Die Corona-Arbeitsschutzverordnung - Verpflichtendes Homeoffice (?) und weitere Regelungen

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Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung kommt

Trotz (langsam) sinkender Zahlen wurde eine erneute Verlängerung des Lockdowns beschlossen. Auch wurden ergänzende Maßnahmen ergriffen, der Lockdown also „verschärft“. Zu diesen Maßnahmen gehört auch, die Kontakte in den Betrieben zu reduzieren. Zu diesem Zweck bereitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit eine auf § 18 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) beruhende Ministerverordnung vor. Der Entwurf ist zwischenzeitlich veröffentlicht.

Doch was kommt da genau auf die Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen zu?


Der aktuelle Stand

Bereits jetzt gelten in den Betrieben der Privatwirtschaft, aber auch in den Behörden der Bundes- und Landesverwaltung, also überall dort, wo Menschen arbeiten, bestimmte Regeln, die die Ausbreitung des Coronavirus möglichst verhindern, jedenfalls aber einschränken sollen. Zu nennen ist insoweit in erster Linie die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. In der ursprünglichen Version trat die Regel am 20. August 2020 in Kraft (zu finden im Gemeinsamen Ministerialblatt, GMBl 2020 S. 484-495). Diese Regel gilt für die Dauer der festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite (§ 5 Infektionsschutzgesetz [IfSG]). In der Regel werden die allgemeineren Festsetzungen des ArbSchG konkretisiert. Soweit Arbeitgeber/innen von den Vorgaben abweichen, muss jedenfalls der gleiche Schutz erreicht werden. 

Im Wesentlichen und in der gebotenen Kürze lassen sich diese Maßnahmen wie folgt zusammenfassen:

  • Verringerung ungeschützter Kontakte (Abstand, technische Trennungen, Lüftung etc.)
  • Mund-Nasen-Bedeckungen, wenn Abstand und Trennung nicht möglich sind (Masken sind durch den/die Arbeitgeber/in zu stellen)
  • Hygiene
  • Homeoffice

Die Maßnahmen sind „sachgerecht miteinander zu verknüpfen“ (Ziffer 4.1 Abs. 1 Satz 3 der Regel).

Eine Änderung dieser Regel ist derzeit in Vorbereitung. 

Branchenspezifisch werden diese Regelungen ergänzt durch die Konkretisierungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften). 


Entwurf der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV)

In Ergänzung zu den oben genannten, im Wesentlichen eher innerbetrieblichen, Maßnahmen soll nun eine konsequente, weitere Beschränkung der Kontaktmöglichkeiten dadurch erfolgen, dass in Betrieben und Behörden, soweit dies möglich ist, Homeoffice als Möglichkeit dafür eingeführt werden soll, den Betrieb ohne bzw. mit wenigen persönlichen Kontakten aufrechtzuerhalten. 


Allgemein

Bisher liegt lediglich der Regierungsentwurf vor, ich möchte Ihnen aber bereits darstellen, was da auf Sie zukommt. 

Selbstverständlich wird sich erst in der Durchführung der Corona-ArbSchV im Einzelnen ergeben, wie bestimmte Begriffe auszufüllen sind. 


Rechtsgrundlage

Das BMAS stützt sich für die zu erlassende Verordnung auf § 18 Abs. 3 ArbSchG. Diese Vorschrift wurde geändert, um dem BMAS die Möglichkeit zu geben, bei epidemischen Lagen im Sinne des § 5 IfSG (siehe oben) spezielle Rechtsverordnungen für einen befristeten Zeitraum zu erlassen, die Maßnahmen der Arbeitgeber/innen und Verhalten der Arbeitnehmer/innen konkret bestimmen. Die Zustimmung des Bundesrates ist für diese Verordnungen nicht erforderlich. 

Man kann hier durchaus Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der Norm haben. Wäre dem Bestimmtheitsgebot tatsächlich nicht Genüge getan, so könnte sich die Ermächtigungsnorm des § 18 Abs. 3 ArbSchG als verfassungswidrig erweisen. 

