Die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells ist eine Frage des Sorgerechts

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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells das Sorge-, nicht das Umgangsrecht betrifft. Aus diesem Grund ist eine einstweilige Anordnung, mit der ein paritätisches Wechselmodell angeordnet wird, anfechtbar. 

Die Kindeseltern hatten sich im Rahmen gegenläufiger Sorge- und Umgangsanträge im Jahr 2018 auf das sog. "paritätische Wechselmodell" geeinigt. Die damals ein Jahr bzw. fünf Jahre alten Kinder wechselten seitdem mehrfach während der Woche zwischen den elterlichen Haushalten hin und her. 

Die Mutter beantragte 1 Jahr später vor dem Familiengericht eine Abänderung der Vereinbarung. Sie begehrte die Anordnung des sog. "Residenzmodells", d. h., die Kinder sollten überwiegend von ihr betreut werden und mit dem Kindesvater regelmäßigen Umgang haben. 

Da der Bundesgerichtshof in Entscheidungen zur Zulässigkeit der umgangsrechtlichen Anordnung eines Wechselmodells dies als korrekt angesehen hatte, wurde der Antrag der Mutter in einem Umgangsverfahren geltend gemacht. In diesem Hauptsacheverfahren gab es keine Einigung der Eltern. Das Gericht beauftragte einen Gutachter, um die Frage zu klären, welche Betreuungsform mit dem Wohl der Kinder in diesem Fall am besten vereinbar wäre.

Das Familiengericht hat wegen der fehlenden Einigung außerdem von Amts wegen das hier gegenständliche einstweilige Anordnungsverfahren als Umgangsverfahren eingeleitet. Es ordnete an, dass die Eltern nunmehr die Kinder wochenweise abwechselnd betreuen und ging dabei davon aus, dass diese Anordnung in Anbetracht der fehlenden Anfechtbarkeit von einstweiligen Anordnungen zum Umgang unanfechtbar bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens gelten wird.

Hiergegen ging die Kindesmutter vor. Sie hat geltend gemacht, dass die Einschätzung des Familiengerichts unrichtig und damit eine Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung zulässig ist. In seiner Entscheidung stellte das OLG klar, dass die Anordnung des paritätischen Wechselmodells eine sorgerechtliche Regelung enthält und nicht nur den Umgang regelt. Der Gesetzgeber habe jedoch mit „Umgang“ eine den „Beziehungserhalt gewährende Besuchsregelung“ und keine "Aufenthaltslösung" gemeint, die den Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil reget. Damit setzt sich das OLG über die bisherige Rechtsprechung des BGH hinweg. Das OLG begründet diesen Schritt damit, dass die Vorgaben des BGH dazu führten, dass einstweilige Anordnungen unanfechtbar sind, obwohl sie für Monate – wenn nicht Jahre – elementare Lebensbedingungen für Kinder und Eltern festschrieben. Dies habe weitreichende Auswirkungen über den persönlichen Bereich hinaus, denn es betreffe Unterhaltsfragen, das Recht auf staatliche Unterhaltsvorschüsse, Meldeverhältnisse etc.

Grundsätzlich sei das in Art. 6 GG verwurzelte Erziehungsrecht der Eltern durch den Staat zu respektieren. Einstweilige Anordnungen könnten in Sorgerechtsverfahren deswegen nur bei einer festgestellten Kindeswohlgefährdung von Amts wegen ergehen. Diese Eingriffsschwelle würde untergraben, wenn das paritätische Wechselmodell als Umgangslösung gedacht und von Amts wegen angeordnet werden könne.

Das OLG hob den Beschluss des Familiengerichts auf. Kein Elternteil habe die Abänderung der ursprünglich getroffenen Vereinbarung im Eilverfahren beantragt. Das OLG fand zudem keinen Anhaltspunkt für eine Kindeswohlgefährdung, welche das Vorgehen des Familiengerichts hätte rechtfertigen können. Die Eltern hatten sich obendrein bereits für die Zeit des schwebenden Verfahrens auf eine leicht geänderte und mit weniger Wechseln verbundene Betreuung der Kinder geeinigt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.1.2020, Az. 2 UF 301/19


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