Cannabis Patienten: MPU/ärztliches Gutachten wg Cannabis als Medikament - so bestehen Sie! Teil 2

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Teil 2 (=> hier geht es zu Teil 1)

Wir waren bei den Laboruntersuchungen stehen geblieben. Wenn die behördliche Fragestellung es zulässt, können die toxikologischen Untersuchungen von Blut / Urin / Haaren erweitert werden:

  • Ein polytoxikologisches Screening ist dann erforderlich, wenn es in Ihrer Vorgeschichte Drogen Missbrauch gab oder der objektiv -also auf Tatsachen und nicht nur bloße Vermutungen- gestützte Verdacht besteht, dass Sie neben dem medizinischen Cannabis nach weitere BtM nehmen. Klassiker ist hier der Nachweis von Bencoylecgonin (Metabolit von Kokain) in den Haaren (ein auffälliger, recht merkwürdiger Trend, dass bei vielen Gutachterstellen hier diese Probleme bei den Haaranalysen auftauchen, zudem oft mit praktisch fast deckungsgleichen Werten) Hierzu ist zu beachten, dass auch dieser Abbaustoff in den Haaren einer Fremdkontamination geschuldet sein kann und den Konsum jedenfalls bei niedrigen Werten regelmäßig nicht beweist.
  • Ein THC - Säure - A (THCA) Nachweis in den Haaren soll angeblich den Rauchbeikonsum von Cannabis dann beweisen, wenn das verschriebene Cannabismedikament oral eingenommen werden soll. Aber auch hier gibt es das Problem der Fremdkontamination der Haare. Dieser Fall ist aber wenig praxisrelevant.
  • Deutlich praxisrelevanter ist aber der begründete Verdacht auf einen problematischen Alkoholkonsum bzw einen möglichen Mischkonsum Cannabis / Alkohol. Hier wird dann ziemlich häufig auch noch auf den EtG Wert gescreent. Bevorzugt natürlich wegen der längeren Nachweisbarkeit in den Haaren (wenn denn welche da sind und man sich nicht "zufällig" für eine Kurzhaarfrisur entscheiden hat - einer inneren Eingebung folgend...)

Was erwartet Sie beim psychologischen Teil des Untersuchungsgesprächs? 

Hier geht es um Ihre Historie und darum, was Sie im Laufe der Zeit über die Wirkung des Cannabis bemerkt und wie Sie dementsprechend einen verantwortlichen Umgang mit der Substanz gefunden haben. Schwerpunkt der Fragestellungen wird sein, ob und wie Sie verantwortungsbewusst mit den möglichen Auswirkungen der Cannabis Medikamentierung und der Grunderkrankung (und dem Wechselspiel zwischen beiden) umgehen. Hierbei gibt es verschiedene Komplexe zu beachten.

