BGH stärkt Käuferrechte: Arglistige Täuschung beim Immobilienkauf und ihre Folgen

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Der Kauf einer Immobilie ist für viele Menschen eine der größten finanziellen Entscheidungen ihres Lebens. Umso ärgerlicher ist es, wenn sich nach Vertragsabschluss herausstellt, dass Mängel arglistig verschwiegen wurden. 

Doch welche Rechte haben Käufer in einem solchen Fall? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 12. Dezember 2024 (Az. IX ZR 28/23) eine wegweisende Entscheidung getroffen, die die Rechte von Käufern stärkt und klare Maßstäbe zur arglistigen Täuschung setzt.

Diese Entscheidung betrifft nicht nur Käufer, sondern auch Verkäufer und Immobilienmakler

Während Käufer nun mit mehr Rechtssicherheit gegen verschwiegene Mängel vorgehen können, müssen Verkäufer noch genauer darauf achten, alle bekannten Mängel offenzulegen. 

Auch Makler und Berater stehen in der Pflicht, Käufer umfassend über mögliche Risiken aufzuklären, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Im konkreten Fall hatte eine Käuferin eine Immobilie erworben, bei der sich nachträglich Mängel an der Heizungsanlage herausstellten. 

Sie warf dem Verkäufer vor, diese Mängel arglistig verschwiegen zu haben, und erklärte sowohl die Anfechtung des Kaufvertrags als auch den Rücktritt vom Vertrag

Das Berufungsgericht hatte den Sachverhalt jedoch nicht ausreichend gewürdigt – der BGH stellte nun klar, unter welchen Bedingungen Käufer in solchen Fällen Anfechtung oder Rücktritt erklären können, ohne eine Nachfrist setzen zu müssen.

Doch was genau bedeutet dieses Urteil für die Immobilienwirtschaft? Welche Konsequenzen hat es für Käufer, Verkäufer und Makler? Im folgenden Beitrag analysieren wir das Urteil und seine weitreichenden Auswirkungen.

Sachverhalt: Kurzbeschreibung des zugrunde liegenden Falles

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um den Kauf einer Immobilie, bei der die Käuferin nachträglich erhebliche Mängel an der Heizungsanlage feststellte. 

Diese Mängel beeinträchtigten die Funktionstüchtigkeit der Anlage erheblich, waren jedoch vor dem Kauf nicht erkennbar. Die Käuferin war der Ansicht, dass der Verkäufer von den Mängeln wusste, sie aber bewusst verschwiegen hatte.

Worum ging es? Mängel an der Heizungsanlage

Nach Übergabe der Immobilie stellte die Käuferin fest, dass die Heizungsanlage nicht ordnungsgemäß funktionierte. 

Eine technische Prüfung ergab, dass die Mängel bereits vor dem Kauf bestanden hatten und nicht durch normalen Verschleiß nach der Übergabe entstanden waren. Die Käuferin fühlte sich getäuscht, da der Verkäufer den Eindruck erweckt hatte, die Heizung sei voll funktionsfähig.

Argumentation der Käuferin - Anfechtung und Rücktritt

Die Käuferin erklärte daraufhin sowohl die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) als auch den Rücktritt vom Vertrag (§ 323 BGB)

Sie argumentierte, dass sie den Vertrag niemals zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn sie von den Mängeln gewusst hätte. 

Zudem machte sie geltend, dass eine Nachbesserung für sie nicht zumutbar sei, da sie sich bewusst gegen eine sanierungsbedürftige Immobilie entschieden hatte.

Position der Vorinstanzen

Das Berufungsgericht hatte den Vortrag der Klägerin zur Funktionsuntüchtigkeit der Heizung und deren Bedeutung für den Kaufvertrag nicht ausreichend berücksichtigt. 

Es war der Ansicht, dass die Mängel nicht erheblich genug seien, um eine arglistige Täuschung zu begründen. Die Käuferin legte daraufhin Revision beim Bundesgerichtshof ein.

BGH-Entscheidung im Detail: Arglistige Täuschung - Voraussetzungen und Rechtsfolgen

Der BGH stellte klar, dass eine arglistige Täuschung vorliegt, wenn der Verkäufer dem Käufer eine wesentliche Eigenschaft der Immobilie bewusst verschweigt oder irreführende Angaben macht, obwohl er über den Mangel Kenntnis hatte. 

Entscheidend ist dabei nicht nur, dass der Verkäufer von dem Mangel wusste, sondern auch, dass dieser für die Kaufentscheidung des Käufers erheblich war.

Rücktritt und Anfechtung: Wann sind diese möglich?

Das Urteil stärkt die Rechte von Käufern, indem es bestätigt, dass eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder ein Rücktritt vom Kaufvertrag möglich ist, ohne dass der Käufer dem Verkäufer zunächst eine Frist zur Nachbesserung setzen muss. 

In solchen Fällen ist eine Nachfrist entbehrlich, da das Vertrauensverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer durch die Täuschung bereits gestört ist.

