Abfindung bei Kündigung: Wer erhält eine Abfindung? Wovon hängt die Abfindungshöhe ab?

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Nach Kündigungen werden die meisten arbeitsrechtlichen Verfahren durch einen Abfindungsvergleich beendet. Um die Höhe der Abfindung ranken sich viele Mythen. Viele Arbeitnehmer haben mal von jemandem gehört, der eine sechsstellige Abfindung erhalten hat. 

Ein anderer Arbeitnehmer bekommt in seinem Kündigungsschutzverfahren noch nicht einmal ein halbes Gehalt. Doch wovon hängt die Höhe der Abfindung ab? Und: Gibt es einen Rechtsanspruch auf Zahlung einer Abfindung? Dieser Beitrag stellt die für Arbeitnehmer wesentlichen Aspekte dar.

1. Grundsatz: kein Anspruch auf Abfindung

Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach einer Kündigung. Das deutsche Kündigungsrecht ist als sogenannter „Bestandsschutz“ ausgestaltet: Entweder eine Kündigung ist unwirksam, dann besteht das Arbeitsverhältnis fort. Oder eine Kündigung ist wirksam, dann endet das Arbeitsverhältnis ohne Abfindung. Das gilt auch bei langjährigen Arbeitsverhältnissen. 

Wird etwa einem Arbeitnehmer nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt und ist die Kündigung wirksam, dann beendet sie das Arbeitsverhältnis ohne Abfindung. Für Missverständnisse sorgt häufig der äußerst unglückliche § 1a Abs. 1 KSchG.

Diese Norm regelt, dass Arbeitnehmer einen „Anspruch auf Abfindung“ in Höhe von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr (sogenannte „Regelabfindung“) haben, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben. Allerdings setzt dieser „Anspruch“ voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot unterbreitet (§ 1 Abs. 1 S. 2 KSchG). 

Insofern läuft die Norm leer: Bietet der Arbeitgeber eine Abfindung an, kann der Arbeitnehmer das Angebot naturgemäß immer annehmen. Bietet der Arbeitgeber keine Abfindung an, dann entsteht auch der „Anspruch“ auf die Regelabfindung nicht.

Merke: Es gibt grundsätzlich keinen gesetzlichen Abfindungsanspruch!

2. Ausnahme: Anspruch auf Abfindung per Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag

Allerdings kann sich ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung, insbesondere einem sogenannten „Sozialplan“ ergeben.

So gibt es Tarifverträge, die vorsehen, dass bei bestimmten Kündigungen Abfindungen zu zahlen sind. Deren Höhe ist typischerweise nach einer bestimmten Formel festgelegt, die aus den Faktoren Betriebszugehörigkeit, Alter, Gehalt und ggf. weiteren Faktoren besteht. Solche Tarifverträge werden häufig als „Beschäftigungssicherungstarifvertrag“ oder „Rationalisierungsschutzabkommen“ bezeichnet.

Auch in Betriebsvereinbarungen können Abfindungen für bestimmte Kündigungsfälle festgelegt werden, insbesondere etwa im Rahmen eines Sozialplans. Ein solcher ist unter bestimmten Voraussetzungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei Betriebsänderungen zu verhandeln (§ 112 BetrVG).

Merke: Ein Abfindungsanspruch kann sich aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen ergeben!

3. Freie Verhandlung

Auch wenn ein gekündigter Arbeitnehmer in aller Regel keinen Abfindungsanspruch hat, enden sehr viele Kündigungsschutzverfahren mit einem Abfindungsvergleich. Die Höhe der jeweils frei vereinbarten Abfindung schwankt im Einzelfall enorm. Teilweise werden Abfindungen in Höhe von wenigen hundert Euro vereinbart, in anderen Fällen beträgt die vereinbarte Abfindung mehrere hunderttausend Euro. 

