Der Anscheinsbeweis bei Verkehrsunfällen

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Insbesondere bei Auffahrunfällen wird gerne der sogenannte Anscheinsbeweis bemüht, wonach derjenige, der auffährt, den Unfall verursacht hat, weil er einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten hat oder zu schnell gefahren ist oder einfach falsch reagiert hat. Heißt das, dass derjenige, der auffährt, immer der alleinige Unfallverursacher ist? Nein.

Richtig ist, dass Gerichte Anscheinsbeweise bei der Würdigung der Beweislage verwenden. Ein Anscheinsbeweis ist eine Methode der Beweiswürdigung. Für die Anwendung eines Anscheinsbeweises muss ein typischer Geschehensablauf vorliegen. Im Verkehrsrecht kommt ein Anscheinsbeweis unter anderem bei folgenden Unfallkonstellationen in Betracht:

  • Auffahrunfall
  • Vorfahrtsverstoß
  • Überholen
  • Fahrstreifenwechsel
  • Wenden

Der typische Geschehensablauf bei diesen Unfallkonstellationen ist bekannt. Steht fest, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, führt dies regelmäßig zur Anwendung des einschlägigen Anscheinsbeweises. Ob ein typischer Geschehensablauf vorliegt, darf jedoch nicht einfach angenommen werden, sondern muss im Einzelnen dargelegt werden. Der Anscheinsbeweis greift also erst dann, wenn für das Gericht feststeht, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt. So gibt es beispielsweise bei Auffahrunfällen Konstellationen, die vor Gericht nicht als typischer Auffahrunfall angesehen wurden und bei denen der Anscheinsbeweis daher nicht angewandt wurde:

  • Vorausgehender Spurwechsel des Unfallgegners (Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2011 - VI ZR 177/10)
  • Behauptetes Rückwärtsfahren des Vorderfahrzeugs (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.04.2010 - 6 U 205/09)
  • Grundloses Abbremsen des Vorderfahrzeugs (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 02.03.2006 - 3 U 220/05)

Es lohnt sich also, auch bei vermeintlich eindeutigen Unfallkonstellationen genauer zu prüfen, ob im konkreten Fall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der eine Beweiswürdigung mit Hilfe eines Anscheinsbeweises zulässt.


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