Komplex 1: Medikation 

  • Wie kam es bei Ihnen dazu, dass Sie bei Cannabis "gelandet" sind? Wie sind Sie darauf gekommen, wer hat es empfohlen?
  • Welche anderen -erfolglosen- Behandlungsversuche gab es früher? Welche Medikamente wurden vor Cannabis verschrieben? Warum wurden diese Medikamente abgesetzt?
  • Wie wirkte das Cannabis in der ersten Zeit, den ersten Wochen und Monaten der Therapie? Wie hat sich die Wirkung im Laufe der Gewöhnung verändert?
  • Man wird von Ihnen wissen wollen, ob es unangenehme Nebenwirkungen gab (Tipp: "nein").
  • Es wird gefragt werden, wie Sie die Dosierung sicherstellen und die richtige Konsummethode Indoor und Outdoor (sofern Sie  ab und zu das Haus verlassen, was ich annehme). In der Regel soll ja vaporisiert werden und nicht jeder schleppt den fetten Volcano überall mit hin. Wenn Sie zuhause sind, konsumieren Sie die mittels Digitalwaage peinlich genau abgewogene Menge mit dem Volcano oder einem anderen Vaporizer. Wenn Sie unterwegs sind, dann eben mit einem mobilen Vaporizer. Sie  müssen hier genau sein. Wenn in der ärztlichen Verschreibung die Konsumform "Vaporizer" steht, dann kann es mit "auswärts rauche ich immer Tüte" schnell eng werden. Machen Sie es dem Gutachter nicht so leicht. Sie halten sich strikt an die Vorgaben. Stichwort Compliance.
  • Man will wissen: Wie wirkt sich der Konsum von Cannabis auf die Stimmung und Ihren Antrieb aus? Auch kann der Gutachter fragen, ob das Cannabis im Vergleich zu früher -beim Konsum der illegalen, jetzt legalen gleichen Pflanze und womöglich Sorte- anders wirkt. (Ich weiß: Das grenzt ein wenig an Realsatire. Die Fragen sind weitgehend hochgradig konstruiert und nicht sonderlich lebensnah. Warum soll zB das gleiche Gras, dass ich schon immer rauche, auf einmal anders wirken? Weil es jetzt nicht mehr "White Widow" heißt, sondern irgendeinen technischen Pharma Namen hat? Na sicher. Power Plant bleibt Power Plant und das ändert auch die Neubezeichung "Together Pharma Iapetus" (was für ein selten bescheidener Name) nichts. Und auch an der Wirkung nichts. Abgesehen davon glaube ich, dass selbtgezogenes Gras, welches mit Herzblut gezogen wird, medizinisch besser wirkt. Jedenfalls, wenn der Patient es selbst angebaut hat mit dem festen Glauben, dass die Hingabe beim Growen auch auf seine Heilung durchschlägt. Aber: Das ist verboten, vgl. §§ 29 BtMG.
  • Natürlich ist auch von Interesse, wie Ihre Erfahrungen mit Mischkonsum Alkohol und Cannabis sind. Es wird also -Vorsicht Falle- nicht danach gefragt, ob das überhaupt vorkommt, sondern wie die Wirkung so ist ("Ich trinke keinen Alkohol mehr, seit ich Cannabis verschrieben bekomme. Auch früher gab es keinen Mischkonsum. Ich vertrage Alkohol nicht" )
  • Der Gutachter wird Sie natürlich auch fragen, wann nach dem Konsum die THC Wirkung einsetzt und woran Sie das merken. Und auch, woran Sie merken, dass es nicht mehr wirkt. (=Fragen von Gutachtern, die noch nie selber konsumiert haben und keine Ahnung von der Sache haben, die sie begutachten sollen)

Sie sehen, was für lebensfremde Sonderbarkeiten herauskommen, wenn man eine Pflanze, die aus sich heraus nicht illegal sein kann, entgegen dieses Naturgesetzes illegalisiert und sich dann für die für eng umrissene Bereiche einer für "legal" erklärten Nutzung dieser Pflanze Fragestellungen ausdenkt, die unfreiwillig komisch sind und nur dem Zweck dienen, einen legalen Anwendungsbereich einer Pflanze zu definieren, die weder illegal noch legal noch irgendwie anders zuschreibungsfähig, sondern schlichtweg "ist". 

Ein Lebewesen ist weder legal  noch illegal. Das sind alles Zuschreibungen und die dienen in Sachen Cannabis keinen redlichen, sondern nur und ausschließlich finanziellen Zwecken von Gruppierungen, die Cannabis mehrheitlich feindselig (=und dazu gehört auch Gewinnerzielungsabsicht als Hauptmotiv) gegenüber stehen. Dann kommt die Zuschreibung. "Illegal" / "BtM" usw. Die Pflanze war vor diesen ganzen quaksalberischen Inquisitoren da und wird auch danach noch da sein. 

Warum soll denn umgelabeltes "Pharma" (wenn ich den Begriff schon höre!) White Widow nicht zuhause angebaut werden dürfen auch und gerade von Patienten? Warum müssen sich das soviele Betroffene kaufen, weil die Kasse nicht zahlt oder massiv Probleme macht? 

Warum kann man sich seine Medizin nicht selber züchten, wo es doch genau die gleiche Genetik ist? Das ist so verlogen, so unethisch, so offensichtlich gewinnorientiert. Die Denkweise sollte jedem Menschen eigentlich fremd sein. Das sind komplett inakzeptable Wertungswidersprüche in  kristallinster Form. Getarnt als "Hilfsangebot" der Pharma Lobby für Leute, die sich eigentlich auch klasse selber helfen könnten, würden Sie nicht massivst kriminalisiert. Friss oder stirb. Und Sie fragen sich noch, warum das Cannabis immer noch nicht legal ist und das Thema absichtlich verschleppt wird?

