BGH urteilt erneut zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften zugunsten von Ehegatten

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Der BGH hat sich mit seiner Entscheidung vom 15.11.2016 (Az.: XI ZR 32/16) erneut mit der Frage der Sittenwidrigkeit von Bürgschaften einzelner Ehegatten befasst. In dem konkreten Fall ging es um die Bürgschaft eines Ehegatten zur Absicherung einer Finanzierung eines Bauvorhabens des anderen Ehegatten. 

Bürge oder Mitdarlehensnehmer?

Wie in vielen anderen Fällen auch war der Ehegatte nicht als „Bürge“ bezeichnet, sondern als „Darlehensnehmer“. Für den BGH galt es daher im ersten Schritt zu klären, ob die von ihm in den bisherigen Urteilen aufgestellten Grundsätze zur Ehegattenbürgschaft überhaupt anwendbar waren. 

Der BGH bekräftigte dabei, dass die Unterscheidung zwischen Bürge und Darlehensnehmer in erster Linie davon abhängt, ob der Ehegatte nach dem Willen der Parteien als gleichberechtigter Vertragspartner neben dem anderen Darlehensnehmer/Ehegatte steht, oder ob er lediglich Sicherungszwecke erfüllt. Dem Wortlaut des Darlehensvertrags, in welchem oftmals beide Ehegatten als „Darlehensnehmer“ bezeichnet sind, ist angesichts der Stärke der Verhandlungsposition der kreditgewährenden Bank und der allgemein üblichen Verwendung von Vertragsformularen grundsätzlich jedoch wenig Bedeutung beizumessen (Senatsurteile vom 25. Januar 2005 – XI ZR 325/03 –, WM 2005, 418, 419 und vom 16. Juni 2009 – XI ZR 539/07 –, WM 2009, 1460 Rn.15 m.w.N.). Es kommt daher vielmehr darauf an, ob der Ehegatte ein eigenes sachliches oder persönliches Interesse an der Darlehensaufnahme hatte. Dies war in dem vom BGH zu entscheidenden Fall gerade nicht gegeben, da die Immobilie auf einem Grundstück errichtet werden sollte, welches im alleinigen Eigentum des anderen Ehegatten stand. 

Finanzielle Übervorteilung

Damit eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft gegeben ist, muss eine krasse finanzielle Übervorteilung des Ehegatten vorliegen. Dies ist gegeben, wenn das Einkommen und Vermögen des Ehegatten nicht einmal ausreicht, die im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen zu zahlen. Auch dies war in dem Fall des BGH erfüllt. 

Berücksichtigung von Sicherheiten (z. B. Grundschulden)

Kritisch ist oftmals auch, inwieweit Grundschulden oder andere Sicherheiten bei der Bemessung der Sittenwidrigkeit zu berücksichtigen sind. Hierbei ist anzumerken, dass solche Sicherheiten durchaus Berücksichtigung finden können, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken. Dient eine Grundschuld jedoch nicht nur der Besicherung des Darlehens, sondern sämtlicher Verbindlichkeiten, so ist dies gerade nicht erfüllt. Ebenso müsste die Bank auch gehalten sein, zunächst die Sicherheit zu verwerten, was bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eben auch nicht verpflichtend ist. 

Im Ergebnis bekräftigt die Entscheidung des BGH daher erneut, dass Bürgschaften zugunsten von Ehegatten nur allzu leicht sittenwidrig und damit nach § 138 BGB unwirksam sein können. Betroffene Ehegatten sollten daher nicht leichtfertig auf Zahlungsaufforderungen von Banken oder Sparkassen Zahlungen leisten, sondern im Vorweg stets einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht mit der rechtlichen Prüfung der gegen sie erhobenen Forderungen beauftragen. 


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