Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern

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I. Grundsatz


Die Ansprüche eines Patienten aus fehlerhafter ärztlicher Behandlung verjähren in der Regel innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Soweit, so eindeutig.


Dies bedeutet, dass der Anspruchsberechtigte nach dieser Verjährungsfrist seine Ansprüche nicht mehr erfolgreich durchsetzen kann, auch, wenn der Behandlungsfehler nachgewiesen ist. Die Einrede der Verjährung muss aber auch eingewendet werden und wird vom Gericht nicht von Amts wegen geprüft und zugrunde gelegt. Dies bedeutet also, dass wenn die Einrede nicht erhoben wird, die Ansprüche dennoch durchsetzbar sind.


Die Praxis zeigt, dass in der Regel nicht versäumt wird, sich auf diese Einrede zu berufen. Daher ist das Augenmerk in arzthaftungsrechtlichen Angelegenheiten verschärft auf die zeitliche Komponente zu richten. Gerade, weil solche Angelegenheiten in der Regel mehrere Jahre zur Klärung bedürfen. Drei Jahre gehen daher schnell ins Land, wenn auch Gutachten eingeholt werden.


II. Verjährungsbeginn


Gem. §199 Abs.1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem


1. der Anspruch entstanden ist und

2. der Gläubiger von den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.


Gefordert wird hier also zweierlei. Es muss zu einem haftbaren Ereignis gekommen sein und der Patient muss wissen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, bzw. müsste dies wissen.


Es kommt also nicht auf die Behandlung selbst an, sondern wann der Patient Kenntnis davon erlangte (erlangen hätte können), dass der Schaden aufgrund eines Behandlungsfehlers des Arztes eingetreten ist.


Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 08.11.2016, Az. VI ZR 594/15 wie folgt hierzu aus:


„Hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler kann die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten oder dessen gesetzlichem Vertreter lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren (Senatsurteile vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90, VersR 1991, 815, 816; vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, VersR 1995, 659, 660; vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, VersR 2001, 108, 109, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 358; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6; jeweils mwN). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (Senatsurteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6 mwN).


Und dem folgenden in seinem Urteil vom 26.05.2020, Az. VI ZR 186/17


„Hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler kann die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten oder seinem gesetzlichen Vertreter lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolgs schließen können. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren (vgl. Senatsurteile vom 8. November 2016 - VI ZR 594/15, VersR 2017, 165 Rn. 13; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214 Rn. 6; vom 23. April 1991 - VI ZR 161/90, VersR 1991, 815, juris Rn. 10; jeweils mwN). Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auch die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2016 - VI ZR 594/15, VersR 2017, 165 Rn. 13 mwN).“


Die Urteile sind auf der Website des Bundesgerichtshofs abrufbar.


Maßgeblich ist also die Laiensphäre und der Patient ist nicht verpflichtet sich medizinisches Wissen anzueignen.


Der Verjährungsbeginn ist daher mitunter nicht einfach festzustellen und bietet Streitpotential, das mit Rechtsunsicherheit einhergeht. Hierbei helfen wir Ihnen gerne und haben in der Fallbearbeitung auf die Verjährungsfristen ein besonderes Augenmerk.


Ist dann aber der Zeitpunkt der Kenntnis einmal festgestellt errechnet sich die Frist wie folgt:


Kleines Beispiel:


Behandlung:                        15.10.2020

Kenntnis:                              05.07.2021

Verjährungsbeginn:            01.01.2022


III. Verjährungsende


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, sodass die Frist im voranstehenden Beispiel am 31.12.2024 enden würde.


IV. Höchstfrist


Die Folge der dargestellten Regel würde dazu führen, dass ein Arzt niemals sicher sein könnte, nicht noch nach Jahrzehnten mit Behandlungsfehlern konfrontiert zu werden, wenn der Patient erst wesentlich später Kenntnis hierüber erlangt. Auch, wenn hier die Interessen des Patienten sicher dahin gehen, Fehler unbefristet geltend machen zu können, hat sich der Gesetzgeber für eine Regelung entschieden, die nach 30 Jahren zur Rechtssicherheit führt.


Gem. § 199 Abs. 2 BGB verjähren daher Ansprüche, die auf der Verletzung des Leben, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen erst nach 30 Jahren und dies kenntnisunabhängig ab dem schädigenden Ereignis, also der fehlerhaften Behandlung.


V. Verlängerung der Frist


Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, die Verjährungsfrist zu verlängern:


  • Hemmung durch Verhandlungen
  • Klageerhebung
  • Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Ärztekammer
  • Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens


Ist es zur Hemmung der Frist gekommen, so endet diese grundsätzlich gem. § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens.


In der Praxis wird sich auch häufig mit der Einholung eines Verzichts auf Erhebung der Einrede der Verjährung beim behandelnden Arzt/ Krankenhausträger beholfen um die Verjährung weiter zu strecken, sodass die Ansprüche in der Regel kaum verjähren, wenn rechtzeitig begonnen wird, die Angelegenheit zu klären. Hierbei sind wir gerne behilflich.







Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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