Die neuen Vertretungsregelungen in der GbR nach MoPeG. Wer ist geschäftsführungsbefugt und in welchem Umfang?

  • 8 Minuten Lesezeit

Die Neuregelung der organschaftlichen Vertretung in der GbR nach MoPeG

Das MoPeG (Modernisierungs- und Privatisierungsergänzungsgesetz) hat eine grundlegende Neuregelung der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in § 720 BGB eingeführt. Diese Neuregelung ist in partieller Übereinstimmung mit § 124 HGB für die OHG und verfolgt das Ziel, die Vertretungsbefugnisse innerhalb der GbR zu modernisieren und an die aktuellen Bedürfnisse der Praxis anzupassen.

Sie reflektieren eine moderne Auffassung von der Rolle und den Verantwortlichkeiten der Gesellschafter innerhalb einer GbR und tragen zur Klarheit und Effizienz bei der Vertretung der Gesellschaft bei.

Gleichzeitig werden über § 720 BGB gesetzliche Regelungslücken zu den vormaligen rudimentären Regelungen im BGB zur GbR geschlossen.


Neuregelung der Vertretungsbefugnis bei der GbR durch MoPeG

Die Regelung der Vertretungsbefugnis von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) wurde durch das MoPeG grundlegend neu normiert, insbesondere in § 720 BGB. 

Diese Neuregelung bildet den Kern der organisatorischen Änderungen in der Vertretung der GbR und hat weitreichende Auswirkungen auf die Struktur und Funktionsweise dieser Gesellschaftsform.

Wesentliche Aspekte der Neuregelung:

  1. § 720 Abs. 1 BGB (Grundlegende Regelung zur Gesamtvertretung): Gemäß dieser Vorschrift sind zur Vertretung der Gesellschaft alle Gesellschafter gemeinsam befugt (Gesamtvertretungsbefugnis), es sei denn, der Gesellschaftsvertrag legt eine andere Regelung fest, wie zum Beispiel Einzelvertretungsbefugnis oder eine Kombination aus Einzel- und Gesamtvertretung. Dieser Paragraph stellt den gesetzlichen Regelfall dar und unterscheidet sich damit von der Regelung für die OHG, bei der grundsätzlich die Einzelvertretungsbefugnis gemäß § 124 Abs. 1 HGB gilt.

  2. § 720 Abs. 2 BGB (Gesamtvertreterermächtigung): Dieser Absatz erlaubt es den zur Gesamtvertretung befugten Gesellschaftern, einzelne Gesellschafter zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften zu ermächtigen. Diese Regelung ermöglicht eine flexiblere Handhabung der Vertretungsverhältnisse innerhalb der GbR und trägt zur Effizienzsteigerung bei der Durchführung von Geschäften bei.

  3. § 720 Abs. 4 BGB (Entziehung der Vertretungsbefugnis): Nach dieser Bestimmung kann die Vertretungsbefugnis einem Gesellschafter ganz oder teilweise entzogen werden. Dies kann aus einem wichtigen Grund geschehen und durch einen Beschluss der anderen Gesellschafter erfolgen. Diese Regelung schafft eine Möglichkeit, auf interne Veränderungen oder Notwendigkeiten flexibel zu reagieren.

  4. § 720 Abs. 5 BGB (Passive Einzelvertretungsbefugnis): Diese Vorschrift stellt klar, dass für die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft die Abgabe gegenüber einem vertretungsbefugten Gesellschafter genügt. Dies vereinfacht die Interaktion mit der Gesellschaft und erleichtert die Abwicklung von Rechtsgeschäften.


Gesamtvertreterermächtigung nach MoPeG

Die Gesamtvertreterermächtigung nach dem MoPeG ist eine wesentliche Neuerung im Rahmen der Vertretungsregelungen für Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) und ist in § 720 Abs. 2 BGB geregelt. 

Diese Regelung ermöglicht eine flexiblere Handhabung der Vertretungsbefugnisse innerhalb der GbR und trägt zur Effizienzsteigerung in der Geschäftsführung bei.

