Der Versicherungsvertrag, Obliegenheitsverletzungen und vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen

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Durch den Abschluss einer Versicherung mit einem Versicherungsvertrag wird das Ziel verfolgt, sich gegen bestimmte Gefahren abzusichern, sei es ein Unfall, die Berufsunfähigkeit oder Krankheit.

Der Abschluss einer Versicherung bedeutet jedoch nicht, dass die Versicherung im Leistungsfall nicht versuchen wird, sich von diesem Vertrag wieder zu lösen.


Risikoprüfung und Leistungen der Versicherung

Die eigentliche Risikoprüfung bei Abschluss eines Versicherungsvertrages wird oftmals nach hinten verlagert und erfolgt im Ergebnis erst dann, wenn Leistungen von der Versicherung tatsächlich verlangt werden. Doch was heißt das für Sie konkret?

Bei Abschluss einer Unfallversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung oder auch Krankenversicherung muss eine Vielzahl an Gesundheitsfragen beantwortet werden. Dabei wird nach Behandlungen, Erkrankungen oder stationären Aufenthalten in den letzten Jahren gefragt.

Auf Grundlage der Beantwortung dieser Gesundheitsfragen kommt anschließend der Versicherungsvertrag zustande. Eine konkrete Prüfung der beantworteten Fragen hinsichtlich ihrer Plausibilität erfolgt oftmals erst im konkreten Leistungsfall.

Gerade im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Leistungsfall, also der Eintritt der Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers, der „worst-case“ für den Versicherer.

Es drohen jahrelange Zahlungen der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente vom Versicherer an den Versicherungsnehmer. Die Versicherer prüfen daher sehr genau, ob nicht die Möglichkeit besteht, sich im Nachhinein von dem Versicherungsvertrag zu lösen.

Der von den Versicherern hier oft bemühte Vorwurf lautet in diesem Fall: Obliegenheitsverletzung und/oder vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung.


Kein eigenes Kündigungsrecht der Berufsunfähigkeitsversicherung

Hintergrund des oft erhobenen Vorwurfs der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ist der Umstand, dass dies die einzige Möglichkeit für den Versicherer darstellt, sich im Nachhinein vom Vertrag zu lösen.

Anders als dem Versicherungsnehmer steht dem Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung kein ordentliches Kündigungsrecht zu.


Anfechtung und Rücktritt

Für eine wirksame Anfechtung oder ein Rücktrittsrecht des Versicherers im Falle einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung muss der Versicherer dem Versicherungsnehmer beweisen, dass dieser vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.

Im Falle einer lediglich grob fahrlässigen Falschangabe besteht in den meisten Fällen lediglich ein Recht auf Vertragsanpassung.

Der Vorwurf eines arglistigen Verhaltens wird von den Versicherern schnell erhoben. Die Hürden für die Annahme arglistigen Verhaltens sind jedoch hoch.

Zur Beurteilung, ob Arglist vorliegt, sind auch die im Antrag angegebenen und verschwiegenen Tatsachen in ihrer Gesamtheit zu betrachten, vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.04.2005 – 12 U 391/04, NJW-RR 2006, 463.

Arglist liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich handelt, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers bzgl. des Vertragsschlusses einwirkt.

Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des VR einzuwirken, gibt es nicht (BGH 24.11.2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 337; OLG Saarbrücken 12. Oktober 2005 – 5 U 31/05, VersR 2007, 93).

In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (BGH 24.11.2010 – IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 m.w.N.).


10-Jahres Frist

Grundsätzlich kann die Anfechtung nur innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt, an dem der Versicherer Kenntnis erlangt (§ 124 Abs. 1 BGB) erklärt werden. Für Langzeitverträge ist darüber hinaus die Vorschrift des § 21 Abs. 3 S. 2 VVG sehr wichtig.

Demnach erlischt das Recht zur Arglistanfechtung 10 Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrages.


Fazit

Der Vorwurf der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung oder einer Obliegenheitsverletzung wird von den Versicherungen schnell und oftmals auch vorschnell erhoben.

Dieses Vorgehen wird einerseits deshalb gewählt, weil die Versicherung im Fall der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung leistungsfrei wird und andererseits dadurch die Möglichkeit besteht, sich auch ohne ordentliches Kündigungsrecht vom Vertrag zu lösen.

Besonders bitter für den Versicherungsnehmer ist in diesem Fall, dass im Falle des Vorwurfs der arglistigen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung die teilweise über Jahre bezahlten Versicherungsbeiträge von der Versicherung nicht zurückbezahlt werden müssen.

Tatsächlich sind die Voraussetzungen für eine vorsätzliche vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung oftmals nicht erfüllt. Aufgrund der erheblichen Folgen im Falle eines Berufs des Versicherers auf die vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung sollten Sie überprüfen lassen, ob der Versicherer rechtmäßig gehandelt hat.

Gerne stehe ich Ihnen hierfür zur Verfügung! Rufen Sie mich an unter 0941-20600850 oder schreiben Sie mir eine E-Mail an kontakt@engelhardt-rechtsanwalt.de.

Foto(s): Panthermedia

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