Berücksichtigungsfähigkeit von Tilgungsleistung beim Unterhalt

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Besitzen in Trennung lebende oder bereits geschiedene Eheleute eine eigene Immobilie, die, wie im Regelfall, noch nicht abbezahlt ist, stellt sich die Frage, wie dies unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist.


I. Grundsatz     


Wichtig, zu wissen ist, dass demjenigen, der mietfrei im eigenen (Mit-)Eigentum lebt, ein sogenannter Wohnwert zugerechnet wird. Also ein Einkommensvorteil, den der Eigentümer hat, weil er eben mietfrei lebt. Ein positiver Wohnwert kommt nur dann in Betracht, wenn dieser höher ist, als die zu leistenden Darlehenslast.


II. Zinsen: Immer in voller Höhe


Vom Wohnwert in Abzug zu bringen sind immer die Finanzierungskosten, also die Darlehenszinsen.


III. Tilgung: Bis zur Höhe, des um Zinslast gekürzten Wohnvorteils; darüber hinaus als sekundäre Altersvorsorge


Bis zum 18.01.2017 war es  rechtlich klar, dass Tilgungsleistungen beim Unterhalt lediglich als sekundäre Altersvorsorge in Höhe von maximal 4% des Jahresbruttoeinkommens (5% beim Elternunterhalt) vom Einkommen des Unterhaltsverpflichteten abgezogen werden können, bzw. beim Ehegattenunterhalt noch solange in voller Höhe, wie der andere Ehegatte von der Vermögensmehrung profitiert.


Dies hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung zum Elternunterhalt gekippt (Die Entscheidung ist auf der Homepage des BGH unter dem Aktenzeichen XII ZB 118/16 abrufbar). So tituliert er:


„a) Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. 


b) Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.“


Dies bedeutet, dass die Tilgung zunächst einmal den Wohnwert auf minimal Null kürzt. Ein negativer Wohnwert entsteht hieraus nicht. Tilgung, die den Wohnwert übersteigt, ist nur im Rahmen sekundärer Altersvorsorge zu berücksichtigen. Als angestellter Arbeitnehmer können 4% des Bruttoeinkommens hierfür angerechnet werden. Diese Altersvorsorge mindert das Einkommen zusätzlich.


Argument des Bundesgerichtshofs ist dabei, dass der Wohnwert auch nur deswegen entsteht, weil auch die Darlehenslast eingegangen wurde. Daher muss auch diese Last Berücksichtigung finden. 


Da die Entscheidung zum Elternunterhalt ergangen ist, wurde in der Literatur und teils auch in der Praxis gestritten, ob dies auch für andere Unterhaltstatbestände gelte. Der Bundesgerichtshof hat zwischenzeitlich klargestellt, dass dies für alle Unterhaltstatbestände gilt. (vgl. BGH  04.07.2018 Az. XII ZB 118/16).


Insbesondere gilt diese Rechtsprechung auch beim Kindesunterhalt. Lediglich dann, wenn der Mindestunterhalt gefährdet ist (Mangelfall), also, wenn noch nicht einmal der Unterhalt gem. erster Einkommensgruppe gem. Düsseldorfer Tabelle geleistet werden kann, muss eine Überprüfung der Berücksichtigung der Tilgungsleistung kommen. Dann nicht abziehbar ist der Tilgungsanteil, der sekundäre Altersvorsorge darstellt, weil Vermögensleistung nicht der Unterhaltsverpflichtung vorgeht. Bezüglich des Tilgungsanteils, der im Rahmen des Wohnvorteils in Abzug gebracht wurde, muss die Möglichkeit der Reduzierung der Tilgungsraten diskutiert werden um den Mindestunterhalt von 100% (Erste Stufe gem. Düsseldorfer Tabelle) sicher zu stellen. (vgl. BGH 09.03.2022, Az. XII ZB 233/21).


