Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren - Geht das überhaupt?

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Der Vermögensarrest nach § 111e StPO dient im Strafverfahren dazu, dem Betroffenen vorläufig den Zugriff auf Vermögenswerte zu entziehen. Hierdurch soll einerseits potenziellen Tätern der Anreiz für Straftaten genommen werden, andererseits sollen die Verletzten einer Straftat mit den gesicherten Gegenständen entschädigt und der ihnen durch die Straftat entstandene Schaden ersetzt werden. Eine Steuerstraftat, um die es hier im weiteren Verlauf gehen soll, schädigt die Allgemeinheit, indem sie zu einem (nur) verminderten Steueraufkommen führt. Ein Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren kommt dem Staat folglich doppelt zugute: Einerseits wird dem Betroffenen das entzogen, was er durch die Steuerstraftat erlangt hat, zugleich wird der Verletzte, das heißt also ebenfalls der Staat, durch den Vermögensarrest bei seiner Schadenskompensation unterstützt. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich der Vermögensarrest in Steuerstrafverfahren einer immer größeren Beliebtheit aufseiten der Strafverfolgungsbehörden erfreut. In diesem Rechtstipp wollen wir Ihnen einige Grundlagen zur vorläufigen Vermögenssicherung im Steuerstrafverfahren erläutern und Ihnen Hinweise mit auf den Weg geben, worauf Sie achten sollten, wenn Sie mit Vermögensabschöpfungsmaßnahmen in einem Steuerstrafverfahren konfrontiert werden.

1. Vermögensarrest nach § 111e StPO oder dinglicher Arrest nach § 324 AO?

Zunächst einmal ist festzustellen, auf welcher Rechtsgrundlage die Sicherung beruht. In Betracht kommen ein Vermögensarrest nach § 111e StPO und ein dinglicher Arrest nach § 324 AO.

Der Vermögensarrest ist auch für das Steuerstrafverfahren in § 111e StPO geregelt. Danach kann, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Steuerstraftat begangen wurde, die Summe, die vermeintlich zu Unrecht nicht an den Staat gezahlt wurde, durch Vermögensarrest gesichert werden. Die Sicherung ist nicht auf einen bestimmten Gegenstand begrenzt, sondern kann in jeden dem Betroffenen gehörenden Vermögenswert ausgebracht werden. Regelmäßig werden Vermögensarreste in Kontoforderungen vollstreckt, sodass der Betroffene nicht mehr frei über seine Konten verfügen kann. Völlig unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob das Guthaben auf dem Konto rechtmäßig erworben wurde. Auch unstrittig legal erworbene Werte können im Wege des Vermögensarrestes gepfändet werden. Kann der Betroffene nicht mehr über sein Konto verfügen, Hauskredite und andere laufende Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen, stellt das einen erheblichen Eingriff in seine Grundrechte dar. Für den Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren gelten im Kern dieselben Ausführungen, die wir Ihnen bereits in unseren Rechtstipps zu den Grundlagen des Vermögensarrestes und zum Vorgehen gegen einen Vermögensarrest dargelegt haben.

Neben dem Vermögensarrest gibt es im Steuerstrafverfahren aber auch die Möglichkeit, auf Grundlage des § 324 AO gegen den Steuerschuldner vorzugehen. Anders als beim Vermögensarrest nach § 111e StPO kann ein dinglicher Arrest nach der Abgabenordnung nicht von der Staatsanwaltschaft beantragt und vom Strafgericht erlassen werden. Hierfür sind ausschließlich die Finanzbehörden zuständig. Das führt zu einer Konkurrenzsituation zwischen strafprozessualem und steuerrechtlichem Arrest. Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber versucht, dieses Konkurrenzverhältnis aufzulösen. Gelungen ist ihm das nur bedingt (vgl. dazu Johann, Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts, erscheint im ersten Quartal 2019), sodass auch die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ergangene Rechtsprechung uneinheitlich ist (vgl. beispielshalber Johann in Praxis des Steuerstrafrechts (PStR) 2019 S. 38 ff.).

