BVerwG vom 26.1.2021 zur Frage des Bekenntnisses nach § 6 Abs.2 BVFG: Zurück auf Null?

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Nach der neuen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.1.2021 - bislang liegt nur die Pressemitteilung vor - reicht der Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau (mindestens) B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für ein wirksames und zur Spätaussiedleraufnahme notwendiges Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit nicht aus, wenn der Betroffene zuvor ein sog. Gegenbekenntnis zu einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit abgelegt hat.

Damit ist soweit ersichtlich zum ersten Mal höchstrichterlich Stellung bezogen worden zu einer seit Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes am 14.9.2013 (BVFG 2013) schwelenden Frage, ob eine spätere Hinwendung zur deutschen Volkszugehörigkeit für sich genommen ausreicht, wenn zuvor ein Bekenntnis zu einer anderen Volkszugehörigkeit abgegeben wurde.

Das im BVFG 2001 noch vorgesehene "Nur"-Bekenntnis ausschließlich zur deutschen Volkszugehörigkeit im gesamten Zeitraum zwischen Eintritt der Bekenntnisfähigkeit (das 16. Lebensjahr für den Bereich der ehemaligen UdSSR) und der Aufnahme in Deutschland wurde mit dem BVFG 2013 abgeschafft, durchaus bewusst, zur Förderung des vor 2013 nahezu zum Erliegen gekommenen Spätaussiedlerzuzuges.

Zugleich hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eingeführt, ein Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit durch den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 abzulegen. Das geschah im Hinblick darauf, dass in den meisten Nachfolgestaaten der UdSSR ein Nationalitäteneintrag in Inlandspässen nicht mehr vorgesehen ist.

Nicht geklärt war bislang aber die sich aufdrängende Frage, ob damit im Hinblick auf eine wirksame Bekenntniserklärung wieder faktisch die Maßstäbe des BVFG 1993 - und der dazu ergangenen umfangreichen Rechtsprechung - gelten sollten oder tatsächlich eine Erleichterung dahingehend vorgesehen war, dass ein früherer nichtdeutscher Nationalitäteneintrag im Inlandspass (Bekenntnis zu einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit) faktisch unbeachtlich sein sollte.

In der Praxis hat seit 2013 offenbar die letztere Auffassung vorgeherrscht. Das Bundesverwaltungsamt (BVA) als ausführende Behörde hat jedenfalls seit Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes eine frühere nichtdeutsche Nationalitäteneintragung im sowjetischen Inlandspass - und bis ca. 1995 wurden sowjetische Passmuster auch noch von vielen Nachfolgestaaten der UdSSR benutzt - nicht negativ gewertet, insofern danach eine positive und nach außen verlautbarte Hinwendung zur deutschen Volkszugehörigkeit feststellbar war. Das betraf ganz besonders die Fälle, in denen Nationalitäteneinträge in den 90er Jahren geändert worden waren, zumeist in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einem damaligen Aufnahmeantrag. Daraus ergab sich die Möglichkeit, frühere bestandskräftige Entscheidungen des BVA im Wege des Wiederaufgreifens revidieren zu lassen.

Nun hat das BVerwG also am 26.1.2021 entschieden, dass der Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 nicht ausreicht, um ein Abrücken von einem früheren Bekenntnis zu einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit zu bewirken.

Der genaue Satz in der Pressemitteilung des BVerwG lautet: "Der bloße Erwerb solcher Deutschkenntnisse reicht aber nicht aus, um von einem zuvor ausdrücklich abgelegten Gegenbekenntnis abzurücken".

Es geht also nicht um ein Bekenntnis als solches, sondern ausdrücklich um ein Gegenbekenntnis.

Der Unterschied ergibt sich aus dem Vergleich des BVFG 1993 mit dem BVFG 2001.

Nach dem BVFG 2001 war ein durchgängiges positives Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit seit Bekenntnisfähigkeit erforderlich, das sog. Nur-Bekenntnis. Im Zusammenhang damit hat das BVerwG entschieden, dass unabhängig von bestehender Wahlfreiheit die Nationalitäteneintragung im Inlandspass  stets ein Bekenntnis darstelle und in Fällen von Nationalitätenänderungen im Inlandspass ein Nur-Bekenntnis im Sinne des BVFG 2001 grundsätzlich nicht vorliege. Also auch dann, wenn beim Nationalitäteneintrag keine Wahlfreiheit bestand. Das war etwa der Fall, wenn kein Elternteil des Aufnahmebewerbers in dessen Geburtsurkunde mit deutscher Nationalität verzeichnet war. In solchen Fällen konnte der Betroffene bei Erreichen des 16. Lebensjahres zwar bestimmen, ob die Nationalität des Vaters oder der Mutter in seinem Inlandspass eingetragen werden sollte, er konnte aber keine Eintragung der deutschen Nationalität bewirken.

