Die erkennungsdienstliche Behandlung

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„Verbrecherfotos“ und Fingerabdrücke – gesetzliche Grundlage

Ist eine Person zum Beschuldigten in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren geworden, können auf der gesetzlichen Grundlage des § 81b StPO von ihm Lichtbilder und Fingerabdrücke auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden. Der Volksmund spricht althergebracht von „Verbrecherfotos“. Durchgeführt werden diese Maßnahmen immer von der Polizei.

Ausgangssituation für den Betroffenen: Erhalt einer Ladung

Entweder zusammen mit der Aufforderung, sich zu einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei einzufinden oder im späteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens erhält der Betroffene eine schriftliche oder auch mündliche Ladung der Polizei, sich zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung dorthin zu begeben.

Keine Pflicht einer polizeilichen Ladung zur Beschuldigtenvernehmung nachzukommen, Schweigerecht

Zum Erscheinen zu einer Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei ist niemand verpflichtet. Ein solches Erscheinen zur Beschuldigtenvernehmung kann durch die Polizei auch nicht zwangsweise durchgesetzt werden. Der Beschuldigte hat darüber hinaus selbstverständlich auch immer das Recht zu schweigen, also auch und insbesondere bei der Polizei keine Angaben zu dem Tatvorwurf zu machen. Nahezu immer wird bei dieser Ausgangssituation der anwaltliche Rat an den Betroffenen erteilt werden, zumindest vor erster Akteneinsicht von dem rechtsstaatlich garantierten Schweigerecht Gebrauch zu machen und folglich der Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung nicht nachzukommen.

Andere und differenzierte Rechtslage bei der Anordnung und Ladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung – zwangsweise Durchsetzung sogar ohne Androhung möglich

Anders – und rechtlich durchaus komplex – ist die Lage bei der Anordnung und Ladung zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Grundsätzlich gilt, dass solche Maßnahmen sogar ohne vorherige Androhung, mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden können. Der Beschuldigte darf – falls erforderlich – zwangsweise zur Dienststelle gebracht und dort bis zur Erledigung der Maßnahme festgehalten werden (vgl. OLG Stuttgart, StV 88, 424). Hier wird die Situation für den Betroffenen und die Entscheidung über das weitere Verhalten also schwierig. Der Beschuldigte, der seinen Rechten folgend mit der Polizei kommuniziert hatte, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen und nicht auf der Dienststelle zur Beschuldigtenvernehmung zu erscheinen, kann im Rahmen des Ermittlungsverfahrens mittels der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nun letztlich doch – wenn auch zu einem anderen Zweck – sogar zwangsweise dorthin verbracht werden.

Keine Möglichkeit, sich rechtlich zur Wehr zu setzen?

Eine rechtliche Abwehr solcher Anordnungen ist bereits deshalb schwierig, weil der Betroffene zunächst einmal erkennen muss, um welche Art von Maßnahme es sich hier überhaupt handelt. Denn die gesetzliche Grundlage, § 81b StPO, differenziert zwischen zwei völlig unterschiedlichen Zwecken, zu denen die dort genannten Maßnahmen angeordnet und durchgeführt werden können. Nach der Art der Anordnung richten sich dann die eventuellen rechtlichen Abwehrmöglichkeiten hiergegen. Es sind sogar zwei unterschiedliche Gerichtszweige für die jeweiligen Rechtsbehelfe betroffen – rechtliche Hintergründe also, die einem Nichtjuristen nicht ohne weiteres erschließen können. Häufig differenziert die polizeiliche Anordnung selbst nicht einmal, warum bzw. zu welchem Zweck die Behandlung angeordnet wird.

Es ist wie folgt zu unterscheiden:

Anordnung für Identifizierungsmaßnahmen zu Zwecken der Strafverfolgung, § 81b 1.Alt. StPO

Zu Zwecken der Strafverfolgung, also im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens erlaubt die 1. Alternative des § 81b StPO die Anordnung. Die Identifizierungsmaßnahmen, z.B. Fingerabdrücke, sollen also als Beweismittel dienen, um die Schuld (oder Unschuld) des Beschuldigten zu beweisen.

Eine zu diesem Zweck getroffene Anordnung kann innerhalb des Strafverfahrens mit einer Beschwerde nach § 304 Abs.1 StPO, also beim Strafgericht, angefochten werden, um ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Eine solche Beschwerde hat aber grds. keine sog. „aufschiebende Wirkung“ (§ 307 Abs.1 StPO), so dass eine zwangsweise Durchsetzung durch die Polizei trotz eingelegter Beschwerde erfolgen kann. Es ist also Vorsicht geboten.

