Darf die Sparkasse den Prämiensparvertrag kündigen?

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In diesem Jahr erhielten Zehntausende Kunden, die viele Jahre einen Prämiensparvertrag bespart haben, von ihrer Sparkasse die Kündigung. Viele Kunden müssen sich darauf einstellen, dass ihr Prämiensparvertrag ebenfalls in Kürze gekündigt wird. Sie fragen sich natürlich, darf die Sparkasse das?

Prämiensparverträge seit den 1990er Jahren

Seit Mitte der 90er Jahre boten Sparkassen deutschlandweit ihren Kunden langjährige Sparverträge an mit unterschiedlicher Ausgestaltung. Ein Klassiker zu jener Zeit war der sogenannte Prämiensparvertrag. Der Kunde zahlte monatlich einen bestimmten Sparbeitrag ein, der jährlich verzinst werden sollte. Zusätzlich sahen die Verträge vor, dass nach 3 Jahren jährlich eine steigende Prämie in Höhe eines Prozentsatzes vom jährlichen Sparbeitrag gezahlt wird. Die Verträge enthielten dazu Prämienstaffeln, wonach die Prämie zum Beispiel nach

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  • nach 3 Jahren 3,00 %
  • nach 4 Jahren 4,00 %
  • nach 5 Jahren 6,00 %
  • nach 6 Jahren 8,00 %
  • nach 7 Jahren 10,00 %
  • nach 8 Jahren 15,00 %
  • nach 9 Jahren 20,00 %
  • nach 10 Jahren 25,00 %
  • nach 11 Jahren 30,00 %
  • nach 12 Jahren 35,00 %
  • nach 13 Jahren 40,00 %
  • nach 14 Jahren 45,00 %
  • nach 15 Jahren 50,00 %
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des Jahressparbeitrages betragen sollte. Zum Teil waren Prämienstaffeln von mehr als 20 Jahren aufgeführt. 

Die Verträge sind regelmäßig nicht befristet. Während in ihnen Regelungen für eine Kündigung durch den Sparer enthalten sind, fehlen entsprechende Regelungen für eine Kündigung durch das Kreditinstitut.

Attraktive Regelungen

Für die Sparkassen boten diese Geschäfte zunächst eine lukrative Gelegenheit, Einlagen mit langen Laufzeiten zu erhalten. Inzwischen haben sich die Prämiensparverträge wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase zunehmend zu einer Belastung für die Kreditinstitute entwickelt. 

Für Kunden, die inzwischen lange Jahre eingezahlt haben und eine hohe Prämienquote erreicht haben, sind die Verträge sehr attraktiv. Wer zum Beispiel seit 15 Jahren monatliche Einzahlungen getätigt hat und eine Prämie in Höhe von 50 % des Jahressparbetrages realisieren kann, erhält damit im Ergebnis eine jährliche Rendite von über 3,33 %. Derartige Erträge lassen sich mit Sparverträgen sonst nicht mehr erzielen.

Umso mehr ärgert es die Kunden, wenn die Sparkassen die Verträge nun einseitig beenden.

BGH gestattet Kündigung

Die Kündigungswellen in diesem Jahr kommen nicht von ungefähr. Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt den Kreditinstituten entsprechende Rückendeckung. Mit Urteil vom 14.05.2019 (XI ZR 345/18) hatte er die Kündigung der Kreissparkasse Stendal gestattet. Die Sparkasse könne sich auf ihre AGB stützen, wonach sie zur ordentlichen Kündigung beim Vorliegen eines sachgerechten Grundes berechtigt sei. Eine Kündigung sei zwar nach Auffassung des BGH solange ausgeschlossen, solange die höchste Stufe des Prämienplans noch nicht erreicht sei. Wenn diese erreicht sei, so sei eine Kündigung aber möglich. Der BGH wertete das geänderte Zinsumfeld auch als ausreichenden Grund für die Kündigung.

Mit dieser Entscheidung rettet der BGH – wie zuvor die Bausparkassen – nun auch die Sparkassen vor einer langjährigen vertraglichen Bindung an Zins- bzw. Prämienzusagen. In beiden Fällen hatten es die Kreditinstitute versäumt, ihre Verträge zu befristen oder Kündigungsregelungen zu vereinbaren.