Arbeitnehmern ist in der Regel, jedenfalls vor rechtlicher Beratung, nicht nachvollziehbar, woran das liegt. Erhält ein Kollege eine Abfindung in Höhe von EUR 5.000,00 und ein anderer Kollege in Höhe von EUR 20.000,00, dann gehen Kollegen oftmals davon aus, letzterer hatte eventuell einen besseren Anwalt. Das kann zwar der Grund sein, muss es aber nicht. Typische Faktoren, von denen die Abfindungshöhe abhängt, sind Folgende:

a) Rechtliches Risiko

Ein wesentlicher Faktor ist das rechtliche Risiko. Je mehr Angst der Arbeitgeber davor hat, das Verfahren zu verlieren, desto eher wird er bereit sein, durch eine Erhöhung der Abfindung ein Urteil zu verhindern. Das ist die wichtigste Aufgabe des Arbeitnehmeranwalts: Er sollte möglichst zahlreich und konkret die möglichen Unwirksamkeitsgründe der Kündigung aufdecken.

Merke: Je größer das Risiko, dass die Kündigung unwirksam ist, desto höher die Abfindung.

b) Rückkehrinteresse

Eine sehr große Rolle spielt das Rückkehrinteresse des Arbeitnehmers. Ist dem Arbeitgeber bekannt, dass der Arbeitnehmer ohnehin nicht mehr zurückkehren will, dann wird er keine hohe Abfindung anbieten. 

Denn er geht eher davon aus, dass der Arbeitnehmer eine Neuanstellung sucht. Er schätzt also das Risiko, dass der Arbeitnehmer zurückkehrt, als gering ein. Vermittelt der Arbeitnehmer glaubhaft, unbedingt zu diesem Arbeitgeber zurückkehren zu wollen, erhöht das tendenziell das Abfindungsangebot des Arbeitgebers.

Merke: Je größer das Interesse des Arbeitnehmers, bei seinem Arbeitgeber zu bleiben, desto höher die Abfindung.

c) Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Eng damit verknüpft sind die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt. Steht etwa ein junger, hochqualifizierter Arbeitnehmer auf dem Markt gut da, dann hat er keine ernsthafte Sorge vor einer Arbeitslosigkeit. 

Der Arbeitgeber kann also insofern „pokern“, als dass er davon ausgeht, der Arbeitnehmer habe ohnehin nach kurzer Zeit etwas Neues. Das Risiko, dass der Arbeitnehmer etwa ein Jahr lang vergeblich eine Neuanstellung sucht und deshalb der Arbeitgeber, wenn er den Prozess verliert, ein Jahresgehalt nachzahlen muss, ist gering. 

Ist ein Arbeitnehmer fortgeschrittenen Alters und gering qualifiziert oder lebt er in einer wirtschaftsschwachen Region, dann hat er ernsthafte Sorgen vor einer Dauerarbeitslosigkeit. Das heißt für den Arbeitgeber: 

Es ist durchaus realistisch, dass der Arbeitnehmer für eineinhalb Jahre durch zwei Instanzen geht, am Ende gewinnt und deshalb eineinhalb Jahresgehälter nachgezahlt werden müssen. Dieses Drohpotential kann etwa ein 25-jähriger BWL-Absolvent in Frankfurt am Main im Prozess nicht ernsthaft entfalten.

Merke: Je schlechter die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt, desto höher die Abfindung.

d) Prozessdauer

Auch die Prozessdauer erhöht tendenziell die Höhe der Abfindung. Aus folgendem Grund: Spätestens wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist, dann arbeitet der Arbeitnehmer nicht mehr. Wird die Kündigung vom Gericht für unwirksam erklärt, dann muss der Arbeitgeber Gehälter nachzahlen. 

Wird etwa eine Kündigung zum 31. März ausgesprochen und entscheidet das Arbeitsgericht am 31. Juli, dass die Kündigung unwirksam war, dann muss der Arbeitgeber vier Monatsgehälter nachzahlen. 