Wesentliche Aspekte der Gesamtvertreterermächtigung:

  1. § 720 Abs. 2 BGB (Ermächtigung zur Gesamtvertretung): Laut dieser Vorschrift können die zur Gesamtvertretung befugten Gesellschafter einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Diese Ermächtigung erlaubt es dem ermächtigten Gesamtvertreter, für alle Gesamtvertreter zu handeln und somit die GbR wirksam zu vertreten. Diese Regelung dient der flexibleren Handhabung der Gesamtvertretung und ermöglicht eine effizientere Gestaltung von Geschäftsprozessen.

  2. Analogie zum OHG-Recht: Die Gesamtvertreterermächtigung in § 720 Abs. 2 BGB ist eine Nachbildung des § 125 Abs. 2 S. 2 HGB alt (§ 124 Abs. 2 S. 2 HGB), was auf eine Angleichung der Regelungen zur GbR an das OHG-Recht hindeutet. Diese Analogie trägt dazu bei, die Handhabung der Gesamtvertretungsbefugnis in der GbR zu vereinheitlichen und zu vereinfachen.

  3. Höchstpersönliche Ausübung der Vertretung: Die Regelung betont auch, dass die organschaftliche Vertretung grundsätzlich höchstpersönlich ausgeübt werden muss, wobei § 720 Abs. 2 BGB als eine "Auflockerung des Grundsatzes der Höchstpersönlichkeit" zu verstehen ist. Dies bedeutet, dass die Ermächtigung zur Gesamtvertretung eine Ausnahme von der Regel darstellt, die die Vertretungsbefugnis normalerweise an die Person des Gesellschafters bindet.

  4. Registerpublizität und Vollmachtsnachweis: Es ist zu beachten, dass die Ausübungsermächtigung analog zum OHG-Recht nicht im Gesellschaftsregister eingetragen werden kann. Dies bedeutet, dass die Ermächtigung zur Gesamtvertretung nicht öffentlich nachweisbar ist und somit im Rechtsverkehr besondere Aufmerksamkeit erfordert.

Die Gesamtvertreterermächtigung nach MoPEG stellt eine signifikante Änderung in der Handhabung der Vertretungsbefugnisse von GbRs dar. Sie ermöglicht eine flexiblere Gestaltung der Vertretungsstrukturen, was insbesondere für die effiziente Durchführung von Geschäften und die Anpassung an unterschiedliche Geschäftssituationen von Bedeutung ist.


Umfang der Vertretungsmacht nach MoPeG

Die Neuregelung des MoPeG hat wesentliche Änderungen bezüglich des Umfangs der Vertretungsmacht der Gesellschafter einer GbR mit sich gebracht. Diese Änderungen sind insbesondere in § 720 Abs. 3 BGB festgelegt und haben weitreichende Bedeutung für die Funktionsweise und das rechtliche Verständnis der Vertretung einer GbR.

Wesentliche Aspekte des Umfangs der Vertretungsmacht:

  1. § 720 Abs. 3 BGB (Umfang der Vertretungsbefugnis): Nach dieser Vorschrift erstreckt sich die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter auf alle Geschäfte der Gesellschaft. Dies bedeutet, dass die Gesellschafter grundsätzlich befugt sind, die GbR in sämtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam. Dies gilt insbesondere für die Beschränkung, dass sich die Vertretung nur auf bestimmte Geschäfte oder Arten von Geschäften erstreckt oder dass sie nur unter bestimmten Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll.

  2. Unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsbefugnis: Diese Regelung stellt eine Abkehr von der früheren Rechtslage dar, bei der eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis mit Außenwirkung möglich war, sofern sie für den Vertragspartner erkennbar war und er vor Vertragsschluss darauf hingewiesen wurde. Nun ist eine solche Beschränkung der Vertretungsbefugnis nicht mehr möglich, was die Rechtssicherheit für Dritte im Geschäftsverkehr erhöht und die Notwendigkeit der Überprüfung der Vertretungsbefugnis vor Vertragsschluss eliminiert.

  3. Allgemeine gesellschaftsrechtliche Prinzipien: Die Regelung des § 720 Abs. 3 BGB steht im Einklang mit allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Prinzipien, wie sie beispielsweise in § 124 Abs. 4 S. 2 HGB, § 82 Abs. 1 AktG, § 37 Abs. 2 GmbHG und § 27 Abs. 2 GenG zu finden sind. Diese Prinzipien zielen darauf ab, die Handlungsfähigkeit der GbR im Außenverhältnis zu sichern und den Verkehrsschutz zu gewährleisten.