Fraglich ist zudem, ob durch die hier in Rede stehende Verordnung in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) eingegriffen wird und ob ein solcher Eingriff gegebenenfalls gerechtfertigt wäre. Letztendlich wird man hier im Sinne der sog. Stufenlehre des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Apotheken-Urteil, BVerfGE 7, 377ff.) von einer Berufsausübungsregelung auszugehen haben. In diesen Fällen genügen für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung „vernünftige Gründe des Allgemeinwohls“. Diese sind gegeben, auch wenn die Zahlen sinken.


Die Maßnahmen im Einzelnen

Ergänzend sollen auch weiterhin die Arbeitsschutzverordnungen nach § 18 Abs. 1 und 2 ArbSchG und weitere, abweichende Vorschriften der einzelnen Bundesländer, auch etwa im Zusammenhang mit der Betreuung von Kindern, Geltung beanspruchen. 


Zunächst einmal sind die Gefährdungsbeurteilungen, die nach §§ 5, 6 ArbSchG erfolgen und dokumentiert werden müssen, im Hinblick auf den betrieblichen Infektionsschutz zu überprüfen und (gegebenenfalls) zu aktualisieren. Die Anforderungen steigen selbstverständlich mit der Größe des Betriebes und der Anzahl der Beschäftigten, auch die Art der durchgeführten Tätigkeiten ist zu berücksichtigen, vgl. § 6 Abs. 1 ArbSchG.


Arbeitgeber/innen haben sodann alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren, § 2 Abs. 2 Satz 1 Corona-ArbSchV. Es müssen also zunächst einmal überhaupt mehrere Personen gleichzeitig in einem Betrieb arbeiten bzw. anwesend sein, damit es zu Kontakten kommen kann, die reduziert werden können. Der Hinweis auf die Anwesenheit ist aus meiner Sicht wichtig, weil betriebsbedingte Personenkontakte grundsätzlich auch durch Kunden entstehen können. 

„Kleine“ Selbständige sehen sich also voraussichtlich im Regelfall Maßnahmen geringeren Umfangs gegenüber. 


Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist dabei auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. Die Arbeit in Gruppen und Teams bleibt also möglich, wenn sie betriebsnotwendig ist. Dieser Begriff wird in Zukunft noch mit Leben gefüllt werden müssen.

Bei gleichzeitiger Nutzung darf eine Mindestfläche von 10 Quadratmetern pro Person nicht unterschritten werden. Lassen die auszuführenden Tätigkeiten dies nicht zu, so ist durch andere Schutzmaßnahmen einer gleichwertiger Schutz der Beschäftigten herzustellen. 


Auch betriebsbedingte Zusammentreffen sind auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Stattdessen soll Informationstechnologie eingesetzt werden. Wo dies nicht möglich ist und es weiter zu Treffen kommen muss, sind andere, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wie etwa Lüftungsmaßnahmen und Abtrennungen zwischen den Personen. 


Für Büroarbeit und vergleichbare Tätigkeiten haben Arbeitgeber/innen anzubieten, diese in der eigenen Wohnung der Arbeitnehmer/innen durchzuführen (Homeoffice), es sei denn, zwingende betriebsbedingte Gründe stehen entgegen. Gemeint sind dabei etwa Tätigkeiten wie Bearbeitung und Verteilung von Eingangspost, Bearbeitung des Warenein- und Ausgangs, Schalterdienste etc.. Die Formulierung der Verordnung spricht dafür, dass die Arbeitgeber/innen diese entgegenstehenden Gründe darlegen und erforderlichenfalls beweisen müssen. Es sollte also eine sorgfältige Abwägung stattfinden, bevor die Arbeitnehmer/innen weiterhin in die Räumlichkeiten des Betriebes bestellt werden. 


Verfügt ein Betrieb über mehr als zehn Beschäftigte, so sind diese in möglichst kleine Arbeitsgruppen einzuteilen. Kontakte zwischen den Gruppen und Änderungen der Einteilung sind auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. Zeitversetztes Arbeiten ist zu ermöglichen, soweit dies möglich ist.


Arbeitgeber/innen haben medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken (oder vergleichbare Atemschutzmasken, die abschließend in einer Anlage zu der Verordnung aufgezählt sind) zur Verfügung zu stellen, wenn 

  • die Regelungen zur Raumbelegung nicht eingehalten werden können,
  • der Mindestabstand (1,5m) nicht eingehalten werden kann, oder
  • bei den Tätigkeiten mit einem erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist.