Einige Sparkassen scheinen nur auf die Entscheidung des BGH gewartet zu haben. So hat die Stadtsparkasse München knapp 30.000 Sparern die Verträge zum Jahresende gekündigt, die Sparkasse Nürnberg hat ca. 20.000 Kündigungen auf den Weg gebracht. Zum Teil versuchen die Kreditinstitute die Kunden auch zu einer Auflösung des Sparvertrages zu bewegen oder sie bieten den Wechsel zu einem anderen Sparmodell an.

Was können betroffene Kunden tun?

Betroffene Kunden sollten die Kündigung ohne Prüfung nicht widerspruchslos hinnehmen. Auch wenn sich die Sparkasse bei ihrer Kündigung auf die BGH-Rechtsprechung stützt, so passt das Urteil nicht auf jeden Fall. Im Gegenteil, der BGH hat zu einem ganz konkreten Sparvertrag der Sparkasse Stendal entschieden. Bundesweit und auch innerhalb einer Sparkasse wurden regelmäßig zahlreiche unterschiedliche Versionen von Prämiensparverträgen angeboten. So gibt es Verträge, die auf Laufzeiten von 99 Jahren ausgerichtet waren. 

Es kann auch sinnvoll sein, die Jahreskontoauszüge und Mitteilungen der Sparkasse genauer zu prüfen. Die Stadtsparkasse München hat zum Beispiel ihren Kunden noch vor der Kündigung ausdrücklich bestätigt, dass es die Prämie auch im kommenden Sparjahr geben wird. Dazu steht eine nur wenige Wochen später ausgesprochene Kündigung im Widerspruch.

Es gibt auch Fälle, bei denen die Verträge auf einen neuen Sparer (zum Beispiel Erben) umgeschrieben wurden und konkrete Laufzeiten bestätigt wurden.

Je nach konkreter Ausgestaltung und Situation kann die Kündigung daher auch unzulässig oder nur bei längerer Kündigungsfrist möglich sein. Sparer können dann noch länger von den attraktiven Prämien profitieren.

Falsche Zinsberechnungen

Eine Überprüfung der Verträge kann sich auch lohnen, wenn die Sparkasse die Zinsen falsch berechnet hat. Denn dann können die Sparer noch Zinsnachforderungen von mehreren Tausend Euro haben.

Was viele Sparer nicht wissen, die Zinsregelungen in den Sparverträgen sind in vielen Fällen unwirksam. Die Sparkassen hatten nämlich für die Höhe des Jahreszinses auf die Zinsmitteilungen in ihren Aushängen verwiesen. Bereits vor Jahren hat der BGH derartige Klauseln für unzulässig erachtet (BGH, Urteil vom 21.12.2010 – XI ZR 361/01). Eine Klausel ist nur dann zulässig, wenn für den Sparer konkret bestimmbar ist, welcher Zinssatz gilt. Das setzt voraus, dass ein Referenzzinssatz angegeben wird, den das Kreditinstitut nicht selbst beeinflussen kann und den der Verbraucher selbst nachlesen kann. Des Weiteren muss auch konkret und für den Verbraucher nachvollziehbar angegeben werden, wie sich der Zins bei der Veränderung des Referenzzinssatzes verändert.

War die Zinsänderungsklausel danach unwirksam, kann das Kreditinstitut diese nicht einseitig durch eine vermeintlich wirksame Klausel ersetzen. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt vielmehr das, was beide Parteien billiger Weise ansonsten vereinbart hätten. Bei den Prämiensparverträgen hat sich der Zinssatz auch an der langen Laufzeit von mehr als 10 Jahren zu orientieren. Dem wurden viele Zinsberechnungen der Sparkassen zu den Prämiensparverträgen nicht gerecht.

Selbst wenn die Sparkasse daher den Vertrag kündigen kann, können erhebliche Nachzahlungsansprüche bestehen, die Sparer geltend machen sollen.

Rechtsanwältin Narloch prüft Ihren Prämiensparvertrag und unterstützt Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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