Chorleiterverträge in der COVID 19- Pandemie

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  1. Das Problem aus der Praxis

Wir bezahlen unseren Chorleiter zurzeit uneingeschränkt weiter, obwohl wir nicht proben. Die Mitglieder zahlen ihren Beitrag bis jetzt ganz brav.

Unsere Kassenwartin möchte sich gerne absichern für den Fall, dass Mitglieder ihr irgendwann vorwerfen könnten, dass sie jeden Monat das Honorar trotz "Nichtstuns" an den Chorleiter bezahlt (was nicht ganz stimmt, denn er arbeitet auch an neuen Chorsätzen für uns). Dafür hätte sie gerne etwas Schriftliches in der Hand, einen Beschluss, der die Honorarfortzahlung festlegt.

Nun meine Frage: Reicht es, wenn der Vorstand diesen Beschluss fasst (bzw. kann der Vorstand die Honorarfortzahlung "anordnen"), oder müssen die Mitglieder das beschließen?

  1. Lösungsoptionen

Es gibt mehrere Lösungsvarianten:

1. Kündigung des Vertrages, Rückforderung der gezahlten Honorare bei Nichtstun

Der Chorleiter erhält aktuell Honorar für " Nichtstun". Das entspricht nicht dem vertraglichen Leistungsprogramm eines Dienstvertrages nach § 611 BGB, das da lautet: Erbringung der versprochenen Dienste gegen Entgelt.

Da der Chorleiter sein Entgelt bekommen, aber seine Dienste nicht erbracht hat, fehlt es an einem rechtlichen Grund für die Zahlungen.

Der Chorleiter wird sich auf die Covid-19-Pandemie berufen und wohl Rückzahlung verweigern. Dennoch fehlt es an einem rechtlichen Grund für die Zahlungen, bzw. der rechtliche Grund ist durch die COVID-19- Pandemie weggefallen.

Das rechtfertigt eine Rückforderung der gezahlten Honorars aus dem Recht der Ungerechtfertigten  Bereicherung,§ 812 Abs. 1 BGB.

Weiter könnte der Vertrag ordentlich in den Fristen des § 621 BGB  gekündigt werden. In diesem Fall ist eine schriftliche Kündigung zu empfehlen. Der Zugang ist im Streitfall nachzuweisen. Zustellung der Kündigung kann erfolgen: persönlich durch Bote gegen Empfangsbekenntnis, durch Einwurf-Einschreiben, Einschreiben mit Rückschein oder mit Postzustellungsurkunde.

Ein diesbezügliches Schreiben könnte folgenden Wortlaut haben:

MGV Musterstadt

Der Vorstand

Musterstraße 007

99999 Musterstadt

Einwurf-Einschreiben

Herrn / Frau

Straße

Ort

Datum….

Chorleitervertrag

Sehr  geehrte(r) Frau/Herr   ….

Den mit ihnen bestehenden Chorleitervertrag

kündigen wir hiermit außerordentlich aus wichtigem Grund,

hilfsweise  zum nächstmöglichen Termin.

Begründung:

Nach § …. des Chorleitervertrages sind Sie verpflichtet wöchentlich eine Chorprobe durchzuführen und zu leiten. Als Zeitpunkt der Chorprobe hatten wir  ………………..20.00 bis 22.00 Uhr vereinbart.

COVID- 19   bedingt sind die Chorproben ausgefallen.

Sie haben seit ….. 2020  ihre in § …. des Vertrages vereinbarte Vergütung weiter erhalten trotz Nichterbringung von Leistungen.

Dieser Zustand ist untragbar.

Der Chorleitervertrag ist ein Dienstvertrag nach § 611 BGB.  Die Vergütung ist nur bei Leistungserbringung zu zahlen.

Der Verein kann das so nicht weiter hinnehmen. Wir haben keine Einnahmen, nur Belastungen, Wir haben keinen Regelchorbetrieb.

Daher die Kündigung des Vertrages, die Sie bitte verstehen werden, da anderenfalls der Verein in seiner Existenz bedroht wäre und wir ggf. insolvent würden wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung..

Eine weitere Fortsetzung des Vertrages ist  in Abwägung der beidseitigen Interessen uns unzumutbar.

Sie haben folgende Zahlungen von uns erhalten, die wir hiermit  nunmehr zurückfordern:

April 2020                   €         

Mai 2020                     €         

Juni 2020                    €         

Juli 2020                     €         

August 2020               €         

September 2020         €         

Oktober 2020  €          €

November 2020          €         

Dezember 2020          €

Insgesamt                  €          

Wir müssen diese Beträge aus Rechtsgründen zurückfordern, weil wir uns sonst einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB schuldig machen würden, die wiederum zu einer persönlichen Haftung sämtlicher Vorstandsmitglieder führen könnte. Das wurde uns so in einer anwaltlichen Rechtsberatung bestätigt.

Hinzu kommt weiterhin, dass dieser Zustand ( Zahlung von Honorar bei Nichtstun) Grund sein könnte für ein Verfahren auf Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins. Auf die Gemeinnützigkeit sind wir aber dringend angewiesen.

Zur Überweisung des Betrages  in Höhe von €…………..  auf unser Konto-Nr….. bei der …..- bank,  IBAN ….  setzen wir ihnen hiermit eine

Frist zum ……..2021, 12.00 Uhr.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung ist § 812  Abs. 1 BGB.

Sollten Sie pünktliche Zahlung an uns innerhalb der ihnen gesetzten Frist nicht leisten, werden wir den Vorgang an unseren anwaltlichen Vertreter

Herrn

Rechtsanwalt

Malte Jörg Uffeln

Nordstraße 27

63584 Gründau

übergeben zum Forderungseinzug.