Die Masken sind durch die Arbeitnehmer/innen zu tragen. 

Arbeitgeber/innen dürfen allerdings auch andere, ebenso wirksame Maßnahmen treffen. Problematisch wird hierbei sein, den Nachweis zu führen, dass bestimmte Maßnahmen eine gleiche Wirksamkeit haben. 


Kontrolle, Befugnisse der Aufsichtsbehörden

Zuständig für die Kontrolle der Einhaltung dieser Verordnung sind die Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer. Die Behörden verfügen über umfassende Auskunfts- und Einsichtsrechte. Besichtigungen im Betrieb sind jedenfalls denkbar. Bei Verstößen sind Bußgelder von bis zu 30.000,00 € möglich.


Weitere Anmerkungen

Arbeitnehmer/innen können nicht gezwungen werden, ihre Tätigkeit von zu hause zu erbringen. Es gilt in erster Linie der vertraglich vereinbarte Arbeitsort. Um den Arbeitsort zu ändern bedarf es also einer Änderung des Arbeitsvertrages oder einer Betriebsvereinbarung. 


Arbeitgeber/innen sollten auch bedenken, welche Arbeiten tatsächlich zu hause erbracht werden sollten. Ich denke hierbei insbesondere an schutzbedürftige Unterlagen. Ob allerdings besondere Anforderungen etwa an den Datenschutz ausreichend sein werden, um die Pflicht zum Homeoffice zu umgehen, muss doch bezweifelt werden. 


Zwar können technische oder organisatorische Gründe (keine ausreichende IT-Ausstattung, Notwendigkeit einer geänderten Arbeitsorganisation, notwendige Qualifizierung der Mitarbeiter) angeführt werden, allerdings sind diese Gründe unverzüglich zu beseitigen, sodass sie keine Dauerlösung darstellen. 


Hinsichtlich der Arbeitsmittel, für deren Bereitstellung grundsätzlich die Arbeitgeber/innen zu sorgen haben, können (und sollten!) unbedingt ausdrückliche, klare Regelungen getroffen werden. Hier gibt es weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten. Dies betrifft auch die sonstige Ausgestaltung einer Tätigkeit im Homeoffice.


Die Verordnung wird 5 Tage nach ihrer Verkündung in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt sind die Vorgaben einzuhalten. Es ist also dringend anzuraten, entsprechende Vorkehrungen bereits jetzt zu treffen. 

Zur Vollständigkeit: Die Verordnung tritt am 15. März 2021 außer Kraft. 


Sollte es bei der Durchführung der Verordnung zu Problemen kommen, so können sich Arbeitgeber/innen ebenso wie Arbeitnehmer/innen an die Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer und an die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) wenden.


Fazit

Ganz egal, was der Einzelne von dieser Maßnahme halten mag, sie wird durchgeführt werden. Aufgrund der erheblichen Sanktionsmöglichkeit kann Arbeitgeber/innen nur dazu geraten werden, die Verordnung bestmöglich in ihrem Betrieb umzusetzen. In den Behörden sollten sich Mitarbeiter gegebenenfalls nach Homeoffice-Möglichkeiten erkundigen, soweit diese nicht angeboten werden (bereits jetzt ist aus der Presse ersichtlich, dass die Behörden insoweit nicht allzu gut aufgestellt sind). 


Im Hinblick auf möglicherweise anfallende, erhebliche Zusatzkosten ist Arbeitgeber/innen darüber hinaus zu raten, genau abzuwägen, welche Maßnahmen ergriffen werden und wie möglicherweise Maßnahmen des Arbeitsschutzes mit weiteren arbeitsrechtlichen Möglichkeiten und Hilfs- und Unterstützungsangeboten des Bundes und der Bundesländer kombiniert werden sollen. Es ist durchaus denkbar, dass die Umsetzung der Verordnung leichter oder gar entbehrlich wird, wenn gleichzeitig flankierende Maßnahmen ergriffen werden.


Gerne bin ich insoweit beratend oder gegenüber Behörden, Arbeitnehmer/innen und sonstigen Stellen für Sie tätig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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