  4. Keine Unterscheidung zwischen eingetragener und nicht eingetragener GbR: Es wird keine Unterscheidung zwischen der im Gesellschaftsregister eingetragenen und der nicht eingetragenen GbR gemacht, was bedeutet, dass die Regelungen zur Vertretungsbefugnis für beide Arten von GbRs gleichermaßen gelten.


Entziehung der organschaftlichen Vertretungsbefugnis nach MoPeG

Die Entziehung der organschaftlichen Vertretungsbefugnis ist eine wichtige Neuregelung im Rahmen des MoPeG und betrifft die Gesellschafter einer GbR. Diese Regelung ist in § 720 Abs. 4 BGB verankert und ermöglicht eine flexiblere Handhabung der Vertretungsverhältnisse innerhalb der GbR.

Wesentliche Aspekte der Entziehung der organschaftlichen Vertretungsbefugnis:

  1. § 720 Abs. 4 BGB (Entziehung der Vertretungsbefugnis): Nach dieser Vorschrift kann die (dispositiv angeordnete bzw. gesellschaftsvertraglich übertragene) Vertretungsbefugnis einem Gesellschafter ganz oder teilweise entzogen werden. Dies kann aus wichtigem Grund erfolgen und ist unabhängig davon, ob die Vertretungsbefugnis dem Gesellschafter durch den Gesellschaftsvertrag übertragen wurde oder nicht. Der Entzug erfolgt durch Beschluss der anderen Gesellschafter, was eine Änderung des Gesellschaftsvertrags gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters darstellen kann.

  2. Abweichung von § 124 Abs. 4 und § 116 Abs. 5 HGB: Die Entziehung der Vertretungsbefugnis nach § 720 Abs. 4 BGB weicht von den entsprechenden Regelungen im Handelsgesetzbuch (HGB) ab, da sie nicht durch ein Gestaltungsurteil erfolgt, sondern durch Beschluss der anderen Gesellschafter.

  3. Keine gleichzeitige Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis erforderlich: Im Unterschied zu früheren Rechtslagen muss die Vertretungsbefugnis nicht mehr zwingend gleichzeitig mit der Geschäftsführungsbefugnis entzogen werden. Dies bietet eine größere Flexibilität in der Handhabung von internen Organisationsstrukturen der GbR.

  4. Keine Aufkündigung der organschaftlichen Vertretungsmacht vorgesehen: Eine einseitige Niederlegung der Vertretungsmacht durch den vertretungsbefugten Gesellschafter ist nach dem MoPeG nicht vorgesehen, da anders als die Geschäftsführungsbefugnis die Vertretungsbefugnis eines Gesellschafters keine Tätigkeitspflicht begründet, deren Fortbestehen für ihn unzumutbar werden könnte.

Die gesetzlich normierte Möglichkeit der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis wird insbesondere bei einem Gesellschafterstreit relevant.


Passive Einzelvertretungsbefugnis nach MoPeG

Die passive Einzelvertretungsbefugnis ist eine wichtige Neuerung im Rahmen des MoPeG, die in § 720 Abs. 5 BGB geregelt ist. Sie betrifft die Art und Weise, wie Willenserklärungen gegenüber einer GbR abgegeben werden können.

Wesentliche Aspekte der passiven Einzelvertretungsbefugnis:

  1. § 720 Abs. 5 BGB (Abgabe von Willenserklärungen): Diese Vorschrift regelt, dass für die Abgabe einer Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft die Abgabe gegenüber einem (jeden) vertretungsbefugten Gesellschafter genügt. Diese Regelung stellt eine Vereinfachung im Rechtsverkehr dar, da sie es ermöglicht, dass Willenserklärungen gegenüber der GbR wirksam abgegeben werden können, ohne dass alle Gesellschafter erreicht oder involviert werden müssen.

  2. Nachbildung des HGB: § 720 Abs. 5 BGB ist in Nachbildung von § 125 Abs. 2 S. 3 HGB alt (entsprechend § 124 Abs. 6 HGB neu) formuliert. Diese Analogie zum Handelsgesetzbuch trägt zur Vereinheitlichung der Regelungen zwischen verschiedenen Gesellschaftsformen bei und erleichtert die Anwendung und das Verständnis der Regelungen im Geschäftsverkehr.