Dieses Risiko besteht noch nicht, wenn man sich etwa im März auf eine Abfindung einigt. Allerdings: Sobald der Arbeitnehmer eine Neuanstellung beginnen will, muss er selbst das Arbeitsverhältnis beenden. 

Hat also etwa der Arbeitgeber am 31. März eine Abfindung in Höhe von drei Gehältern angeboten, der Arbeitnehmer lehnt das ab und will dann im Mai eine Neuanstellung aufnehmen – dann hat er sich „verpokert“. Dann erhält er ggf. maximal zwei Gehälter nachgezahlt.

Merke: Je länger der Prozess dauert, desto größer ist das Risiko des Arbeitgebers, also desto höher die Abfindung.

e) Betriebszugehörigkeit

Auch wenn die sogenannte „Regelabfindung“ nach § 1a KSchG (0,5 Bruttomonatsgehälter je Beschäftigungsjahr) nicht verbindlich ist, stellt sie häufig einen Orientierungspunkt in Verhandlungen dar. In der Sache überzeugend ist das zwar nicht, denn eine Kündigung kann wirksam oder unwirksam sein unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. 

Gleichwohl wird die Betriebszugehörigkeit oft als Argument verwendet, auch bei Vorschlägen des Gerichts. Ist ein Arbeitnehmer erst kurz beschäftigt, wird das in der Regel vom Arbeitgeber als Argument für eine niedrige Abfindung herangezogen. Ist er dauerhaft beschäftigt, dann nutzt der Arbeitnehmeranwalt das als Argument für eine hohe Abfindung. Erfahrungsgemäß hat das auch durchaus eine Wirkung, weil der Gedanke „je länger man beschäftigt ist, desto höher die Abfindung“ weitgehend als gerecht empfunden und deshalb als Argument angenommen wird.

Merke: Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto höher die Abfindung.

f) Gehalt

Auch die Höhe des Gehalts beeinflusst die Abfindung. Die Abfindung soll dem Arbeitnehmer quasi sein Arbeitsverhältnis „abkaufen“. Das Arbeitsverhältnis ist mehr wert, je höher das Gehalt ist. Außerdem ist das Risiko des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses größer, je höher das Gehalt ist. 

Schließlich kann ein Gutverdiener besser verkaufen, dass er keine gleich vergütete Neuanstellung findet. Auf der anderen Seite wird ein geringfügig Beschäftigter wohl nie etwa über ein Jahr prozessieren. Aus all diesen Gründen diskutiert man bei Besserverdienern typischerweise auch deutlich höhere Abfindungssummen.

Merke: Je höher das Gehalt, desto höher die Abfindung.

g) Verhandlungsstrategie

Schließlich hat auch die Verhandlungsstrategie einen Einfluss auf die Abfindung. So gibt es kooperative und aggressive Verhandlungsstrategien. Je nachdem, welcher Typus Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenübersitzt, ist die eine oder andere Strategie zielführender. 

Handelt es sich etwa um einen emotionalen Arbeitgeber, dessen Wille mit Druck gebrochen werden muss, dann liegt eine aggressivere Verhandlung näher. 

Aggressive Verhandlungen können zielführend sein, sie haben aber den Nachteil, dass sie in der Regel das Risiko für beide Seiten erhöhen. Sie sollten deshalb behutsam eingesetzt werden. So kann etwa ein Beschäftigungsanspruch während des Prozesses per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden. 

Das heißt, man zwingt den Arbeitgeber dazu, den Arbeitnehmer tatsächlich vorübergehend weiterzubeschäftigen. So erhöht man den Druck auf den Arbeitgeber, übernimmt aber auch das Risiko, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer tatsächlich weiterarbeiten lässt.

Merke: Die im Einzelfall ideale Verhandlungsstrategie kann die Abfindung erhöhen.

Wenn Sie Beratung zur Verhandlung einer Abfindung benötigen, kontaktieren Sie mich jederzeit gern!


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