Berufsunfähigkeitsversicherung: Detektive im Einsatz
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In der Berufsunfähigkeits-Leistungsprüfung ist der Einsatz von Detektiven nicht ungewöhnlich – eine Praxis, die bei manchen an die dystopische Überwachungswelt aus George Orwells „1984“ erinnert. Doch während der „große Bruder“ in Orwells Vision die Freiheit des Einzelnen einschränkt, dient der Einsatz von Ermittlern hier einem anderen Zweck: der Überprüfung, ob jemand tatsächlich dauerhaft arbeitsunfähig ist oder vielleicht seine Erkrankung simuliert. Gerade bei psychischen Erkrankungen oder diffusen Schmerzsyndromen, bei denen ein eindeutiger Nachweis fehlt, bleiben oft Grauzonen, die den Verdacht auf Simulation oder Aggravation aufwerfen. In solchen Fällen könnten verdeckte Ermittlungen möglicherweise die Wahrheit ans Licht bringen – oder ist dies ein Schritt zu viel in Richtung eines „großen Bruders“ in der Versicherungswelt? Wie weit darf die Versicherung gehen? Ein Überblick.
Wann darf die Versicherung einen Detektiv engagieren?
Grundsätzlich sind die Parteien zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Der Versicherungsnehmer (VN) hat einen vertraglichen Anspruch auf den Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Während der VN verpflichtet ist, dem Versicherer wahrheitsgemäße Informationen zu liefern, muss der Versicherer im Gegenzug dessen Rechte wahren, wenn er die Angaben des VN überprüft. Eine verdeckte Überprüfung, etwa durch Observierungen, widerspricht grundsätzlich dem Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme im Versicherungsverhältnis, da niemand grundlos bespitzelt werden sollte.
Es gibt allerdings Ausnahmen: Wenn ein begründeter Verdacht auf vorsätzlich vertragswidriges Verhalten besteht, etwa bei Arglist, darf der Versicherer auch verdeckte Ermittlungsmethoden einsetzen, um Beweise zu sammeln. Bloße Zweifel reichen hierbei nicht aus. Allerdings zeigt sich, dass in bestimmten Versicherungsarten, wie etwa der Berufsunfähigkeitsversicherung, eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Hier kann es auch bei geringfügigem Verdacht oder durch Indizien gestützten Anhaltspunkten zulässig sein, eine Observation durchzuführen. Widersprüche in ärztlichen Gutachten oder eine Vorgeschichte von Versicherungsbetrug können schon ein berechtigtes Interesse an einer verdeckten Überprüfung begründen.
Wo liegen die Grenzen?
Wie so häufig im Recht liegt die Grenze in der Verhältnismäßigkeit – das heißt, die Observation müsste geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der Interessen des VN angemessen sein. Der Versicherer darf die Detektei nur zur Aufklärung spezifischer Verdachtsmomente einsetzen, die auf eine mögliche Täuschung hindeuten. Eine allgemeine Überwachung der Lebensverhältnisse des VN ist unzulässig.
- Beispiel für eine gerechtfertigte Observation: Ein konkreter Fall könnte sich etwa ergeben, wenn der VN in einem Fragebogen zur Berufsunfähigkeit Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit und gesundheitlichen Einschränkungen macht, die später durch öffentliche Informationen (z. B. Internetauftritte oder Teilnahmen bei Sportwettbewerben) widerlegt werden. In solchen Fällen kann die Observation dem Versicherer helfen, festzustellen, ob ein Nachprüfungsverfahren notwendig ist, um die tatsächliche Berufsunfähigkeit zu klären.
- Beispiel für eine ungerechtfertigte Observation: Verboten ist die heimliche Überwachung von Personen durch Privatermittler mittels GPS, da diese Maßnahme grundsätzlich strafbar ist, es sei denn, es liegt ein starkes berechtigtes Interesse vor.
