Bin ich überhaupt Arbeitgeber? Irrtum lässt den Vorsatz bei § 266a StGB entfallen

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Lange Zeit gab es einen Widerspruch in der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Annahmen einer vorsätzlichen Straftat zwischen der Lohnsteuerhinterziehung und dem Vorenthalten und Veruntreuen von Sozialversicherungsbeiträgen.

Bei der Frage nach der Lohnsteuerhinterziehung ging der BGH davon aus, dass ein Irrtum des Arbeitgebers darüber, dass er Arbeitgeber ist, zu einem Ausschluss des Vorsatzes führt (sogenannter Tatbestandsirrtum, § 16 StGB).

Die Folge ist, dass eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht erfolgen kann, da es sich um eine Vorsatztat handelt. Je nach Lage des Einzelfalls kommt eine Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Steuerverkürzung in Betracht.

Bei der Frage nach der Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a StGB ging der BGH hingegen bislang davon aus, dass ein Irrtum des Arbeitgebers darüber, dass er Arbeitgeber ist, nicht den Vorsatz ausschließt, sondern als sogenannter Verbotsirrtum (§ 17 StGB) im besten Fall die Strafe mildern konnte.

Arbeitgeber, die sich Ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber nicht bewusst waren, wurden also regelmäßig nicht wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung verurteilt.

Gleichzeitig wurden solche Arbeitgeber jedoch regelmäßig wegen des vorsätzlichen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt verurteilt. Zugegebenermaßen kam dies wohl typischerweise nicht in demselben Verfahren vor.

Der aktuelle Beschluss des BGH vom 24.09.2019 (1 StR 346/18) klärt damit genau genommen zwei Fragen.

Erstens ist nunmehr entschieden, wie die Vorsatzfrage hinsichtlich der Arbeitgebereigenschaft im Rahmen des § 266a StGB zu beurteilen ist.

Zweitens kann nunmehr auch sicherer prognostiziert werden, dass sich die Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der Lohnsteuerhinterziehung nicht ändern wird, da die aktuelle BGH-Entscheidung ausdrücklich der Harmonisierung der Rechtsprechung in diesen beiden Bereichen dienen soll.

Im Kern betroffen sind Fälle von Scheinselbständigkeit, die z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung oder einer Prüfung durch den Zoll aufgedeckt werden.

Damit geht natürlich nicht jedes Strafverfahren mit dem Vorwurf, dass ein Arbeitgeber scheinselbstständige Mitarbeiter beschäftigt haben soll, mit einer Einstellung des Verfahrens oder mit einem Freispruch aus.

Es hängt vielmehr davon ab, ob es sich – wie in dem durch den BGH entschiedenen Fall – um einen Irrtum des Arbeitgebers handelt. Je erfahrener der Arbeitgeber ist, desto höher dürften die Anforderungen sein, dass von den Strafgerichten ein Irrtum angenommen wird.

Im entschiedenen Fall ging es um Personen, die Pflegepersonal für die eigene Pflege bzw. für die Pflege von Angehörigen beschäftigt hatten. Diesen wurde ein entsprechender Irrtum zugebilligt. Die Folge in dem Verfahren war jedoch, dass nun eine Verurteilung gegen denjenigen aufgehoben wurde, der die Pflegekräfte in großer Zahl an die entsprechenden Haushalte vermittelt hatte.

Ihm selbst dürfte Vorsatz unterstellt werden. Für eine Verurteilung wegen Beihilfe fehlt es jedoch an der vorsätzlichen Haupttat der jeweiligen Arbeitgeber, also derjenigen, an die er die Pflegekräfte vermittelt hatte.

Das Verfahren wurde an das Landgericht zurückverwiesen, damit dort unter Berücksichtigung der vom BGH aufgestellten Grundsätze neu entschieden wird.

Darüber hinaus hat der BGH seine Linie fortgesetzt, dass hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge, die vorenthalten und veruntreut worden sein sollen, eine genaue und nachvollziehbare Berechnung durch das jeweilige Gericht zu erfolgen hat.

Sowohl die Entscheidung zum Vorsatz beim Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft als auch die erneute Betonung der Anforderungen an die Ermittlung der Sozialversicherungsbeiträge bietet Strafverteidigern Potential, aktiv zu werden.

Als Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (Fernuni Hagen) bin ich als Strafverteidiger in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren tätig. Zu den Wirtschaftsstrafsachen, die ich betreue, gehören insbesondere Strafverfahren gegen Arbeitgeber und Verfahren aufgrund von Insolvenzdelikten.

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