BVerwG: Urteil zu Gelegenheitskonsumenten v. Cannabis – kein sofortiger Entzug der Fahrerlaubnis

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Bundesverwaltungsgericht: Gelegenheits-Cannabiskonsumenten darf bei Erstverstoß gegen Trennungsgebot nicht sofort die Fahrerlaubnis entzogen werden

Die Fahrerlaubnisbehörde darf bei einem Gelegenheitskonsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung des Rauschmittels ein Kraftfahrzeug geführt hat, nicht ohne Weiteres von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen. 

Vielmehr ist sie in einem solchen Fall gehalten, über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung mit Urteil vom 11.04.2019 entschieden.

Nach Erstverstoß gegen Trennungsgebot Fahrerlaubnis entzogen

In den beim BVerwG anhängigen Verfahren war bei Verkehrskontrollen jeweils festgestellt worden, dass die Kläger, die gelegentliche Cannabiskonsumenten waren, trotz vorangegangenen Konsums ein Kraftfahrzeug geführt hatten. 

Aufgrund der ermittelten Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Cannabiswirkstoff, im Blutserum von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass die Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte. Daher fehle ihnen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wegen fehlender Trennung zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges die Fahreignung. 

Die Fahrerlaubnisbehörden entzogen den Betroffenen deshalb gestützt auf § 11 Abs.7 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ohne die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) die Fahrerlaubnis.

Berufungsgericht: Behörde durfte nicht unmittelbar Fahreignung absprechen

Die hiergegen erhobenen Klagen sind erfolgreich gewesen, soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Berufung entschieden hat. 

Er ist der Auffassung, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis nicht unmittelbar von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen darf, sondern zur Klärung der damit begründeten Zweifel an der Fahreignung im Ermessenswege über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden hat. 

Dagegen hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis für zulässig erachtet.

BVerwG ändert Rechtsprechung und stimmt Vorinstanz zu

Das BVerwG hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass ein gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennt, wenn bei der Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. 

Von einer solchen Möglichkeit könne nach wie vor ausgegangen werden, wenn beim Betroffenen im Anschluss an die Fahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr festgestellt wird. 

Allein dieser erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertige indes in der Regel nicht die Annahme, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. An seiner gegenteiligen Annahme in seinem Urteil vom 23.10.2014 hält das BVerwG nicht fest.

Behörde muss bei Erstverstoß gegen Trennungsgebot MPU erwägen

Auch ein einmaliger Verstoß begründe aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen müsse. Erforderlich sei eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen werde. 

Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedürfe es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde habe gemäß § 46 Abs. 3 FeV in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden.

Fazit: Es ist also insbesondere bei laufenden Verfahren, in denen die Entziehung der Fahrerlaubnis droht, oder in denen diese bereits entzogen wurde sorgfältig zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des aktuellen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vorliegen. 

Dann können auch Klagen gegen Entziehungsverfügungen der Fahrerlaubnisbehörden erfolgreich sein. Letztlich ist für den Erhalt oder die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis entscheidend, ob der Fahrerlaubnisinhaber tatsächlich über das notwendige Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr verfügt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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