Das missliche Verteilungstestament

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Vielfach werden Testamente errichtet in der Art „Von meinen drei Kindern bekommt der X dies, die Y bekommt das und der Z bekommt jenes“.


Dies ist für diejenigen, die im Testament bedacht sind, schwierig: Denn im deutschen Erbrecht gibt es nur ausnahmsweise eine Einzelrechtsnachfolge (Rechtsnachfolge in einzelne Gegenstände). Im Grundsatz gilt die Gesamtrechtsnachfolge, das heißt, eine oder mehrere Personen beerben den Erblasser insgesamt. Die Folge: Es wird nach Quoten vererbt (etwa wie „Der X, die Y und der Z erben zu je einem Drittel“) und nicht nach Gegenständen. Es stellt sich bei den sogenannten Verteilungstestamenten also meist die Frage, wer eigentlich Erbe oder Miterbe, also (Gesamt-) Rechtsnachfolger, geworden ist und wer „nur“ Vermächtnisnehmer, also Gläubiger eines Anspruches gegen den Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses.


Die Frage stellt sich besonders dann, wenn die den unterschiedlichen Personen zugewendeten Gegenstände unterschiedlich wertvoll sind. Aus diesem Grund sind Verteilungstestamente besonders streitanfällig.


Die notwendige Testamentsauslegung


Wenn aus dem Verteilungstestament nicht eindeutig hervorgeht, wer Erbe sein soll und wer Vermächtnisnehmer, dann muss das Testament ausgelegt werden, und zwar nach dem mutmaßlichen Willen des Erblassers. Gefragt werden muss, was der Erblasser aus seiner eigenen Sicht mit seinen letztwilligen Verfügungen gewollt hat.

Erst wenn der Erblasserwille nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, greifen die gesetzlichen Regeln zur Auslegung von Testamenten.


Weil die Ermittlung des Erblasserwillens bei Verteilungstestamenten so schwierig ist, gibt es über deren jeweilige Auslegung eine Vielzahl von Gerichtsurteilen.


Bei dem eingangs erwähnten Beispiel wären folgende Auslegungsmöglichkeiten denkbar:


  1. Der Erblasser wollte die gesetzliche Erbfolge eintreten lassen, also jedes Kind erbt zu einem Drittel.  Bei den den Bedachten jeweils zugewendeten Gegenstände handelt es sich um einfache Vermächtnisse (unter Anrechnung auf den jeweiligen Erbteil).
  2. Alle drei Bedachten sind Erbe geworden, aber die jeweilige Erbquote bestimmt sich aus dem Wert des zugewendeten Gegenstandes im Verhältnis zum Nachlasswert insgesamt.
  3. Wie oben 1.: Die Bedachten sind Erbe zu je 1/3 Erbe. Ein etwaiger Mehrwert des einen gegenüber den anderen Gegenständen ist dem Bedachten als Vorausvermächtnis zugewendet worden, also ohne Anrechnung auf den jeweiligen Erbteil.
  4. Diejenige Person, die den weitaus wertvollsten Gegenstand, den wesentlichen Nachlassteil, zugewendet bekommen hat, ist alleiniger Erbe und die beiden anderen Personen sind Vermächtnisnehmer.


Wann ein Nachlassteil so wesentlich ist, dass eine (alleinige) Erbenstellung angenommen werden kann


Wenn eine im Testament bedachte Person auch nur einen einzigen Nachlassgegenstand zugewendet erhält, kann eine alleinige Erbeinsetzung vorgenommen worden sein. Vorausgesetzt ist, dass der Erblasser gewollt hat, dass die bedachte Person das Hauptvermögen erhält. Weiterhin vorausgesetzt ist, dass der zugewendete Gegenstand das wesentliche Hauptvermögen darstellt (z.B. ein werthaltiges Hausgrundstück, wenn der übrige Nachlass aus verhältnismäßig wertlosen Gegenständen besteht).