Anordnung zu präventiven Zwecken, § 81b 2.Alt. StPO

Maßnahmen zu präventiv-polizeilichen Zwecken erlaubt die 2.Alternative des § 81b StPO. Solche Maßnahmen dienen nicht der Überführung des Beschuldigten in einem bestimmten Strafverfahren, sondern der vorsorglichen Bereitstellung von sachlichen Hilfsmitteln für die Erforschung und Aufklärung zukünftiger Straftaten (BVerfGE 66, 192). Die gewonnenen Unterlagen gelangen nicht in Ermittlungsakten, sondern werden in polizeiliche Materialsammlungen/ Datenbänke aufgenommen.

Solche Maßnahmen können nur im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. Hier hätte ein Rechtsbehelf grundsätzlich zunächst einmal sog. aufschiebende Wirkung – außer, die sog. sofortige Vollziehung wurde angeordnet.

Schwierige Beurteilungssituation

Insgesamt und für beide Alternativen liegt in jedem Einzelfall – auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Anordnung und somit zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs – eine sehr komplexe Beurteilungssituation vor. Häufig wird ohne Aktenkenntnis eine hinreichende Beurteilungsgrundlage zur Rechtmäßigkeit der Anordnung auch noch gar nicht vollständig möglich sein.

Verhalten bei Durchführung der Maßnahmen

Wenn die Maßnahme letztlich durchgeführt wird, sollte der Betroffene wissen, was auf ihn zukommt, wozu er verpflichtet ist und wozu auch nicht.

Es handelt sich bei der „ED-Behandlung“ um eine durchaus vom Betroffenen als demütigend empfundene Prozedur, die nicht selten seitens der Ermittlungsbehörde dazu genutzt wird, auch zum Tatvorwurf „ins Gespräch zu kommen“ – also nichts anderes als eine Beschuldigtenvernehmung durchzuführen. Hat man richtigerweise entschieden, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, sollte man auch im Rahmen einer ED-Behandlung aber unbedingt dabei bleiben.

Zulässige Maßnahmen sind außer den in § 81b StPO selbst genannten nur solche, die der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit dienen, ohne dass es einer körperlichen Untersuchung bedarf (BGHSt 34, 39,44/45). Fragen nach Fremdsprachenkenntnissen, Raucher/Nichtraucherstatus, bevorzugte Zigarettenmarken z.B. müssen daher nicht beantwortet werden.

Nahezu regelmäßig ergeht an Ort und Stelle die „Bitte“ an den Betroffenen, auch noch gleich eine DNA-Probe abzugeben. Da es sich hier um einen extrem weitreichenden informationellen Eingriff handelt, ist hierfür grundsätzlich ein richterlicher Beschluss notwendig – oder aber die schriftliche Einwilligung des Betroffenen, um die man bittet, § 81g StPO. Die gesetzlichen Hürden, die grundsätzlich ein Richter prüfen muss sind (zu Recht) hoch, so dass keinesfalls vorschnell eine solche (äußerst umfangreiche!) schriftliche Einwilligungserklärung unterzeichnet, vielmehr immer auf die richterliche Entscheidung bestanden werden sollte.

Um einer Überforderung mit der Situation insgesamt vorzubeugen, sollte der Betroffene auf anwaltliche Begleitung zu einem Termin bestehen.

Löschung der Daten

Genauso unüberschaubar und schwierig wird die Situation, wenn es darum geht, die Löschung der gesammelten Daten zu betreiben, wenn z.B. das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde oder letztlich ein Freispruch des ehemals Beschuldigten im Laufe des Strafverfahrens erfolgte. Weit gefehlt ist die Annahme, die Daten würden dann automatisch wieder gelöscht oder vernichtet.

Die zum Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens gewonnenen Unterlagen (1.Alt.) werden in der Strafakte aufbewahrt, und zwar so lange wie die Akte selbst. Ihre Entfernung oder Vernichtung kann überhaupt nicht verlangt werden.

Für die erkennungsdienstlich hergestellten Unterlagen (2. Alt.) gelten einerseits die §§ 481ff. StPO. Die Löschung der nach diesen Vorschriften gespeicherten Daten regelt § 489 StPO. Wird dem Löschungsantrag nicht nachgekommen, ist der Rechtsweg zu der sog. ordentlichen Gerichtsbarkeit nach § 23 EGGVG eröffnet (BVerfG StV 07, 226 L).

Teils finden sich, da materielles Polizeirecht betroffen ist, auch einschlägige Regelungen in den Polizeigesetzen der Bundesländer. Wird die vom ehemals Beschuldigten beantragte Vernichtung dieser präventiv hergestellten Unterlagen abgelehnt (was in der Praxis regelmäßig der Fall ist), müsste hiergegen der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden.

Hubertus J. Krause

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Blatt § Kollegen

Rechtsanwälte, Schweinfurt


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