Praxistipp:

Ergeht im Steuerstrafverfahren ein Vermögensarrest, so muss die Verteidigung prüfen, ob nicht ein Vorgehen nach § 324 AO das richtige Sicherungsmittel gewesen wäre. Hierfür lassen sich einerseits systematische Argumente aus der Zusammenschau der §§ 111e Abs. 6 und 111h StPO, andererseits aber auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz finden (vgl. dazu ausführlich Johann, Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts, erscheint im ersten Quartal 2019).

2. Wie kann man gegen einen Arrest im Steuerstrafverfahren vorgehen?

Wie man sich gegen eine Vermögenssicherstellung wehren kann, richtet sich danach, welche Rechtsgrundlage gewählt wurde. Das Vorgehen gegen einen Vermögensarrest nach § 111e StPO haben wir Ihnen bereits erläutert (siehe dazu die Rechtstipps Grundlagen des Vermögensarrestes und Vorgehen gegen einen Vermögensarrest). Im weiteren Verlauf soll deshalb auf die Möglichkeiten eines Vorgehens gegen einen dinglichen Arrest nach § 324 AO eingegangen werden:

Dazu ist zunächst wichtig zu wissen, dass der dingliche Arrest im Sinne des § 324 AO den Finanzbehörden die Möglichkeit gibt, eine Steuerforderung schon dann zu sichern, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis entsprechend der vorliegenden Leistungspflicht im Sinne des § 38 AO entstanden ist, er muss noch nicht einmal fällig sein. Anders als der Vermögensarrest nach § 111e Abs.  1 StPO wird er außerdem nicht vom Gericht, sondern von den Finanzbehörden selbst erlassen. Der Gläubiger stellt sich damit seinen eigenen Vollstreckungstitel aus. Dafür unterliegt der Vollzug des Arrestes, anders als der Vermögensarrest nach § 111e StPO, festen Fristen. Auch das ist – neben der Gefahr der verschuldensunabhängigen Haftung – ein Grund, warum der dingliche Arrest in der steuerrechtlichen Praxis deutlich unbeliebter ist, als der Vermögensarrest.

Gegen den dinglichen Arrest nach § 324 AO eröffnet § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO dem Betroffenen den Weg zu den Finanzgerichten. Es gibt außerdem die Möglichkeit, einen Antrag auf einstweilige Anordnung oder auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Die multiplen Möglichkeiten des Steuerschuldners beruhen vor allem auf der Selbstanordnungskompetenz der Finanzbehörden, die dazu führt, dass eine gerichtliche Kontrolle erstmals nach dem Vollzug der Maßnahme durch einen Antrag des Betroffenen stattfindet.

Welche der vorgestellten Maßnahmen die für den Betroffenen vielversprechendste ist, hängt auch hier vom jeweiligen Einzelfall ab und kann nicht pauschal beantwortet werden. Ein qualifizierter Berater wird hier aber die Vor- und Nachteile des jeweiligen Vorgehens nachvollziehbar darlegen können, sodass dann gemeinsam mit dem Mandanten über das weitere Vorgehen entschieden werden kann.

3. Eine Sicherung ist sowohl durch Vermögensarrest als auch durch dinglichen Arrest möglich.

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung nicht nur festgestellt, dass ein Vorgehen nach § 324 AO einen strafrechtlichen Vermögensarrest nicht per se ausschließt, er hat in § 111h Abs. 2 Satz 2 StPO sogar festgelegt, dass der Steuerfiskus einen Arrest nach § 324 AO in die vorläufig strafrechtlich gesicherten Vermögenswerte des Betroffenen vollstrecken darf. Daraus folgt zwangsläufig, dass die Strafverfolgungs- und die Finanzbehörden auch parallel nach § 111e StPO und § 324 AO vorgehen dürfen.