IV. Tilgung auch von Mieterträgen abziehbar


Am 15.12.2021 hat der BGH auch entschieden, dass die Reduzierung des Einkommens um die Tilgung nicht nur im Rahmen eines Wohnvorteils möglich ist, sondern auch dann, wenn der Eigentümer nicht selbst in der Immobilie lebt, sondern diese fremdvermietet und hieraus Mieterträge erzielt. (vgl. BGB 15.12.2021, Az. XII ZB 557/20)


V. Beispiel


Zur Veranschaulichung der Rechtsprechung folgendes vereinfachte Beispiel:


Der unterhaltspflichte, bereits geschiedene Elternteil X lebt im alleinigen Eigentum und schuldet seinen zwei minderjährigen Kindern, 14 und 16 Jahre alt, Unterhalt. Es wird hierbei unterstellt, dass nach Abzug sämtlicher Abzugspositionen (hierunter keine Altersvorsorge), noch ohne Berücksichtigung seines Eigentums, ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.000,00 € verbleibt. Das Jahresbruttoeinkommen beträgt 48.000,00 €. Der objektive Wohnwert beträgt 1.200,00 €. Auf ein Darlehen bezahlt er 250,00 € Zinsen und 1.200,00 € Tilgung.


Zunächst ist anzuführen, dass das mietfreie Wohnen im eigenen Eigentum als sogenannter Wohnwert in der Unterhaltsberechnung Niederschlag findet. Der Höhe nach wird der objektive Mietwert angesetzt. Auf Ausnahmen hierzu soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.


Nach alter Rechtsprechung hätte sich folgende Berechnung ergeben:


            2.000,00 €

+             950,00 € Wohnwert  (1.200,00 €  - 250,00 € Zinsen)

-              160,00 € Tilgung als sogenannte sekundäre Altersvorsorge (gerundet 4%)

            2.790,00 € bereinigtes Nettoeinkommen


Dementsprechend würde X gemäß Düsseldorfer Tabelle Kindesunterhalt gemäß Gruppe 4 ( Einkommen zwischen 2.701,00 € und 3.100,00 €) bezahlen, obwohl sein Einkommen tatsächlich geringer ist (2.000,00 € - 250,00 € Zinsen - 1.200,00 € Tilgung). Dies würde derzeit (2022) einem Unterhaltsbetrag von 495,50 € je Kind entsprechen. 


Unter  Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung ergibt sich folgende Berechnung:


            2.000,00 €

+                0,00 € Wohnwert (1.200,00 € - 250,00 € Zinsen – 950,00 € Tilgung)

-           160,00 € Tilgung als sekundäre Altersvorsorge (48.000,00 € * 4% / 12 Mon)

            1.840,00 €


Dann wäre X lediglich zur Zahlung entsprechend der ersten Einkommensgruppe verpflichtet, also 423,50 € je Kind gem. Düsseldorfer Tabelle. 


Dies hätte nun zur Folge, dass dem Unterhaltsschuldner nur noch 993,00 € (1.840,00 € - 423,50 € -423,50 €) verblieben.


Ihm muss aber der notwendige Selbstbehalt für einen Erwerbstätigen in Höhe von 1.160,00 € verbleiben damit er seinen eigenen laufenden Bedarf sicher stellen kann. Gleichzeitig muss er aber auch alles Erdenkliche unternehmen, um den Mindestunterhalt gem. erster Einkommensgruppe gem. Düsseldorfer Tabelle sicher zu stellen. Hier greift nun die oben zitierte Rechtsprechung des BGH vom 09.03.2022, dass zunächst die sekundäre Altersvorsorge unberücksichtigt bleibt. Das bereinigte Einkommen würde sich dann auch 2.000,00 € erhöhen. Dem Unterhaltsschuldner bleiben nach Abzug des Kindesunterhalts noch 1.153,00 €. Damit läge der Unterhaltsschuldner nur noch knapp unter dem notwendigen Selbstbehalt. Zu diskutieren wäre daher, ob eine Tilgungsstreckung des Anteils, der bereits beim Wohnwert reduziert wurde, vertraglich möglich wäre und in welchem Umfang. Dies ist Frage des Einzelfalls. Es liegt jedoch nahe, dass bei monatlich 7,00 € dem Unterhaltsschuldner zumutbar ist, auch diese zu bezahlen.



Es zeigt sich also, dass der Unterhaltsschuldner, der in einer eigenen Immobilie lebt, deutlich entlastet wird. Ob dies nun als negativ für die Kinder gewertet wird, die weniger Unterhalt erhalten oder aber als notwendige Entlastung des Unterhaltspflichtigen, der letztlich die Darlehensraten bezahlen muss und daher über deutlich weniger Einkommen verfügt, wie ihm nach alter Rechtsprechung zugerechnet wurde, wird je nach Perspektive sicher anders gesehen. „Gerechter“ dürfte diese Rechtsprechung aber deswegen sein, weil sie mehr der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Unterhaltsverpflichteten entspricht. 



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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