Davon zu unterscheiden ist das "Gegenbekenntnis". Dieses wird definiert als eine bewusste Abwendung von deutscher Volkszugehörigkeit unter gleichzeitiger Hinwendung zu einer anderen Volkszugehörigkeit bei bestehender Wahlfreiheit. Dazu gibt es umfangreiche Rechtsprechung zum BVFG 1993. Bestand bei Eintragung einer nichtdeutschen Nationalität im Inlandspass keine Wahlfreiheit oder konnte diese etwa wegen Behördenwillkür nicht ausgeübt werden, galt ein späteres Bekenntnis zur deutschen Volkszugehörigkeit (in der Regel durch Änderung der Nationalität im Inlandspass) als wirksam und ausreichend. Bestand jedoch Wahlfreiheit und lag damit ein Gegenbekenntnis vor, wurden an ein Abrücken davon derart hohe Anforderungen gestellt, dass regelmäßig mit einem Scheitern des Spätaussiedleraufnahmeantrages zu rechnen war.

Wie ausgeführt, hat das BVA bei Anwendung des BVFG 2013 jedoch nicht mehr zwischen einem "bloßen" Bekenntnis zu einer anderen Volkszugehörigkeit (welches bei fehlender Wahlfreiheit ja nicht zwingend mit einer Abkehr von der deutschen Volkszugehörigkeit verbunden sein muss) und einem Gegenbekenntnis unterschieden. Die in den 90er Jahren entwickelten Maßstäbe für ein Abrücken von einem Gegenbekenntnis wurden also nicht angewendet. Eine Ausnahme bildete jedoch die Frage, ob der Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau B1 ausreiche, um eine frühere nichtdeutsche Eintragung in Inlandspässen oder sonstigen Urkunden (insbesondere Geburtsurkunden der Kinder des Aufnahmebewerbers) zu revidieren. In diesen Fällen verlangte und verlangt das BVA ein über den Erwerb der Sprachkenntnisse hinausgehendes Bekenntnisverhalten, etwa die Eintragung deutscher Nationalität in den Geburtsurkunden der Kinder (was in der Russischen Föderation weiterhin möglich ist) oder die Nationalitätenänderung im Inlandspass (etwa in Kasachstan und Kirgistan). Das waren allerdings recht einfach zu überwindende Hürden.

Die in der Praxis äußerst relevante Frage ist nun, ob im Lichte der Entscheidung des BVerwG vom 26.1.2021 das noch gelten kann oder ob nicht vielmehr wieder die Maßstäbe des BVFG 1993 gelten. In seiner Pressemitteilung führt das BVerwG folgendes aus "Für ein ernsthaftes Abrücken von einem solchen Gegenbekenntnis bedarf es äußerer Tatsachen, die einen inneren Bewusstseinswandel und den Willen erkennen lassen, nur dem deutschen und keinem anderen Volkstum anzugehören".

Nun dürfte die Änderung der Nationalität in der Geburtsurkunde eines Kindes oder die in der Ukraine offenbar mögliche gerichtliche Feststellung der deutschen Nationalität das Kriterium einer "äußeren Tatsache" erfüllen. Allerdings reichten solche "Bekenntnisänderungen" im Rahmen des BVFG 1993 eben nicht aus, da diese Bemühungen quasi immer im Zusammenhang mit Ausreiseanträgen entfaltet wurden, ihnen im Regelfall also eben nicht der Erklärungsgehalt einer tatsächlichen Änderung der inneren Bewusstseinslage zugemessen werden konnte.

Was gilt aber nun für das BVFG 2013? Bleibt es bei der vom Gesetzgeber beabsichtigten Erleichterung des Spätaussiedlerzuzuges oder wird man für einen sehr großen Teil der noch im Aussiedlungsgebiet verbliebenen und ausreisewilligen  deutschstämmigen Personen auf die restriktive Rechtslage des BVFG 1993 zurückgeworfen?

Zu erwarten steht, dass die Entscheidung des BVerwG ja nicht nur für die Frage gilt, ob und in welchen Fällen (nur) der Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 ausreicht. Ebenso gut lässt das Urteil sich auch auf andere verbreitete Formen des Bekenntnisses anwenden, insbesondere also auf Änderungen des Nationalitäteneintrages im Inlandspass. Dann wäre man allerdings tatsächlich in den sehr häufigen Fällen eines früheren Gegenbekenntnisses wieder bei der restriktiven Praxis des BVFG 1993 angelangt und es müsste der Gesetzgeber ggf. erneut tätig werden, sollte er weiterhin Interesse an einem nennenswerten Spätaussiedlerzuzug haben.


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