Die Rechtsprechung zum Verfall des Urlaubsanspruches im Wandel

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Bundesarbeitsgericht (BAG) haben in der jüngeren Vergangenheit mehrere Entscheidungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen getroffen. Diese Entscheidungen haben erhebliche Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen.

Gemäß § 7 Abs. (3) BUrlG verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch zum 31.12. des jeweiligen Jahres, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe oder Gründe in der Person des Arbeitnehmers vorliegen, die eine Übertragung in das nächste Jahr rechtfertigen. Liegen diese vor, verfallen die Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr spätestens zum 31.03. des Folgejahres. § 7 Abs. (3) BUrlG hat jedoch durch die Rechtsprechung erhebliche Einschränkungen erfahren.

So hat der EuGH bereits Anfang 2009 entschieden, dass Urlaub nicht infolge langer Krankheit verfallen darf (EuGH, Urteil vom 20.01.2009, C-350/06 - Schultz-Hoff).

Das BAG hat mit Urteil vom 24.03.2009, 9 AZR 983/07 diese EuGH-Vorgabe durch eine geänderte Auslegung von § 7 Abs. (3) BUrlG zunächst so umgesetzt, dass bei jahrelanger Krankheit der Urlaubsanspruch des erkrankten Arbeitnehmers nicht mehr zum 31. März des Folgejahres verfällt, sondern immer weiter anwächst.

Um bei Langzeiterkrankungen ein völlig unbegrenztes Anwachsen von Urlaubsansprüchen zu verhindern, entschied der EuGH jedoch sodann Ende 2011, dass die Anwachsung auf 15 Monate begrenzt werden kann, vorausgesetzt, es gibt eine entsprechende nationale Rechtsvorschrift oder tarifliche Regelung, die den Verfall der Urlaubsansprüche nach dieser Zeit vorsieht (EuGH, Urteil vom 22.11.2011, C-214/10 - KHS gg. Schulte).

Dieser Aufforderung kam das BAG daraufhin mit Urteilen vom 07.08.2012, 9 AZR 353/10 und 18.09.2012, 9 AZR 623/10 nach und begrenzte die Anwachsung des Urlaubsanspruchs bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern auf 15 Monate.

Mit Urteil des EuGH vom 06.11.2018 – C-684/16 wurde zusätzlich festgestellt, dass den Arbeitgeber die Initiativlast zur Gewährung von Urlaub trifft. Dem schloss sich das BAG mit Urt. vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 an und beschloss, dass der Arbeitgeber nachweisen müsse, dass er seine Mitarbeiter angemessen aufgeklärt und in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen.

Die Rechtsfolge hiervon war, dass der Urlaub nicht mehr automatisch verfällt, sondern der Arbeitgeber auf den drohenden Urlaubsverfall hinweisen muss.

Mit der aktuellen Entscheidung des BAG v. 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 sorgen die höchsten deutschen Arbeitsrichter*innen für eine nochmalige Modifikation, indem Sie entschieden, dass selbst die Verjährungsvorschriften nach §§ 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) keine Grenze mehr darstellen, wenn ein solcher Hinweis nicht erfolgt. Arbeitnehmer können daher selbst Urlaubsansprüche geltend machen, die über drei Jahre zurückliegen.

Diese Entscheidungen haben wichtige Auswirkungen auf die Pflichten von Arbeitgebern, insbesondere in Bezug auf die Aufzeichnung und Erinnerung von Arbeitnehmern an ihre Urlaubsansprüche.

Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass sie die Regelungen zum Urlaub und zum Ablauf von Urlaubsansprüchen in ihren Arbeitsverträgen und -richtlinien aktualisieren, um sicherzustellen, dass sie den Entscheidungen des EuGH und des BAG entsprechen.

Sie sollten auch sicherstellen, dass sie Arbeitnehmer künftig rechtzeitig, nachweisbar und schriftlich bzw. in Textform dazu auffordern ihren Urlaub zu nehmen, um hohe Entschädigungszahlungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.

Arbeitgeber sollten sich zudem über die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet informieren und bei Zweifeln an der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen Rechtsexperten zu Rate ziehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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