Das gleiche gilt, wenn der Wert des restlichen Vermögens von dem Wert des zugewendeten Gegenstandes so weit übertroffen wird, dass der Erblasser diesen Gegenstand als wesentlichen Nachlassteil angesehen hat (z.B. ein werthaltiges Hausgrundstück, wenn sich daneben nur noch verhältnismäßig weniger wertvolles Geldvermögen im Nachlass befindet).


Wann die Zuwendung eines wesentlichen Nachlassgegenstandes bzw. eines Hauptvermögens anzunehmen ist, darüber gibt es ebenfalls eine Vielzahl von Urteilen.


Nach dem OLG Frankfurt a.M. kann von einer Verfügung über das wesentliche Nachlassvermögen und damit von einer alleinigen Erbeinsetzung nicht mehr ausgegangen werden, wenn das zugewendete Vermögen weniger als 80 % des gesamten Nachlassvermögens beträgt (Beschluss v. 01.07.2021, Az. 20 W 75/19, NJW-RR 2022, 439). Nach dem OLG Brandenburg kann von einer Alleinerbenstellung nicht ausgegangen werden, wenn der zugewendete Nachlassgegenstand 70 % oder weniger des gesamten Nachlasswertes bildet (Beschluss v. 16.01.2023, Az. 3 W 113/22, BeckRS 2023, 1608, NJW-Spezial 2023, 199).


Was gilt, wenn keiner der verteilten Nachlassgegenstände gegenüber den anderen einen übermäßig hohen Wert hat


Einen solchen Fall hatte kürzlich das OLG Saarbrücken zu entscheiden:


Eine Erblasserin hatte bestimmt, dass ihr Sohn ein Haus bekommen sollte, ein weiteres Haus sollte an die beiden Töchter gehen und das Bargeld sollte unter den drei Kindern aufgeteilt werden.

Eine der Töchter beantragte daraufhin einen Erbschein des Inhaltes, dass alle drei Kinder entsprechend der gesetzlichen Erbfolge erben sollten, also jeder zu einem Drittel.

Der Sohn hingegen beantragte einen Erbschein, der ihn als Erben zu ein Halb auswies.


Das OLG Saarbrücken folgte dem Antrag der Tochter mit folgender Begründung:


Trotz Zuwendung nur einzelner Nachlassgegenstände könne eine Erbeinsetzung vorliegen, wenn die Erblasserin ihr gesamtes Vermögen verteilt wissen wolle oder ihr Hauptvermögen nur einem Bedachten zuordnete. Erfolge die Zuwendung der Gegenstände an die gesetzlichen Erben, könne darin auch die Fortgeltung der gesetzlichen Erbfolge liegen in Verbindung mit einzelnen Teilungsanordnungen. In dem entschiedenen Fall schloss das OLG Saarbrücken, dass die Erblasserin die Geltung der gesetzlichen Erbfolge gewollt und nur Vorgaben zur Nachlassverteilung (Teilungsanordnungen) getroffen habe (Beschluss v. 09.05.2023, Az. 5 W 28/23, BeckRS 2023, 13156, NJW-Spezial 2023, 424).


Fazit:

Die Auslegung eines Verteilungstestaments ist immer abhängig vom Einzelfall.


Tipp Für die Testamentserrichtung:

Das beste Testament ist ein klares Testament, das keine Fragen aufwirft!

Wer ein Testament errichten und mehrere Personen bedenken möchte, sollte zunächst festlegen, wer alleiniger oder Miterbe zu welcher Quote sein soll.

Im nächsten Schritt kann dann eine Zuordnung einzelner Nachlassgegenstände vorgenommen werden.

Im dritten Schritt sollte festgelegt werden, ob es sich

  • um Teilungsanordnungen handelt mit der Folge, dass eine Zuwendung, sofern sie die festgelegte Erbquote wertmäßig unterschreitet, von den übrigen Zuwendungsempfängern ausgeglichen werden soll,
  • oder um jeweilige Vorausvermächtnisse, deren Zuwendung ohne Anrechnung auf den jeweiligen Erbteil erfolgt.

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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