Der Gesamtschuldnerausgleich in der Fußbodentechnik!

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Eine böse Überraschung für den Bodenleger!

Es gibt rechtliche Situationen in der Baupraxis, die zu einer bösen Überraschung führen können, insbesondere wenn man der Auffassung ist, dass der Mängelanspruch seines Vertragspartners verjährt ist, jedoch dann feststellen muss, dass ein Nicht-Vertragspartner den Bodenleger wegen Mängeln noch in Anspruch nehmen kann.

Dieses Ergebnis mag überraschend sein, ist jedoch in der Vorschrift des § 426 BGB verankert. Diese Vorschrift gilt unabhängig davon, ob ein VOB-Werkvertrag oder BGB-Werkvertrag dem Vertragsverhältnis zugrunde liegt.

Sachverhalt

Ausgangsituation für den Gesamtschuldnerausgleich ist der nachfolgende 3-Personen-Sachverhalt. Dieser Sachverhalt ist nicht nur fiktiv, sondern gängige Mandantenpraxis. Ein öffentlicher Auftraggeber stellt Mängel an Parkettflächen fest, die vor sieben Jahren verlegt wurden und die nach dem privaten Sachverständigengutachten erheblich mangelhaft sein sollen. Aufgrund des Ablaufs des Gewährleistungszeitraums scheidet eine Mängelhaftung des Bodenlegers wegen Verjährung der Gewährleistungsansprüche nach fünf Jahren aus. Der öffentliche Auftraggeber geht daraufhin gegen seinen damals beauftragten Architekten vor. Diese Gewährleistungsansprüche gegen den Architekten sind aufgrund der vertraglichen Situation zwischen öffentlichen Bauherrn und Architekten noch nicht verjährt. Der öffentliche Auftraggeber macht gegen den Architekten eine Schadenssumme von weit über 100.000,00 € geltend. Die Haftpflichtversicherung des Architekten zahlt diese Summe und geht nunmehr gegen den Bodenleger vor und verlangt den vollen Schadensausgleich. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist, ob der Architekt einen rechtlichen Anspruch gegen den Bodenleger hat.

Keine Vertragsverhältnis

Zunächst muss man sich vergegenwärtigen, dass es zwischen dem Architekten und dem Bodenleger kein Vertragsverhältnis gibt. Der Bodenleger steht nur in einem vertraglichen Verhältnis zu dem öffentlichen Auftraggeber. Deshalb macht ein Nicht-Vertragspartner in der Person des Architekten gegen den Bodenleger Ansprüche geltend. Die Antwort soll vorab erfolgen, um den Leser nicht unnötig weiter zu quälen. Das überraschende Ergebnis lautet, dass der Architekt den Bodenleger in Anspruch nehmen kann. Dies rührt daher, dass Architekt und Bodenleger dem Bauherrn gegenüber als Gesamtschuldner haften. Der Bauherr allein steht in einem vertraglichen Verhältnis zum Architekten sowie in einem vertraglichen Rechtsverhältnis zum Bodenleger. Diese Rechtsverhältnisse sind voneinander unabhängig, jedoch existiert zwischen dem Bodenleger und dem Architekten, die nicht miteinander vertraglich verbunden sind, ein gesetzliches Rechtsverhältnis, da sie gegenüber dem Bauherrn gesamtschuldnerisch haften. Dieses Rechtsverhältnis beruht nicht auf Vertrag, sondern ergibt sich aus dem Gesetz. Nach der ständigen Rechtsprechung wird ein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Werkunternehmer und dem bauleitenden Architekten angenommen, wenn der Werkunternehmer seine Herstellungspflichten verletzt und der Architekt seine Aufsichtspflichten und diese Pflichtverletzungen zu einem Mangel des Bauwerks führen.

Gesamtschuldverhältnis

Nur kurz sei darauf hingewiesen, dass ein solches Gesamtschuldverhältnis von der Rechtsprechung auch zwischen einem vorleistenden Unternehmer (Estrichleger) und einem nachfolgenden Unternehmen (Bodenleger) angenommen wird, da sich die Unternehmer vertraglich gesamtschuldnerisch zu derselben Leistung verpflichtet haben. Das wird deutlich an dem Fall, dass Bodenbelag auf einem erkennbar fehlerhaft aufgebrachten Estrich verlegt wurde. Der Estrichleger schuldet als Nacherfüllung die Aufnahme des Bodens und des Estrichs sowie die komplette Neuverlegung von Estrich und Boden. Der Bodenleger schuldet ebenfalls die Aufnahme des Bodens und deren Neuverlegung. Hinsichtlich der Aufnahme und Neuverlegung des Bodens sind beide Gesamtschuldner. Ist die Aufnahme des Bodens nicht ohne Zerstörung des Estrichs möglich, so sind sie für beide Leistungen (Estrich und Boden) Gesamtschuldner.

Rechtsfolge

Mithin hat ein Gesamtschuldner einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 1 BGB.

Daraus folgt für unseren Fall, dass der von dem öffentlichen Bauherrn in Anspruch genommene Architekt einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Bodenleger nach § 426 Abs. 1 BGB geltend machen kann. Daran ändert auch nichts die Verjährung der Gewährleistungsansprüche des öffentlichen Auftraggebers gegenüber dem Bodenleger. Daraus ergibt sich nur, dass eine Haftung des Bodenlegers gegenüber dem öffentlichen Bauherrn nicht besteht. 