Nachbesserung und Schadensersatz: Welche Ansprüche entfallen?

Der BGH stellte klar, dass mit der Erklärung von Anfechtung oder Rücktritt das Recht auf Nachbesserung oder Schadensersatz entfällt. Käufer können dann nur noch die Rückabwicklung des Vertrags verlangen, d.h. die Rückgabe der Immobilie gegen Erstattung des Kaufpreises.

Erheblichkeit eines Mangels: Neue Maßstäbe durch den BGH

Besonders brisant ist die Klarstellung des BGH, dass auch ein Mangel, dessen Beseitigungskosten unter 5 % des Kaufpreises liegen, erheblich sein kann, wenn er die Nutzung der Immobilie erheblich beeinträchtigt. Damit wurde eine oft verwendete Bagatellgrenze durchbrochen, was die Beweisführung für Käufer erleichtert.

Praktische Auswirkungen für die Immobilienwirtschaft

Für Käufer: Wie sich das Urteil auf die Rechte von Käufern auswirkt

  1. Käufer haben stärkere Rechte bei arglistig verschwiegenen Mängeln.
  2. Sie können den Vertrag ohne Fristsetzung anfechten oder zurücktreten.
  3. Auch kleinere Mängel können erheblich sein, wenn sie die Nutzung einschränken.
  4. Nachbesserung und Schadensersatz sind nach der Anfechtung/Rücktritt ausgeschlossen.

Für Verkäufer: Offenlegungspflichten und rechtliche Risiken

  1. Verkäufer müssen alle bekannten Mängel transparent offenlegen.
  2. Verschweigen sie Mängel absichtlich, riskieren sie eine Rückabwicklung des Vertrags und ggf. Schadensersatzforderungen.
  3. Das Urteil macht deutlich, dass auch vermeintlich kleinere Mängel erhebliche Folgen haben können.

Für Makler & Berater: Wachsende Bedeutung der Aufklärungspflicht

  1. Makler und Berater sollten Käufer umfassend über bekannte Mängel informieren.
  2. Unzureichende Aufklärung kann zu Haftungsrisiken führen.
  3. Transparente Kommunikation über mögliche Probleme der Immobilie wird noch wichtiger.

BGH stärkt Käuferrechte: Ein Weckruf für die Immobilienbranche!

Die Entscheidung des BGH vom 12. Dezember 2024 (IX ZR 28/23) ist ein klares Signal an Käufer, Verkäufer und Makler: 

Arglistige Täuschung wird nicht toleriert, und die Rechte von Käufern werden gestärkt.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Urteil

Täuschung hat Konsequenzen: Käufer können den Vertrag ohne Fristsetzung anfechten oder zurücktreten, wenn ihnen wesentliche Mängel arglistig verschwiegen wurden.

✔ Mangel ist nicht gleich Bagatelle: Auch Mängel mit niedrigen Beseitigungskosten können erheblich sein, wenn sie die Nutzung der Immobilie beeinträchtigen.

Keine zweite Chance für Verkäufer: Wer arglistig täuscht, verliert das Recht auf Nachbesserung oder Schadensersatzansprüche durch den Käufer – die Rückabwicklung ist dann die einzige Option.

Empfehlungen für Käufer, Verkäufer und Makler

🏡 Für Käufer: Vor dem Kauf sollten sie sich genau über mögliche Mängel informieren und auf eine umfassende Dokumentation bestehen. Falls sich nachträglich ein Mangel zeigt, sollten sie schnell reagieren und rechtliche Schritte prüfen.

🏠 Für Verkäufer: Offenheit ist der beste Schutz. Alle bekannten Mängel sollten klar und vollständig offengelegt werden, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Wer arglistig täuscht, riskiert eine Rückabwicklung des Vertrags – mit finanziellen Einbußen.

📢 Für Makler & Berater: Die Entscheidung unterstreicht, wie wichtig eine transparente Kommunikation ist. Makler sollten Käufer auf mögliche Mängel hinweisen und nicht nur auf die positiven Aspekte einer Immobilie eingehen, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Bedeutung für künftige Fälle in der Immobilienbranche

Diese Entscheidung wird die Rechtslage für Käufer nachhaltig verbessern und Verkäufer sowie Makler zu mehr Sorgfalt und Transparenz zwingen. 

Käufer können sich darauf berufen, dass eine Täuschung nicht nur bei massiven Mängeln vorliegt, sondern auch dann, wenn ein Problem die Nutzung der Immobilie einschränkt. Verkäufer wiederum müssen sich bewusst sein, dass Verschweigen teuer werden kann.

Das Urteil ist somit nicht nur ein wichtiger Meilenstein für die Rechtsprechung, sondern auch ein Weckruf für die gesamte Immobilienbranche: Ehrlichkeit zahlt sich aus – Täuschung dagegen kann teuer werden!

Rechtsberatung im Immobilienrecht? Nehmen Sie gerne Kontakt zu den Rechtsanwälten der Kanzlei Herfurtner auf.

Foto(s): https://kanzlei-herfurtner.de/


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