Komplex 2: Die Verkehrsteilnahme und Nebenwirkungen von Cannabis

Mögliche Fragen des Gutachters (der oft eher den Namen "Schlechtachter") verdient hätte:

  • Wenn Sie sich als Cannabis Patient ins Auto setzen - welche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen Sie dann bzw. im Vorfeld? (Hier können Sie natürlich mit einem Zeitfester argumentieren, welches Sie immer zwischen Konsum und Führen eines KFZ lassen, etwa 1-2 Stunden, bis der Peak überwunden ist und die Wirkung nachlässt, sie also vom Plateau runter sind.
  • Wann sind Sie zu beeinträchtigt, um ein KFZ zu führen ("1 - 2 Stunden nach dem Konsum ist die Wirkung noch so, dass ich mich nicht  ans Steuer setze. Danach komme ich in einen sehr entspannt konzentrierten Modus und kann dann gut fahren")
  • Wie verhält es sich, wenn Sie nicht täglich konsumieren, sondern eine Bedarfsmedikation haben, also nur konsumieren, wenn Sie eine stärkere Symptomatik haben - führen Sie dann noch KFZ oder nutzen Sie dann öffentliche Verkehrsmittel? Oder wie handhaben Sie das?
  • Wenn Sie mal wieder auf der A7 im Stau stehen und die Wirkung des Cannabis nachlässt - wie garantieren Sie, dass die durch Cannabis erzielte Verkehrssicherheit nicht verloren geht durch Sinken des Wirkstoffspiegels ("ich fahre dann auf einen Rastplatz, rauche -entsprechend den Vorgaben meines Arztes- dann mittels mobilen Vaporizier, warte 1 - 2 Stunden und fahre dann weiter")

Komplex 3: Die Überprüfung Ihrer Leistungsfähigkeit (Reaktionstests usw)

Zunächst wird hier Ihr Leistungsvermögen geprüft. Den Prüfungsrahmen gibt hier die Anlage 5 Abs. II FeV vor. 

Es geht also um Fragen Ihrer:

  • Belastbarkeit
  • Orientierungsleistung
  • Konzentrationsleistung
  • Aufmerksamkeitsleistung
  • Reaktionsfähigkeit 

Am Computer werden Reaktionsgenauigkeit, Reaktionsschnelligkeit, Konzentration, Aufmerksamkeit, Belastbarkeit und Sinneswahrnehmung einer Prüfung unterzogen. Klassische Reaktionstests eben. Die Anforderungen sind nicht hoch und es  kommt nur ziemlich selten vor, dass das mal jemand nicht schafft. In dem Fall würde ich dieser Person jedoch (gerade wenn es auch beim zweiten Versuch nicht klappt) generell von Führen eines KFZ abraten. 

Insgesamt braucht man vor diesem Teil der Begutachtung keine Angst zu haben, eine gesonderte Vorbereitung ist nicht erforderlich.

Es soll herausgefunden werden, inwieweit sich der Einfluss des THC auf das Reaktionsvermögen und Ihre Achtsamkeit im Allgemeinen auswirkt.

Gibt es bei der Prüfung Ihres Leistungsvermögens Auffälligkeiten, also Ausreisser nach unten, kann die Behörde eine psychologische Fahrverhaltensbeobachtung anordnen. 

Die entsprechende Fragestellung würde dann zB lauten:

"Können die anlässlich der Begutachtung des Leistungsvermögens festgestellten Leistungseinschränkungen des Herrn X/Y durch Fahrerfahrung und durch eine sicherheitsorientierte Einstellung so kompensiert werden, dass eine angemessene und angepasste, also verkehrssichere Fahrzeugführung erwartet werden kann?" 

Man gerät hier natürlich in nicht so einfaches Fahrwasser, da bei deutlichen Auffälligkeiten bei der Überprüfung des Leistungsvermögens davon ausgegangen wird, das eben die für Sie ungünstigen Auswirkungen kausal auf die Dauermedikamentation zurückzuführen sind. Die Fragestellung der Behörde wird dann nur selten in Ihrem Sinne zu beantworten sein. Jedenfalls dann, wenn Sie keine Bedarfsmedikation erhalten, sondern Cannabis täglich konsumieren. 

Geprüft werden soll, ob die Dauerbehandlung mit Cannabis Ihr Leistungsvermögen dauerhaft zu einer Beeinflussung Ihres Leistungsvermögens führt, die akzeptabel ist oder eben nicht. Sonderbarerweise wird hierbei -dabei wäre das ja gerade sinnvoll gewesen- eine dosisabhängige Durchführung der Leistungstests nicht durchgeführt. Dabei wäre ja schon wichtig zu wissen, wie sich die Leistungsfähigkeit über den Lauf des Tages verteilt, wenn man zB Morgens um 8.00 und Abends um 20.00 Uhr konsumiert. 

