Coronavirus und Umgangsrecht – Achtung: Aktualisiert am 16.07.2020

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Erstellt am 19.03.2020

Es stellt sich aktuell die Frage, ob ein Umgangsausschluss aufgrund der Pandemie erfolgen kann. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in welchen keine unmittelbare räumliche Nähe zwischen dem Ort des regelmäßigen Aufenthaltes des Kindes und des umgangsberechtigten Elternteils besteht.

Hierbei ist zunächst rechtlich zu unterscheiden, ob das Kind nachweislich an dem Coronavirus erkrankt ist (1.) oder ob die grundsätzliche Gefahr einer Infizierung bereits für das Versagen des Kontaktes mit dem jeweils anderen Elternteil genügt (2.). Weiterhin ist zu klären, welche Regelungen gelten, wenn das Kind sich gewöhnlich in einem anderen Bundesland aufhält (3.).

Vorangestellt sei, dass diese Rechtsfragen noch nicht gerichtlich entschieden wurden und daher lediglich eine analoge Anwendung bereits vorliegender Entscheidungen mit ähnlichem Sachverhalt erfolgen kann.

1. Das Kind ist nachweislich an dem Coronavirus erkrankt.

Allein die Erkrankung des Kindes führt nicht notwendig zum Ausschluss des Umgangsrechtes. Die Rechtsprechung forderte hierzu in der Vergangenheit eine Transportunfähigkeit des Kindes.

„Eine Erkrankung T. s steht dem Umgang mit dem Vater nicht entgegen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Vater nicht in der Lage ist, sich im Krankheitsfall angemessen um T. zu kümmern. Nur in den Fällen, in denen das Kind derart schwer erkrankt, dass es stationär behandelt werden muss oder aber – ärztlich bestätigt – nicht transportfähig ist, muss ein Umgang mit dem Vater verlegt oder sachgerecht modifiziert werden. Eine solche Erkrankung hat die Mutter durch ärztliches Attest nachzuweisen. Dies ist ihr auch zumutbar.“

(Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 04. Juli 2002 – 15 UF 25/02 –, Rn. 6, juris)

Wenn seitens der Behörde eine Quarantäne angeordnet wurde und das Kind zum betroffenen Personenkreis gehört, so ist dieser selbst verständlich Folge zu leisten. Ein Transport des Kindes und damit ein Umgang ist hierdurch ausgeschlossen.

Die Durchführung des Umgangs wird generell zu versagen sein, wenn das Kind derart erkrankt ist, dass es aufgrund des aktuellen Gesundheitszustandes nicht in den jeweils anderen Haushalt wechseln kann. Hierüber ist der Umgangsverpflichtete zu informieren und es ist dem derzeit betreuenden Elternteil zuzumuten, dies mittels Attest nachzuweisen.

2. Sie haben Sorge vor einer Infizierung.

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob allein die Gefahr der Infizierung genügt, um den Umgang gänzlich zu untersagen. Hier verlangt die Rechtsprechung zu hinterfragen, inwiefern das Kindeswohl durch eine mögliche Krankheit gefährdet wird.

Ein Senat in Frankfurt hatte entschieden, dass ein Ausschluss des Umgangsrechtes aufgrund einer HIV-Infektion nicht erfolgen darf.

„Bei einer HIV-Infizierung der Mutter kommt eine Einschränkung des Personensorgerechts nicht in Betracht, umso weniger ein Ausschluss der Umgangsbefugnis. Nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse ist nämlich eine Ansteckung mit dem Aids-Virus bei normalen sozialen Kontakten zwischen Eltern und Kind nicht möglich (vergleiche OLG Stuttgart, 1988-02-25, 17 UF 17/88, NJW 1988, 2620 und OLG Hamm, 1989-03-08, 5 UF 41/89, NJW 1989, 2336).“

(OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Dezember 1990 – 20 W 370/90 –, juris)

Ob dies mit dem Coronavirus gleichzusetzen ist, erscheint mehr als fragwürdig. Hier ist die Abwägung einer möglichen Infizierung des Kindes mit dem Recht des Kindes und Elternteils auf Umgang vorzunehmen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es derzeit unklar ist, wie lange der Zustand der Pandemie in unserem Land anhalten wird. Manche Stimmen geben an, dass uns die Infizierungswellen noch ein bis zwei Jahre begleiten können.

Nach meiner persönlichen Einschätzung wäre es nicht richtig, dass Kinder über einen solch langen Zeitraum ohne Kontakt zu dem jeweils anderen Elternteil aufwachsen zu lassen. Insbesondere, da Minderjährige keine Risikogruppe darstellen.

Es ist andererseits zuzugestehen, dass unter dem Aspekt der Gefahr einer Verbreitung des pandemischen Virus durch das Kind selbst (mit oder ohne behördliche Verfügung) ein Umgangsausschluss für einige Wochen, zum Beispiel analog der derzeitigen Kita-/Schulschließungen bis zum Ende der Osterferien rechtmäßig sein könnte.

Wie dies im Einzelfall durch die Familiengerichte entschieden werden wird, lässt sich derzeit nicht absehen.

