Die wahren Kosten einer „Online-Scheidung“ – Möglichkeiten der Verfahrenskostenhilfe

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Viele haben im Falle einer Trennung – neben den sonstigen Problemen und Schwierigkeiten – die Befürchtung, dass das Scheidungsverfahrens sie viel Geld kosten wird und wenden sich daher Versprechungen verschiedener Anbieter im Internet zu, welche kostengünstige „Online-Scheidungen“ anbieten.

Ein Klick – Unterlagen hochladen – Scheidungsantrag – fertig!

Warum sich dennoch ein Blick hinter die Fassade lohnt will ich mit folgendem Rechtstipp aufzeigen.

Die Kosten eines Scheidungsverfahrens richten sich nach den gesetzlichen Gebühren – sofern die Beteiligten (also Mandant und RA) kein höheres Honorar als dieses vereinbart haben.

Eine Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren durch Vereinbarung zwischen Mandant und RA ist jedoch gem. § 4 RVG lediglich für eine außergerichtliche Tätigkeit zulässig. Vielmehr hat die vereinbarte Vergütung auch dann in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu stehen.

Eine Herabsetzung der gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren ist jedoch nicht zulässig. Dies soll gerade Lohn-Dumping unter den Anwälten verbieten.

Dies hat zur Folge, dass auch der im Rahmen eines als besonders „schnell“ und „günstig“ betitelten Online-Scheidungsverfahrens tätige Rechtsanwalt nach Beendigung desselben ebenso die gesetzlichen Gebühren abrechnen werden wird, wie ein in seiner Kanzlei aufgesuchter und beauftragter Rechtsanwalt.

Die von den Eheleuten erhoffte Einsparung tritt vielmehr gerade nicht ein!

Was im Rahmen einer „Online-Scheidung“ im Verhältnis zum Beratungstermin bei einem im Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt jedoch gerade fehlt, ist die Beratung über die mit der Trennung und Scheidung einhergehenden oder entstehenden Ansprüche oder Rechte.

Viele Mandanten sind sich über ihre Ansprüche oder deren Höhe, z.B. auf Unterhalt, Zugewinnausgleich, insbesondere aber auch des Versorgungsausgleichs, gar nicht bewusst.

So kann in jedem der Teilbereiche der Scheidungsfolgen gerade die Beratung durch einen Rechtsanwalt die Kenntnis von Ansprüchen erst begründen oder aber auch über die Risiken und Probleme der ansonsten durchgeführten Folgen aufklären.

Die versprochene „schnelle“ Scheidung ist nämlich nicht immer im Interesse eines jeden der Ehepartner.

Das Trennungsjahr wurde seitens des Gesetzgebers gerade deshalb eingeführt, um vorschnelle, absolute Regelungen der Eheleute zur Auseinandersetzung zu vermeiden.

Der Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrages unter (im Rahmen der Praxis annähernder) Wahrung des Trennungsjahres hat dabei besondere Bedeutung sowohl für den Zugewinnausgleich als auch für den Versorgungsausgleich.

  • So legt der Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrages das Endvermögen des Zugewinns fest, welches die Berechnung beeinflusst.

Ein verfrühter Scheidungsantrag kann daher aufgrund der unterbliebener eigentlichen Berücksichtigung der im Rahmen des Trennungsjahres noch erfolgenden Wertsteigerungen zu Einbußen der Ansprüche führen.

  • Selbiges gilt im Versorgungsausgleich. Der Ausgleich der Rentenanwartschaften wird auf die während der Ehezeit erworbenen Anrechte begrenzt.

Die Ehezeit endet gem. § 3 VersAusglG mit dem Ende des Monats, welches der Zustellung des Scheidungsantrages vorausgeht.

Ein verfrühter Scheidungsantrag führt daher ggf. auch zu einer Verkürzung der hälftigen Anteilnahme aller während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Rentenzahlungen.

Dies kann zu Einbußen im Rentenalter führen.

  • Zuletzt endet mit der schnellen Rechtskraft des Scheidungsverfahrens auch ein ggf. vorhandener Trennungsunterhaltsanspruch.

Ein ggf. bestehender nachehelicher Unterhaltsanspruch muss neu geltend gemacht werden.

Dieser unterscheidet sich in seiner Berechnung sowie in der zu beweisenden und notwendigen Anspruchsgrundlage deutlich vom Trennungsunterhaltsanspruch.

Auch insoweit kann ein Abwarten des Trennungsjahres von Bedeutung sein.

Wir empfehlen daher immer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes, der im Familienrecht schwerpunktmäßig tätig ist, für Ihr Scheidungsverfahren.

Dies, da eine versprochene Einsparung von Kosten durch sog. „Online-Scheidungen“ gerade nicht eintreten wird.


Eine echte Möglichkeit der Einsparung der Kosten für ein Scheidungsverfahren kommt nur zugute, wenn Sie der Antragsgegner eines Scheidungsverfahrens sind.

Dieser benötigt für die bloße Zustimmung zur Scheidung keinen Rechtsanwalt.

Im Rahmen der gesetzlichen Kostenfolge im Scheidungsverfahren, der Kostenaufhebung, führt dies dazu, dass die Kosten des einen notwendigen Rechtsanwaltes der andere Ehegatte bezahlt und Ihrerseits lediglich die hälftigen Koten für das Gericht bezahlt werden müssen.