Das wäre gerade für den Betroffenen nicht unwichtig zu wissen. Unterlassen wird diese genauere Prüfung mit dem Argument, dass es bei der Begutachtung nicht um die aktuelle Fahrsicherheit, sondern um die Leistungsfähigkeit generell ginge.

Natürlich und ausschließlich geht es zwar um die Leistungsfähigkeit in relativer Abhängigkeit zum Konsumzeitpunkt (worum denn sonst?). Aber das ist den Gutachtern wohl zu zeitintensiv und zu schwierig umzusetzen. Deshalb geht reichen schwammige Erkenntnisse statt Klarheit. Wie ich bereits sagte: Die ganze Prozedur der Begutachtung scheint eher finanziellen Erwägungen zu folgen statt wissenschaftlichen Erfordernissen.

Nur bei Bedarfsmedikamentation mit Cannabis soll dann auch der THC Wert im Blut zum Zeitpunkt des Leistungstests bestimmt werden. Warum? Damit Herr Schlaumeier nicht auf die Idee kommt, vor dem Test ein paar Tage mit dem Konsum aufzuhören, um diesen sicherer zu  bestehen als mit breiten Kopf. Und nein: Auch die vielleicht spontan auftretende Idee mit "Unclean Urin" (in Beuteln mit Wunsch THC und THC COOH Gehalt) kommt hier auch für die kreativen Geister unter uns nicht in Betracht: Da hier die Frage der Zeitnähe des Konsums die entscheidene Rolle spielt, ist Blut das Medium der Wahl. Sie haben für den Fall dieser Form der Begutachtung natürlich mit sehr kurzfristiger Einbestellung durch die Gutachterstelle zu rechnen.

Welche Auflagen und Beschränkungen hinsichtlich der Cannabis Medikamentation kommen in Betracht?

  • Bei einer Dauermedikamentation ist der Alkoholkonsum zu unterlassen. Das gilt gerade und erst Recht beim Führen von KFZ (auch bei Werten unter 0,5 Promille). Die Behörde kann den Konsum von Alkohol (insbesondere bei entsprechender Vorgeschichte) im Rahmen der Cannabis Therapie auch ganz untersagen.
  • Je nach Art der Grunderkrankung und der Menge des verschriebenen Cannabis werden recht häufig Nachuntersuchungen im regelmäßigen Turnus durchzuführen sein.
  • Generell gilt: Je mehr Cannabis verschrieben wird als tägliches Medikament, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Führerscheinstelle regelmäßig Wasserstandsmeldungen haben will in Sachen Ihrer Leistungsfähigkeit. Die Leistungsfähigkeit (im Hinblick auf die in Anlage 5 Abs. II FeV genannten Punkte) soll bei chronischen Konsum über Jahre sinken. Allerdings gibt auch Patienten, wo das Gegenteil der Fall ist, weil diese seit der Umstellung auf Cannabis auf Medikamente etwa aus der Opioid Gruppe oder aus der Gruppe der Benzodiazepine verzichten, die deutlich signifikanter auf die Reaktionsfähigkeit, räumliche Wahrnehmung usw. durchschlagen. Ob das Niveau dieser Steigerung von "schlecht" auf "besser" allerdings ausreicht, damit die Leistungstests bestanden werden, ist die Quizfrage.
  • Wenn es aktenkundig ist, dass es einen Substanz Missbrauch in der Vorgeschichte (andere Substanz als Cannabis) gab, dann wird eine die Kontrolle auf diese Substanz(en) Teil der behördlichen Fragestellung bei der Nachuntersuchung sein (auch hier gilt: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss beachtet werden!)

Soviel erstmal zu dem Thema medizinisches Cannabis und Fahrerlaubnisrecht. Über Sinn und Unsinn lässt sich trefflich streiten. 

Halten Sie sich an die dargelegten Spielregeln, besteht eine hohe Chance, dass keine größeren Probleme auftauchen. Wenn, ja wenn die Fahrerlaubnisbehörden und Gutachterstellen die so typischen Eigendynamiken entwickeln und die Wissenschaft mit Füßen treten...

Es geht im Bereich der Begutachtungen immer darum, das "Spiel" so zu spielen, wie es gefordert wird. Ihre Meinung hierzu und meine sind ohne Belang, wenn man zum Erfolg  kommen will. 

Im Zweifel kann es helfen, einen Anwalt um Hilfe zu bitten. Schreiben Sie mir bei Bedarf gerne.


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