3. Sie müssen in ein anderes Bundesland reisen, um den Umgang wahrzunehmen.

Gleichlaufend mit den oben genannten Ausführungen ist die Frage zu beantworten, ob ein Abholen und Zurückbringen des Kindes in ein anderes Bundesland aufgrund der Reiseeinschränkungen und anderen die Mobilität der Eltern einschränkende behördlichen Verfügungen, versagt werden kann. Da hierfür die kreisfreien Städte und Landkreise zuständig sind, lässt sich eine einheitliche Antwort hierauf nicht finden.


Aktualisiert am 06.05.2020

In der Fachzeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) führt der Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, Herr Ulrich Rake, in seinem Artikel „Kindschaftsrechtliche Auswirkungen der Coronakriese“ (FamRZ 2020, S. 650ff.) aus, dass bei dem Begeben in freiwillige Quarantäne in aller Regel diese Selbstrestriktion als Akt besonderer Verantwortung zu respektieren sei. 

„Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen es zu einer sachlich nicht veranlassten freiwilligen Quarantäne aufseiten des Obhutselternteils unter Einbezierhung des Kindes kommt, um den Umgang zu vereiteln. Daher wird man für eine Entlastung nach § 89 Abs. 4 FamFG verlangen müssen, dass es hinreichende objektive Gründe für den häuslichen Rückszug gibt.“

Bezüglich der Entscheidung über Reisen mit dem Kind führt Herr Rake aus:

„Die Erheblichkeitsschwelle wird bei Reisen dann als erreicht eingesehen, wenn diese aufgrund des besonderen Reiseziels besondere Gefahren mit sich bringen. (...) Aktuell besteht als Reaktion auf die Coronakrise eine weltweise Reisewarnung des Auswertigen Amtes. Sie soll dem als hoch eingeschätzen Risiko Rechnung tragen, die Rückreise aufgrund zunehmender Einschränkungen im internationalen Reiseverkehr oder wegen Quarantänemaßnahmen nicht mehr antreten zu können. Diese Risikobewertung erscheint auch im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gemäß §§ 1687 Abs. 1, 1628 BGB tragfähig.“ 


Aktualisiert am 16.07.2020

Es wurden erste Entscheidungen bezüglich der Ausübung des Umgangsrechtes während der Corona-Krise veröffentlicht. Exemplarisch sei die Entscheidung des OLG Brauenschweig vom 20.05.2020 auszugsweise zitiert:

"Soweit die Kindesmutter nach der Mitteilung des Kindesvaters im Schriftsatz vom 13.05.2020 einen Umgang derzeit wegen der Corona-Epidemie verweigert, ist darauf hinzuweisen, dass die Pandemie keinen Anlass bietet, die Umgangsregelung abzuändern, weil ein Infektionsgeschehen von vornherein keinen Bezug zu den Voraussetzungen des Umgangsrechts gemäß § 1684 BGB hat (vgl. Rake, FamRZ 2020, 650).


Fraglich kann allenfalls sein, ob die Ausübung des Umgangs punktuell nicht möglich ist und der Umgang vorübergehend nicht mit den Ordnungsmitteln des § 89 FamFG durchgesetzt werden kann. Allein das Auftreten der Corona-Pandemie rechtfertigt es nicht, den Umgang auszusetzen, worauf auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf seiner Homepage hinweist (www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/Corona/SorgeUmgangsrecht ).


Insbesondere steht einem Umgang kein gesetzliches Verbot entgegen und ergibt sich ein solches auch nicht aus dem Umstand, dass Vater und Kind nicht in einem Haushalt wohnen. Nach den während der Corona-Pandemie ergangenen Verordnungen gilt zwar durchgängig das Gebot, Kontakte zu anderen Menschen, die nicht zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes gehören, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren (Art. 1 § 1 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 08.05.2020 (Nds. GVBl. Nr. 13/2020, S. 105). Zu dem absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte gehört aber gerade der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und seinem Kind.


Als Fälle, in denen der Kontakt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, kommt die behördliche Anordnung einer Quarantäne, eine Ausgangssperre oder die nachweisliche Infektion des umgangsberechtigten Elternteils oder eines Angehörigen seines Haushalts mit Covid 19 in Betracht (vgl. Rake, FamRZ 2020, 650). Die Erkrankung des Kindes steht einem Umgang grundsätzlich nicht entgegen, da auch der zum Umgang berechtigte Elternteil sein krankes Kind versorgen und pflegen kann (vgl. OLG Schleswig, FamRZ 2018, 1946). Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass eine Testung von dem umgangsberechtigten Elternteil auch nur dann gefordert werden kann, wenn hierfür die Voraussetzungen nach den von den Gesundheitsämtern vorgegebenen Richtlinien gegeben sind, etwa das Vorliegen Covid 19 - typischer Symptome oder der Kontakt mit erkrankten Personen."


(OLG Braunschweig, Beschluss vom 20. Mai 2020 – 1 UF 51/20 –, Rn. 18 - 21, juris)


Ziel sollte es daher zunächst sein, dass Sie zum Wohle des Kindes eine einvernehmliche Regelung treffen und sich mit dem anderen Elternteil abstimmen.

Kann kein Einvernehmen erzielt werden, wenden Sie sich gern an uns. Es besteht sodann die Möglichkeit, im Rahmen eines Eilverfahrens das Familiengericht mit der Angelegenheit zu betrauen.

Bleiben Sie gesund!

Ihre Franziska Engelmann

(Rechtsanwältin)

Foto(s): Rechtsanwälte Engelmann

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