Observation in der Öffentlichkeit vs. Arbeitsplatz
Die Frage, ob eine Observation aufgrund der öffentlichen Zugänglichkeit eines Ortes zulässig ist, wird unterschiedlich beurteilt. Im Allgemeinen gilt, dass Personen, die sich in der Öffentlichkeit aufhalten, einen geringeren Schutz ihrer Privatsphäre haben. Anders verhält es sich, wenn sich eine Person an einem nicht öffentlichen Ort, wie ihrem Arbeitsplatz, befindet. In solchen Fällen muss die Zulässigkeit der Beobachtung individuell geprüft werden.
Am Arbeitsplatz ist eine Observation in der Regel dann gerechtfertigt, wenn der Beobachtete bereits mit der Außenwelt in Kontakt tritt. Allerdings wurde in der Rechtsprechung die dauerhafte und minutiöse Aufzeichnung eines Tagesablaufs, einschließlich Filmaufnahmen und stundenlanger Überwachung über längere Zeiträume als unverhältnismäßige und somit rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts eingestuft. Dies zeigt, dass selbst in öffentlich zugänglichen Situationen der Umfang und die Art der Beobachtung stets im Einklang mit dem Schutz der Privatsphäre stehen müssen.
War da nicht was mit Datenschutz und Verwertbarkeit?
Jetzt fragt sich der ein oder andere Leser sicher: Was ist mit dem Datenschutz? Schließlich ist doch selbst die Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen in Deutschland verboten, warum darf man mich dann ausspionieren? Hier kommen wir zum Punkt der Verwertbarkeit: Die Art und Weise, wie Informationen, die durch Detektive gewonnen wurden, verwertet werden, muss sorgfältig bedacht werden. Gerichte prüfen kritisch, ob Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, insbesondere wenn es um die Verwendung von Bild- oder Tonaufnahmen ohne die Zustimmung des Versicherten geht. Während der Einsatz eines Detektivs als Zeuge, der eigene Beobachtungen schildert, grundsätzlich zulässig ist, könnte die Verwendung von heimlichen Aufnahmen problematisch sein, da das Recht am eigenen Bild betroffen ist. Gerichte wägen in solchen Fällen zwischen den Interessen des Versicherers, der Versichertengemeinschaft und den Rechten des Versicherten. Wird die Beobachtung rechtswidrig durchgeführt, stellt sich die Frage, ob die gewonnenen Beweise trotzdem verwertbar sind. In der Regel gilt, dass rechtswidrig erlangte Beweise nicht verwendet werden dürfen. Ausnahme: Wenn der Versicherungsnehmer betrügerisch handelt, kann auch in solchen Fällen eine Verwertung nach einer Güterabwägung erlaubt sein.
Fazit und Handlungsempfehlung
Der Einsatz von Detektiven zur Überprüfung von Versicherungsansprüchen kann sowohl rechtlich als auch ethisch problematisch sein, insbesondere wenn dabei Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
Sollten Sie Opfer einer „verdeckten Observation“ sein und dies führt zur Einstellung der Leistungen oder zur Ablehnung des Leistungsantrags, so stellt sich häufig die Frage der Zulässigkeit und Verwertbarkeit der gesammelten Beweise. Folgende Schritte sollten Sie dann in Erwägung ziehen:
- Überprüfung der Beweise: Fordern Sie Einsicht in alle Beweise, die zur Ablehnung Ihres Antrags geführt haben. Dies umfasst insbesondere etwaige Bild- oder Tonaufnahmen sowie die Berichte des Detektivs.
- Rechtliche Beratung einholen: Ein Fachanwalt für Versicherungsrecht kann Sie über Ihre Rechte aufklären und die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Überwachung prüfen.
- Gerichtliche Klärung: Falls keine außergerichtliche Einigung ersichtlich ist, kann eine Klärung durch das Gericht erforderlich werden. Hierbei könnte eine genaue Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit der eingesetzten Detektivmethoden entscheidend sein.
Es ist wichtig, sich nicht sofort mit den „Beweisen“ abzufinden, sondern juristisch zu prüfen, ob die angewandten Ermittlungsverfahren und die daraus gewonnenen Beweise tatsächlich rechtmäßig und zulässig sind. Hierfür stehen die Fachanwälte für Versicherungsrecht aus der Kanzlei Jöhnke & Reichow den Versicherten gern zur Verfügung. Weitere Informationen sind unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ für Sie zusammengefasst.
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