Birkenstock-Sandalen vor Gericht – Warum Design nicht automatisch Urheberrechtsschutz bedeutet

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Ein ikonisches Design ohne rechtlichen Schutz?

Ob in der Fußgängerzone, im Büro oder auf Modeblogs – Birkenstock-Sandalen sind allgegenwärtig. Ihr minimalistisches Design, ihre orthopädisch geprägte Funktion und der Ruf als modisches Statement machen sie unverkennbar. Doch reicht das aus, um Urheberrechtsschutz zu genießen?

Diese Frage musste der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aufsehenerregenden Verfahren klären. Die Antwort: Nein – zumindest nicht bei den konkreten Birkenstock-Modellen Madrid, Arizona und der sogenannten „Knochenmustersohle“.

Was war passiert?

Das Traditionsunternehmen Birkenstock klagte gegen Wettbewerber, die ähnlich gestaltete Sandalen vertrieben. Die Argumentation: Die hauseigenen Modelle seien urheberrechtlich geschützte Werke der angewandten Kunst. Gefordert wurde daher Unterlassung, Schadensersatz und Vernichtung der Konkurrenzprodukte.

Doch sowohl das Oberlandesgericht Köln als auch der BGH sahen das anders: Die charakteristischen Modelle unterschreiten die erforderliche „Gestaltungshöhe“, um urheberrechtlich geschützt zu sein.

Wann beginnt Urheberrechtsschutz?

Um Urheberrechtsschutz zu genießen, muss ein Werk eine „persönliche geistige Schöpfung“ sein (§ 2 Abs. 2 UrhG). Das gilt auch für Werke der angewandten Kunst – also für gestaltete Alltagsgegenstände mit Gebrauchscharakter.

Doch: Gerade bei Gebrauchsgegenständen wie Sandalen ist die Anforderung an die Schöpfungshöhe höher. Reines funktionales Design reicht nicht. Es muss ein künstlerischer Gestaltungswille erkennbar sein, der über das technisch Notwendige hinausgeht.

Warum scheiterte Birkenstock?

Birkenstock stützte sich unter anderem auf folgende Designmerkmale:

  • Die unverwechselbare „Knochenmustersohle“

  • Die schlichte Form der Madrid- und Arizona-Modelle

  • Das reduzierte, unverkleidete Design

Die Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass:

  1. Die funktionale Gestaltung im Vordergrund stand – etwa zur Erfüllung orthopädischer Anforderungen.

  2. Die Designmerkmale nicht genügend herausstechen, um eine „künstlerische Eigenleistung“ zu belegen.

  3. Der gesundheitliche Nutzen dominierte die Gestaltung und ließ kaum kreativen Spielraum.

Selbst wenn heute ein gewisser „Kultstatus“ erreicht wurde, ist allein das Markterfolg oder Popularität kein Indiz für Urheberrechtsschutz. Entscheidend ist der kreative Gehalt zum Zeitpunkt der Markteinführung – und der war nach Gerichtsmeinung nicht ausreichend.

Gibt es dann gar keinen Schutz?

Nicht unbedingt. Die betroffenen Modelle genießen keinen Urheberrechtsschutz – das ist nach der BGH-Entscheidung eindeutig.

Aber: Es gibt alternative Schutzmöglichkeiten, die Unternehmen wie Birkenstock nutzen können – und laut Podcast vermutlich auch genutzt haben:

  • Designschutz (ehemals Geschmacksmusterschutz) nach dem Designgesetz

  • Markenschutz für konkrete Modellbezeichnungen oder Formmarken

  • Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz, wenn etwa eine unangemessene Ausnutzung des guten Rufs erfolgt

Insbesondere der Designschutz bietet einen formalisierten Weg, Produktgestaltungen zu sichern – allerdings nur bei vorheriger Anmeldung.

Was können Unternehmer und Kreative daraus lernen?

Diese Entscheidung ist ein Weckruf für Designer, Produktentwickler und Unternehmer:

  • Frühzeitig prüfen, ob Schutzrechte in Frage kommen – gerade bei funktional geprägten Produkten.

  • Nicht nur auf Urheberrecht setzen – sondern auch Design- und Markenrecht strategisch nutzen.

  • Gestaltung dokumentieren und kreative Entscheidungsprozesse nachvollziehbar machen – denn im Streitfall zählt oft der Vortrag zum Entstehungsprozess.

Mehr zum Thema im Podcast „Kaffeerecht“

Wer tiefer in die juristische Bewertung der Entscheidung einsteigen möchte, dem empfehlen wir die ausführliche Diskussion in der Podcast-Folge Urheberrecht und Birkenstock-Sandalen von Kaffeerecht. Die Folge beleuchtet neben den Urteilen auch die zugrunde liegende Systematik des Urheberrechts – anschaulich und praxisnah.

Fazit

Die Entscheidung des BGH zeigt eindrucksvoll: Design allein macht noch kein Urheberrecht. Wer seine kreativen Leistungen absichern will, braucht nicht nur ein gutes Produkt – sondern auch eine kluge Schutzrechtsstrategie. Für Unternehmen im kreativen Bereich ist es daher essenziell, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen.

Foto(s): Image by Tabea from Pixabay

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