Jedoch hat dies rechtlich nicht zur Folge, dass in dem gesetzlich entstandenen Schuldverhältnis zwischen Bodenleger und Architekt, der Bodenleger sich auf Verjährung berufen könnte. Durch die Verjährung der Mängelansprüche des öffentlichen Auftraggebers wird das Innenverhältnis zwischen den beiden Gesamtschuldnern nicht berührt

Keine Einrede der Verjährung

Das bedeutet, dass ein Gesamtschuldner dem anderen Gesamtschuldner nicht die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann, wie der Gesamtschuldner dies im Außenverhältnis gegenüber seinem Vertragspartner kann. Dies bedeutet für den hier vorliegenden Fall, dass der Bodenleger dem Architekten gegenüber nicht die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann, die er gegenüber seinem Vertragspartner, dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber geltend gemacht hat. 

Hintergrund der Ausgleichsvorschriften nach § 426 BGB ist, dass verhindert werden soll, dass allein durch Gläubigerwillkür bestimmt wird, welcher Gesamtschuldner das zur Befriedigung erforderliche Opfer aufzubringen hat. Deshalb sollen im Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern Privilegierungen eines Gesamtschuldners rechtlich keine Rolle spielen.

Verjährung des Ausgleichsanspruchs

Dieser Ausgleichsanspruch des einen Gesamtschuldners gegenüber dem anderen Gesamtschuldner verjährt nach § 426 Abs. 1 BGB innerhalb drei Jahren ab Kenntnis des Anspruchgrundes. In dem Zusammenhang muss man sich vergegenwärtigen, dass eine Inanspruchnahme des Bodenlegers durch den Architekten über dreizehn Jahren möglich ist. Auch dieses Ergebnis überrascht. 

Wie kommt es dazu?

Bei Vereinbarung zwischen Bauherrn und Architekt über einen Voll-Architekturvertrag einschließlich der Leistungsphase 9 (Objektbetreuung und Dokumentation) haftet der Architekt dem Bauherrn gegenüber 10 Jahre bzw. 9 Jahre. Denn seine Haftung und damit seine Gewährleistung beginnt erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist des Unternehmers, also nach fünf Jahren bei BGB-Vertrag und 4 Jahren beim VOB-Vertrag.

Erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist des Unternehmers beginnt seine eigene Verjährung über fünf Jahre zu laufen, sodass Architekten, die mit dem Bauherrn die Leistungsphase 9 vereinbart haben, dem Bauherrn gegenüber10 bzw. 9 Jahre haften. Wenn Mängel erst im zehnten bzw. im neunten Jahr auftreten, so kann der Bauherr den Architekten auf Bauüberwachungsfehler als seinen Vertragspartner immer noch in Anspruch nehmen. Bei Vorliegen von Ausführungsfehlern ergibt sich, dass der Architekt nach § 426 Abs. 1 BGB den Werkunternehmer für Ausführungsfehlern, die dem Architekten erst im zehnten bzw. neunten Jahr zur Kenntnis gebracht wurden, immerhin noch drei Jahre in Anspruch nehmen kann, da der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB drei Jahre ab Kenntnis des Anspruchsgrundes verjährt. Dies ist ein sehr langer Zeitraum. Es ist deshalb dem Bodenleger anzuraten, Dokumente für das Bauvorhaben nicht nach der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist sofort zu vernichten, sondern diese länger aufzubewahren, um bei einer eventuellen Inanspruchnahme anhand seiner Unterlagen eine Verteidigung aufbauen zu können. Architekten versuchen daher in der Praxis zu vermeiden, dass die Leistungsphase 9 mitvereinbart wird, um einer solchen langen Haftung gegenüber dem Bauherrn zu entgehen.

Ausgleich im Innenverhältnis

Letztlich ist noch zu beantworten, in welchem Maße der bauleitende Architekt und Bodenleger im Innenverhältnis zueinander haften. Für die Mängelfälle besteht Einigkeit, dass sich die Quote nach dem Maß der Verursachung durch die Gesamtschuldner richtet. Es ist nach § 254 BGB zu berücksichtigen, inwieweit der Mangel und Schaden vorwiegend von dem einen oder von dem anderen Gesamtschuldner verursacht worden ist. 

Maßgebendes Kriterium: Wer hat Ursache gesetzt?

Hierbei kommt es auf die einzelnen Verursachungsbeiträge an. Es hat sich die Grundregel herauskristallisiert, dass derjenige, der die eigentliche Ursache für den Mangel gesetzt hat, in einem stärkeren Maße haften soll als derjenige, dessen Beitrag weniger direkten Einfluss hat. Für unseren Beispielsfall heißt das, dass derjenige im geringeren Maße haften soll, der lediglich seine Aufsichtspflicht verletzt hat, gegenüber demjenigen, der den Bodenbelag verlegt hat. Dies bedeutet, dass der Bodenleger mit einem hohen Haftungsanteil im Innenverhältnis gegenüber dem bauleitenden Architekten rechnen muss, da die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung von dem eigentlichen Verursachungsbeitrag des Bodenlegers ausgeht, da er den mangelhaften Bodenbelag hergestellt hat und ihn die Erfolgshaftung trifft.

Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Gesamtschuldnerausgleich für den Ausgleichsberechtigten von großer Bedeutung ist, wenn ihm nur eine anteilige Verursachung zur Last fällt und er von einem anderen Gesamtschuldner Ausgleich verlangen kann.

Grundsätzlich kann man schlussfolgern, dass der Gesamtschuldnerausgleich für den Bodenleger eine nicht unbedeutende Gefahr darstellt, trotz Verjährung gegenüber seinem Vertragspartner auch im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs von einem Nicht-Vertragspartner in Anspruch genommen werden zu können.


Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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