Wir weisen darauf hin, dass die dann entstehenden Rechtsanwaltskosten zu ihren Lasten gehen. Rechtsgrundlage ist § 286 BGB.

Danach kann ein Verzögerungsschaden geltend gemacht werden ab Verzugseintritt. Das Mandat ist Herrn Uffeln bereits erteilt.

Wir bedanken uns für ihre Tätigkeit.

Bleiben Sie gesund.

Mit freundlichen Grüßen

2. Weiterzahlung der Honorare mit Abänderung des Vertrages und 

" Nachdienen der bereits bezahlten Stunden"

Durch die COVID- 19- Pandemie und den AHA- Regeln sowie der Warnungen des RKI ( www.rki.de) und der Anwendung der RKI- Kriterien bei Veranstaltungen, Treffen etc. in Verbindung mit den jeweiligen Coronabekämpfungsverordnungen des  Bundes und der Länder ist " Singen im Chor" nach wie vor fast überall unmöglich.

Es liegt daher eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, die weder Chorleiter noch Chor/Verein zu verantworten haben.. Die Bestimmung des § 313 BGB gibt die Möglichkeit die Vertragsgrundlagen anzupassen.

§ 313 BGB hat folgenden Wortlaut:

§ 313 BGB
 Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. 2An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

§ 313 BGB kann  hier Anwendung finden, da  gerade atypische Störungen häufig nicht vorhersehbar sind. Zu diesen atypischen  Störungen zählen beispielweise Änderungen der Rechtslage oder der ständigen Rechtsprechung oder hoheitliche Eingriffe, Kriege, Revolutionen oder  Katastrophen.

Die COVID- 19- Pandemie fällt hier, was die vor ihr geschlossenen Dienstverträge nach § 611 BGB betrifft, hinein. Deren Risiken waren  bei dem Abschluss von Verträgen vor der COVID- 19- Pandemie weder vorhersehbar, noch existierte zum Zeitpunkt des maßgeblichen Vertragsabschlusses vor der COVID- 19- Pandemie eine zumutbare Möglichkeit der Risikovermeidung,

Daher könnte man hier  einen " Anpassungsbeschluss zum Vertrag " unter den Mitgliedern herbeiführen und diesen dem Chorleiter zur Abänderung des Vertrages vorlegen.

Dieser könnte wie folgt lauten:

MITGLIEDERBESCHLUSS

Unser Chorleiter ist bereit nach Ende der COVID- 19- Pandemie die ausgefallenen Chorproben, für die er zur Sicherung seiner freiberuflichen Existenz von uns sein Honorar als Überbrückungszahlung weiter bekommen hat, nachzuholen.

Stimmen Sie dieser Verfahrensweise zur Änderung des Chorleitervertrages zu ?

O Ja, ich stimme zu

O Nein, ich bin dagegen

O Ich enthalte mich

Sollte dann dieser Beschluss klar sein – der Beschluss kann im  Umlaufverfahren gefasst werden  - hat der  der Vorstand den Anpassungsbeschluss umzusetzen und den Chorleitervertrag mit dem Chorleiter durch eine Anpassungsvereinbarung auf der Grundlage des § 313 BGB anzupassen.

Die Anpassungsvereinbarung gem. § 313 BGB könnte folgenden Wortlaut haben:

Änderung des Vertrages vom.... ( Anpassungsvereinbarung gem. § 313 BGB )

Chorleiter und Verein sind sich einig, dass der Chorleitervertrag vom ..... weiter bestehen bleibt.

Auf Grund der COVID- 19.- Pandemie könnten keine Chorproben durchgeführt werden seit dem 1.3.2020.

Der Chorleiter hat zur Sicherung seiner Existenz das monatliche Honorar in Höhe von € .... weiter bekommen.

Insgesamt hat der Chorleiter bis heute Honorar für die Monate  März 2020 bis .... bekommen, folglich € ....

Der Verein wäre berechtigt das Honorar nach § 812 Abs. 1 BGB zurückzufordern.

Dies soll aber nicht passieren.

Chorleiter und Verein vereinbaren hiermit, dass der Chorleiter nach Ende der COVID- 19- Pandemie sukzessive in den Folgejahren die bereits bezahlten Chorproben mit dem Chor nachholt, entweder als Gesamtproben oder als Einzelstimmproben oder

im Rahmen von Work Shops und / oder Chorwochenenden oder im Rahmen von Stimmbildungsübungen.

...... den ..... - Unterschriften - 

3. Aufhebung des Chorleitervertrages durch Auflösungsvertrag mit Option auf Neuabschluss nach der COVID- 19- Pandemie

Denkbar ist weiterhin eine Aufhebung des Chorleitervertrages im Rahmen eines Auflösungsvertrages  mit der Option auf Neuabschluss eines Chorleitervertrages nach Ende der COVID- 19- Pandemie.

Eine solche Auflösungsvereinbarung könnte folgenden Wortlaut haben:

1. Der Chorleitervertrag vom .... wird in beiderseitigem Einvernehmen zum .... aufgehoben.

2. Wechselseitige Ansprüche, ob bekannt oder nicht, ob fällig oder nicht, bestehen nicht mehr . Keine  Vertragspartei hat von der anderen Vertragspartei noch etwas zu bekommen.

3. Nach Ende der COVID- 19- Pandemie und bei bestehender Möglichkeit Chorproben wieder durchzuführen, vereinbaren die Parteien bereits jetzt den Abschluss eines neuen Chorleitervertrages zu den Konditionen des bisherigen alten Vertrages.-

...... den ..... - Unterschriften - 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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