Obige Konstellation wird von vielen Ehepaaren dahingehend genutzt, dass in Fällen sog. unstreitiger Scheidungen (nur Scheidung und Versorgungsausgleich) die Ehegatten im Voraus (am besten schriftlich!) vereinbaren, dass auch die Kosten des einen notwendigen Rechtsanwaltes hälftig geteilt werden sollen.

So kann eine echte Ersparnis in Höhe von 50% der gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwaltes im Scheidungsverfahren herbeigeführt werden.

Eine Vertretung beider Ehegatten durch den einen Rechtsanwalt wird aufgrund des berufsrechtlichen Verbots der widerstreitenden Interessensvertretung jedoch dennoch nicht möglich.

Eine solche Regelung ist daher nur im Falle absolut, unstreitiger Scheidungen möglich und empfehlenswert.


Die gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwaltes richten sich grds. nach dem Streitwert. 

Dieser wird abschließend am Ende des Verfahrens durch den Richter bestimmt.

Der Streitwert richtet sich für die Scheidung selbst nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien.

  • Einkommensverhältnisse

Die Nettoeinkommen beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Antragstellung wird zusammengerechnet.

Dann wird ein Abschlag in Höhe von 250,00 € für jedes minderjährige Kind vorgenommen

Der sich so ergebende Wert wird mit * 3 multipliziert.

  • Vermögensverhältnisse

Vereinfacht wird das Reinvermögen der Ehegatten zusammengerechnet. Freibeträge in Höhe von jeweils 60.000,00 € pro Ehegatte und je 30.000,00 € pro minderjährigem Kind werden abgezogen.

Von der so noch vorhandenen Summe werden 5% berechnet.

Diese beiden Werte ergeben den Streitwert der Scheidung selbst.


Wird ein Versorgungsausgleich durchgeführt, ist auch dessen Wert zu bestimmen.

Dieser richtet sich nach dem Wert der monatlichen Erwerbsverhältnisse der Ehegatten (ohne Abzug für die Kinder). 10% der gemeinsamen monatlichen Netto-Einkünfte für jedes zu teilende Anrecht.

Mind. jedoch (d.h. auch im Falle eines Ausschluss des VA) 1.000,00 €.

All diese Werte ergeben den gerichtlichen Streitwert, anhand dem sich die gesetzlichen Gebühren für Rechtsanwalt und Gericht berechnen lassen.


Hierzu sind die in RVG und FamGKG jeweils in Anlage 2 enthaltenen Gebührentabellen zu benutzen, aus welchem sich die Höhe für eine 1,0 Gebühr des jeweiligen Streitwerts entnehmen lassen.

Ein Rechtsanwalt erhält für eine Vertretung im Scheidungsverfahren insgesamt:

  • 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100, 1008 VV RVG
  • 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG
  • Postpauschale Nr. 1003 f. VV RVG (max. 20 €)
  • Sonstige Auslagen für Anreise und Abwesenheit Nr. 7000 u. 7003 ff. VV RVG
  • Zzgl. ges. MwSt in Höhe von 19%

Für das Gericht fallen 2,0 Gerichtsgebühren an.


Bei beengten finanziellen Verhältnissen besteht zudem die Möglichkeit Verfahrenskostenhilfe (VKH) in Anspruch zu nehmen.

Wird VKH gewährt, rechnet der Rechtsanwalt seine Gebühren zunächst gegenüber der Staatskasse ab. Auch die Gerichtskosten werden durch den Staat bezahlt.

Entgegen der weitverbreiten Meinung ist die VKH jedoch kein Geschenk des Staates, sondern eher ein Darlehen.

Wird VKH ohne die Auferlegung von Raten gewährt und verändert sich dieser Umstand für vier Jahre nach Abschluss des Verfahrens nicht, besteht die Möglichkeit des Erlasses der bestehenden Schulden.

Wird zu Beginn oder nachträglich (aufgrund Veränderung der wirtschaftlichen Umstände) die Zahlung von Raten auferlegt, sind diese monatlich zu leisten.

Gelingt die Rückzahlung der Verfahrenskosten nicht innerhalb von vier Jahren, besteht die Möglichkeit des Erlasses der noch bestehenden Schulden.

Auch so wird gewährleistet, dass selbst bei beengten finanziellen Verhältnissen, die Verfahrenskosten nicht sofort als Vorschuss entrichtet werden müssen.


Zusammenfassend empfehlen wir zur umfassenden Beratung über Ansprüche und Pflichten im Rahmen von Trennung und Scheidung die Hinzuziehung eines im Familienrecht spezialisierten Rechtsanwaltes.

Dies sollte aufgrund örtlicher Besonderheiten des Familienrechts, jedoch vor allem bei Beantragung von VKH ein im Gerichtsbezirk des zuständigen Familiengerichts niedergelassener Anwalt sein.

Sollten Sie an einer Tätigkeit unserer Kanzlei im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung interessiert sein, können Sie über 08232/809 25-0 sowie info@kanzlei-haas.de einen persönlichen Termin für eine Beratung vereinbaren.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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