  3. Vereinfachung des Geschäftsverkehrs: Die passive Einzelvertretungsbefugnis vereinfacht die Interaktion mit der Gesellschaft, insbesondere in Situationen, in denen eine schnelle und unkomplizierte Kommunikation erforderlich ist. Durch die Möglichkeit, Willenserklärungen gegenüber einem einzelnen vertretungsbefugten Gesellschafter abzugeben, wird der Prozess der Rechtsgeschäftsabwicklung effizienter gestaltet.

  4. Keine Registerpublizität: Diese Regelung ist insbesondere für nicht im Gesellschaftsregister eingetragene GbRs relevant, da in solchen Fällen die Vertretungsbefugnis nicht öffentlich nachgewiesen wird. Die passive Einzelvertretungsbefugnis reduziert somit die Notwendigkeit, die Vertretungsbefugnis in jedem Einzelfall zu prüfen oder nachzuweisen.


Fazit

Das MoPeG hat zu einer erheblichen Modernisierung und Flexibilisierung der Vertretungsbefugnisse in einer GbR geführt. 

Durch die neuen Regelungen wird die Handhabung der Vertretungsbefugnisse vereinfacht und an die Bedürfnisse der Praxis angepasst, wobei gleichzeitig der Schutz von Dritten im Rechtsverkehr gewährleistet bleibt.

Gleichzeitig gibt es auch für die Gesellschafter klare Orientierungs- und Regelungspunkte im Gesetz, welche insbesondere die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und die passive Einzelvertretungsbefugnis regeln.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und vertrete durchsetzungsstark und resolut auch Ihre Interessen ggü. der Gesellschaft, den (Mit)Gesellschaftern und der Finanzbehörde. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch oder schreiben Sie mich an.

Ich berate bundesweit vor Ort oder via Zoom als Fachanwalt in den Rechtsgebieten Gesellschaftsrecht, Steuerrecht und Insolvenzrecht, insbesondere in den Städten und Großräumen um Stuttgart, Heilbronn, Karlsruhe, Freiburg, Ulm, Augsburg, München, Frankfurt, Wiesbaden, Saarbrücken, Kaiserslautern, Bonn, Wuppertal, Duisburg, Nürnberg, Münster, Saarbrücken, Düsseldorf, Köln, Dortmund, Hannover, Kassel, Leipzig, Dresden, Bremen, Hamburg und Berlin.



#MoPeG #eGbR #GbR #nichtrechtsfähigeGbR #rechtsfähigeGbR #EintragungHandelsregisterGbR #EintragungTransparenzregisterGbR #Gesellschaftsregister #Personengesellschaft #GbR #OHG #KG #GmbH&CoKG #Gesellschafter #Gesellschaftsvertrag #Gesellschafterstreit #FachanwaltGesellschaftsrecht #FachanwaltHandelsrecht #FachanwaltSteuerrecht #FachanwaltInsolvenzrecht #Rechtsanwalt #Anwalt #Spezialist #Fachanwalt #GesetzzurModernisierungdesPersonengesellschaftsrechts #RechtsanwaltGbR-Recht #RechtsanwaltGbR #FachanwaltGbR #GbRRecht #RechtsberatungGbR #AußenGbR #InnenGbR #Gesellschaftsrecht #GbRHaftung #GeschäftsführungGbR #GbRVertrag #GbRGründung #GbRRechtsform #LegalAdviceGermany #GbRVertretung #GbRProzessfähigkeit #GesellschafterHaftung #Unternehmensrecht #GbRReform #Rechtsanwaltskanzlei #BusinessLawGermany #GbRPartnerschaft #RechtsberatungUnternehmen #GbRGeschäftspartner #RechtssicherheitGbR #GbRRechtsstreit #GbRRechtsberater #KanzleiGbR #GbRRechtstipps #GbRRecht #MoPeG2023 #Vertretungsbefugnis #GbRVertretung #Gesellschaftervertretung #Vertretungsrecht #GbRVertretungsbefugnis #GbREinzelvertretung #GbRGesamtvertretung #GbREntzugGeschäftsführungsbefugnis #GbREntzugGeschäftsführung

Foto(s): Dr. Holger Traub generiert über Midjourney

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. iur. Holger Traub - Dipl. Kfm.

Beiträge zum Thema