist (AG Düsseldorf Urteil, v. 14.03.2012 – AZ 39 C 14728/11).

III. Fazit

Der Gesetzgeber hat im Rahmen einer fiktiven Abrechnung nur bezüglich des Ersatzes der Mehrwertsteuer eine klare Regelung getroffen. Hinsichtlich anderer Schadenspositionen werden seitens der Haftpflichtversicherung einzelne Punkte „rausgepickt“, die nicht erstattet werden. Oft ist es widersprüchlich, dass einige Schadenspositionen im Rahmen einer fiktiven Abrechnung erstattet und die anderen mit der Begründung abgelehnt werden, dass diese nicht konkret angefallen sind.

Ohne eine anwaltliche Unterstützung ist es oft schwierig die einzelnen Schadenspositionen erstattet zu bekommen.

Der Geschädigte trägt keine Kosten, weder  für den Anwalt noch den Kfz-Sachverständigen, da diese die Versicherung des Unfallverursachers übernimmt.

Für eine weitergehende Beratung oder Vertretung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.



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