Die "Abwehrdeckung" im Bereich der Rechtsschutzversicherung: Ein unseriöses Regulierungsverzögerungskonstrukt!
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Dass Haftpflichtversicherer sich auf die Fahne geschrieben haben, zu verweigern, blockieren und verzögern, ist allgemein bekannt. Aktuell treten aber auch in der Rechtsschutzversicherungsbranche einige "schwarze Schafe" hervor, die versuchen, es ihren Kunden und der Anwaltschaft, das Leben ganz besonders schwer zu machen. Die einen, wie etwa die DEVK Rechtsschutzversicherung bemühen sich, vor einer Deckungsschutzzusage im Wege einer "vorweggenommenen Beweiswürdigung" bereits alles was von Schädigern ohnehin bestritten wird, zum Anlass zu nehmen, sich der Regulierungspflicht zu entziehen. So werden für den Bereich des Arzthaftungsrechtes sämtliche Behandlungsunterlagen, auch der Vor- und Nachbehandler der fehlbehandelnden Mediziner verlangt, die dann ins Detail fachmedizinisch hinterfragt werden. Da hilft auch nicht der versicherungsrechtliche Hinweis, die DEVK möge es einmal einem von einer Arzthaftungskammer eines deutschen Landgerichtes befassten qualifizierten fachmedizinischen Sachverständigen überlassen, welche konkrete Behandlungsfehler zu dem eingetretenen Gesundheitsschaden geführt haben. Der/die DEVK-Sachbearbeiter/in, ein medizinischer Laie, weiß es grundsätzlich "besser".
Um sich ihrer Regulierungsverpflichtung zu entziehen heißt es u.a. von der DEVK, der HUK Coburg, der ARAG, der ÖRAG, NRV, WGV, oder anderen Versicherern gerne einmal, es bestünden keine Erfolgsaussichten. Dass es in vielen Fällen sodann doch zu einem erwünschten Erfolg kommt, scheint die Versicherer nicht zu interessieren.
Wenn indes eine Ablehnung auch noch mit Täuschungsabsicht und Täuschungshandlung zu Lasten eines Versicherungskunden erfolgt, macht sich eine Rechtsschutzversicherung, wie aktuell in einem Massenschadenfall die Auxilia auch schnell einmal strafrechtlich angreifbar.
Pikant wird es dann auch in Fällen der sogenannten "Abwehrdeckung". Hierbei handelt es sich um ein Konstrukt, das dem Haftpflichtrecht entspringt. Dabei erteilt ein Rechtsschutzversicherer, wie aktuell die ÖRAG, die LVM und die HUK Coburg einem Kunden die "Abwehrdeckung" gegen die Honoraransprüche, die deren eigener mandatierter Anwalt beansprucht. Dieser kann sodann nicht mehr, wie anderenfalls möglich und üblich, für den Mandanten gegen den Versicherer klagen, sondern muss den eigenen Mandanten verklagen, um seine Honoraransprüche durchzusetzen. Der Versicherer muss dann allerdings bei Klagezusprechung nicht nur die ausgeurteilten Beträge regulieren, sondern auch sämtliche Prozesskosten des Gebührenprozesses.
Ein BGH-Urteil zu diesem Konstrukt stößt in Literatur und Kommentaren zu erheblichen Bedenken. So wird u.a. kritisiert:
„Der nach der Rechtsprechung des BGH mögliche Verweis auf den Gebührenprozess zwischen Anwalt und Mandant hat zur Folge, dass sich der Rechtsanwalt nach h. M. dem Vorwurf standeswidrigen Verhaltens aussetzt, wenn er gegen seinen Mandanten seinen Vorschussanspruch nach § 9 RVG klageweise geltend macht, solange er dessen Vertretung beibehält (Mayer in Gerold/Schmidt RVG § 9 Rn. 24 m. w. N.)“ - (Harbauer/Schmitt, 9. Aufl. 2018, ARB 2010 § 1 Rn. 23, beck-online)
Dies wird auch verdeutlicht durch den folgenden Online-Beitrag:
„Mitunter – und gerade in Rechtsschutzfällen der sog. Massenverfahren - nutzen Versicherer dieses Instrument jedoch scheinbar bewusst zu ihrem Vorteil und zulasten der VN.
[…]
Faktisch droht aber durch dessen uneingeschränkte Anwendung, dass der VN u.U. überhaupt keine Rechtsdienstleistung erhält, obwohl das gerade Sinn und Zweck einer Rechtsschutzversicherung ist. Denn zwar verfügt der VN mit der Abwehrdeckung über eine Deckungszusage. Mit dieser kann er jedoch praktisch nichts anfangen, weil er sich erst von dem RA verklagen lassen müsste, ehe er seine Versicherungsleistung spürbar erhält. Die Abwehrdeckung ist damit für ihn praktisch wertlos.
Das lässt an der Rspr. des BGH zur Abwehrdeckung zweifeln. Denn zur Begründung der Abwehrdeckung hat der BGH den Vergleich zum Haftpflichtversicherungsvertrag herangezogen. Dieser Vergleich hinkt jedoch, weil in der Haftpflichtversicherung derjenige, von dessen Forderung freizustellen ist, Anspruchsgegner ist. Im RSV-Verhältnis ist der Anspruchssteller jedoch der RA und damit Person, die dem VN zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen verhelfen soll.“
Die ÖRAG treibt es in einem aktuellen Fall sogar auf die Spitze: Sie erteilt die "Abwehrdeckung" im laufenden Deckungsprozess, gerade einmal eine Woche vor dem vom Gericht anberaumten Gütetermin. Für diesen Fall müsste die Ausübung des Wahlrechtes, Deckungsschutz grundsätzlich zur erteilen, sodann aber auf "Abwehrdeckung" überzugehen, unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben nach § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich unzulässig sein.
„Die Ausübung eines Rechts kann im Einzelfall unzulässig sein, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (individueller Rechtsmissbrauch).“
(Jauernig/Mansel, 19. Aufl. 2023, BGB § 242 Rn. 37, beck-online)
Vor dem Hintergrund der rechtlichen und tatsächlichen Benachteiligung des Versicherungsnehmer im Falle der Abwehrdeckung, kann dieser nicht ohne Weiteres die Deckungszusage im Wege einer Leistung durch Dritte nach § 267 I BGB ersetzen. Bereits aus Gläubigerschutzgründen wäre dies abzulehnen. Außerdem führte eine solche Handhabe dazu, dass sämtliche Deckungsprozesse, die teilweise Jahre andauern, einseitig durch eine Rechtsschutzversicherung obsolet werden, wenn dieser einen für sich ungünstigen Ausgang zu besorgen hat. Ein jahrelanger Prozess kann so gänzlich hinfällig und ein neues Verfahren unter den vorbenannten ungünstigen Bedingungen müsste ggf. auch jahrelang von Neuem geführt werden, nur um zum selben Ergebnis zu kommen.
Durch die Rechtsprechung des BGH zur grundsätzlichen Möglichkeit der Abwehrdeckung wurde den Rechtsschutzversicherungen bereits eine ihnen freundliche und hochgradig verbraucherschädliche Handhabe eröffnet, die diese auch oft nutzen, um allein zu ihrem eigenen Vorteil, einen Rechtsstreit vom Versicherungs- ins Mandatsverhältnis zu verlagern. Der Versicherungsnehmer hat hierdurch keinerlei Vorteile und wird hierfür auch nicht kompensiert, stellt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Dr. DC Ciper LLM klar.
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