Für den Betroffenen bedeutet das mitunter eine Doppelbelastung, weil er sich nicht nur gegen den Vermögensarrest, sondern auch gegen den steuerrechtlichen Arrest wehren muss. Wie dargelegt (vgl. dazu Nr. 2), sind die Rechtsbehelfe jedoch bei unterschiedlichen Gerichten einzulegen und haben sie zudem unterschiedliche Voraussetzungen, was ein Vorgehen für den Betroffenen noch verkompliziert. Hat er den Vermögensarrest erfolgreich angegriffen, hat das keine unmittelbaren Auswirkungen auf den steuerlichen Arrest; umgekehrt gilt dasselbe.

4. Was kann ich als Betroffener konkret tun?

Grundsätzlich muss man als Betroffener wissen, dass das deutsche Steuerrecht hoch kompliziert ist. Es unterscheidet unzählige Steuerarten, Verfahrensabschnitte und interne Zuständigkeiten. Gleiches gilt für das strafprozessuale Vermögensabschöpfungsrecht, über dessen Komplexität und Zugänglichkeit selbst für Juristen der Deutsche Richterbund in seiner Stellungnahme 19/16 bereits auf der ersten Seite Zweifel äußerte. Kommen diese beiden Rechtsgebiete zusammen, werden die Rechtsfragen äußerst komplex.

Der Betroffene sollte deshalb zunächst gar keine Angaben zum Sachverhalt machen. Er muss der Versuchung widerstehen, durch vermeintlich eingängige Erklärungen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu erläutern, warum tatsächlich keine Straftat vorliegt. Selbst noch so einleuchtende Erklärungen werden von den Strafverfolgungsbehörden mitunter geflissentlich ignoriert oder als sog. „Schutzbehauptungen“ abgetan. Im schlimmsten Fall macht der Betroffene dabei noch Angaben, die die Vermögensabschöpfungsmaßnahme erst nachträglich rechtfertigen. Auch im Steuerstrafverfahren gilt, dass nicht der Betroffene beweisen muss, dass keine Straftat vorliegt. Es sind vielmehr die Strafverfolgungsbehörden, die den Nachweis einer Straftat zur Überzeugung des Gerichts zu führen haben. Diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sollte man nicht dadurch aushebeln, dass man im Eifer des Gefechts Angaben zum Sachverhalt macht und den Behörden damit vielleicht sogar Anhaltspunkte liefert, die sie vorher nicht hatten.

Die Vermögensabschöpfungsmaßnahmen gehen regelmäßig mit weiteren prozessualen Aktivitäten, etwa in Form von Durchsuchungen oder der Telekommunikationsüberwachung, einher. Letzteres führt dazu, dass man auch am Telefon keine (weiteren) Angaben zu dem Sachverhalt machen sollte.

Der Betroffene hat jederzeit die (rechtliche) Möglichkeit, den im Arrest genannten Betrag bei der Hinterlegungsstelle des zuständigen Amtsgerichts zu hinterlegen. In der Praxis ist dies meist mit der tatsächlichen Schwierigkeit verbunden, dass der Betroffene schlicht nicht genügend finanzielle Mittel hat, um die Sicherheitsleistung zu erbringen. Denkbar sind zwar auch Bankbürgschaften, praktisch wird aber auch dies eher selten realisierbar sein.

Fazit:

Der Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren zählt zu den einschneidendsten Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden. Hierdurch können Konten gepfändet und Vermögenswerte sichergestellt werden. Das Repertoire der Behörden ist im Steuerstrafverfahren aber nicht auf ein solches Vorgehen beschränkt. Die Finanzbehörden können vielmehr grundsätzlich unabhängig vom Vermögensarrest nach § 111e StPO auch einen dinglichen Arrest nach § 324 AO erlassen und diesen in die vorläufig gesicherten Vermögenswerte (doppelt) vollstrecken. Das belastet den Betroffenen mitunter schwer und stellt einen nicht unerheblichen Eingriff in seine Grundrechte dar.

Aufgrund der Vielzahl der denkbaren Sachverhaltskonstellationen sollte sich der Betroffene jeder Aussage enthalten und erst nach Kenntnis des Inhalts der Ermittlungsakten Stellung beziehen.


Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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