Notwendigkeit eines Testaments nach Scheidung und Wiederheirat – Patchwork-Edition

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Mit der Zunahme von Scheidungen und Patchwork-Konstellationen durch Wiederheiraten treten im Falle des Todes durch die gesetzlichen Vorschriften erbrechtliche Folgen ein, die häufig nicht im Interesse des Erblassers stehen.

So kann es vorkommen, dass

  • nicht nur je nach Reihenfolge des Versterbens Stiefkinder letztendlich Vermögenswerte an Stelle der eigenen Kinder erhalten,
  • auch ist es die regelmäßige rechtliche Folge, dass der Expartner nicht nur für minderjährige Kinder deren Erbe bis zur Volljährigkeit verwaltet, auch ist der Expartner als Elternteil der Kinder mangels etwaiger Abkömmlinge der Kinder ohne testamentarische Regelung Erbe der Kinder.


In allen Fällen kommt es am Schluss dazu, dass Personen das Vermögen des Erblassers erhalten, die mit diesem nicht in verwandtschaftlicher Beziehung stehen, oder deren Begünstigung nicht seinem Interesse steht.

Um diese Folgen zu vermeiden bieten sich verschieden Konstellationen an.


1. Wiederheirat des Geschiedenen mit jeweils vorhandenen Kindern aus erster Ehe beider Eheleute


Beispiel:

Ein Ehepaar ist jeweils in 2. Ehe verheiratet und hat jeweils ein Kind aus erster Ehe, jedoch keine gemeinsamen Kinder. Die Frau verfügt über ein Vermögen über 200.000,00 €, der Ehemann über 600.000,00 €.


Ohne testamentarische Regelung hängt die Erbfolge und der Erbanteil der Kinder von der Reihenfolge des Versterbens der Eheleute ab.

  • Verstirbt die Ehefrau zuerst, erben der Ehemann und das Kind der Ehefrau jeweils zu 1/2, d.h. jeweils 100.000,00 €.

Verstirbt der Ehemann wird dieser ohne testamentarische Regelung ausschließlich von seinem Kind beerbt. Zur Erbmasse gehören dann dessen 600.000,00 € sowie die 100.000,00 €, die von der Ehefrau geerbt wurden.

Das Kind der Ehefrau hat kein Anrecht auf das Erbe mehr, da keine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Ehemann bestehen.

  • Stirbt der Ehemann zuerst sieht die Situation für seine Kinder noch schlimmer aus.

Verstirbt dieser werden die Ehefrau und das Kind des Ehemanns Erben zu je 1/2, d.h. sie erben jeweils 300.000 €. Verstirbt die Ehefrau im Anschluss wird diese ausschließlich durch ihr Kind beerbt.

Das Kind des Ehemanns hat mangels verwandtschaftlicher Beziehungen kein Erbrecht nach seiner Stiefmutter, sodass letztendlich ein Großteil des Vermögens des Ehemanns bei den Kindern seiner 2. Ehefrau landet und nicht bei seinen eigenen Kindern.


Im Ergebnis profitieren die Kinder des Längerlebenden von den Vermögenswerten beider Ehegatten.


Egal, ob nunmehr eine

  • Gleichbehandlung aller Kinder
  • Bevorzugung nur gemeinsamer Kinder
  • Versorgung nur der jeweils eigenen Kinder

gewünscht wird, in jedem Falle sollte dies testamentarisch geregelt werden. Pauschale Lösungen, wie insbesondere aus dem Internet zu erhalten sind dabei meist infolge der individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen weder zielführend, noch streitlösend.

Insbesondere unklare Aussagen wie „unsere Kinder“ sind dabei anhand des Sprachgebrauchs der Erblasser auszulegen und gerade nicht eindeutig, wodurch erbrechtliche Streitigkeiten entstehen können.


Vorzuziehen sind daher klare Gestaltungen auf die Ausgestaltung der erbrechtlichen Folge.

Hierbei gibt es verschiedene Konstellationen, in denen der überlebende Ehepartner abgesichert werden kann, ohne dass das Erbe im Nachhinein an dessen alleinige Kinder fällt.

In Betracht kommen hier je nach Art der Vermögenswerte u.a. Vermächtnislösungen mit Pflichtteilsstrafklauseln oder Vor- und Nacherbschaften.

Von großer Bedeutung sind auch die sog. Wechselwirkungen gemeinschaftlicher (sog. „Berliner“-Testamente). Werden in diesen im Gegenzug an die Alleinerbenstellung des überlebenden Ehepartners gemeinsame Regelungen für das Versterben des Längerlebenden getroffen, so sind diese grds. rechtlich bindend und können nach dem Tod des Erstversterbenden Ehepartners nicht geändert werden.


2. Erbfolge bei Scheidung und Tod


a) Vertretung eines Kindes durch den Expartner


Beispiel:

Die Eheleute lassen sich scheiden. Sie haben ein gemeinsames minderjähriges Kind. Der Vater des Kindes verstirbt ohne neu geheiratet zu haben oder andere Kinder zu hinterlassen.


Erbe des Vaters ist infolge der Scheidung das minderjährige Kind allein.

Dieses ist als minderjähriges Kind jedoch rechtlich nicht in der Lage sein Vermögen selbst zu verwalten.

Die Verwaltung des Vermögens wird daher durch die Mutter, d.h. die Exfrau des Erblassers als gesetzlicher Vertreter mit dann alleinigem vorgenommen. D.h. der Exfrau des Erblassers obliegt von jetzt auf gleich die Verwaltung und Verfügung über das Vermögen des Exmannes bis zur Volljährigkeit der Kinder mit der einzigen Einschränkung, dass dieses im Sinne des Kindes verwaltet werden muss. Nur im Falle einzelner Geschäfte (z.B. Grundstücksgeschäfte) besteht keine Vertretungsmacht und es muss für Verfügungen das Einverständnis des Familiengerichts eingeholt werden.

Diese Rechtsfolge ist im Interesse der wenigsten geschiedenen Ehepartner mit gemeinsamen minderjährigen Kindern und noch wenigeren ist diese bekannt.


Hier kann eine entsprechende Vorsorge zu Lebzeiten durch den Geschiedenen Abhilfe schaffen.

Nicht geeignet ist es hier, den neuen Partner oder einen Dritten als Vormund des Kinds zu bestimmen. Das gesetzliche Sorgerecht steht grds. beiden Elternteilen gemeinsamen bzw. nach dem Vorversterben eines Elternteils dem anderen allein zu. Dieser kann dann über die Vormundschaft über das Kind auch allein entscheiden. Eine entsprechende Regelung zur Einsetzung eines anderen Vormunds hat also nur dann Erfolg, wenn der überlebende Elternteil nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist und die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspricht.

Möglich ist jedoch die Entziehung der sog. Vermögenssorge für das Kind über das vererbte Vermögen vom anderen Elternteil und dessen Übertragung auf einen Pfleger. Als verantwortlicher Pfleger kann jede Person benannt werden.

Die Verfügungsmacht als Vertreter über das vererbte Vermögen kann so verhindert werden.


b) Erbschaft nach dem Kind


Ist das Kind Erbe seines Vaters geworden und verstirbt nun selbst ohne Abkömmlinge hinterlassen zu haben oder bevor es selbst testamentarische Regelungen treffen konnte, wird dieses Kind grds. durch seine gesetzlichen Erben beerbt.

Zum Nachlass gehört dann auch die vorherige Erbschaft nach dem Vater.


Erbe wird (soweit nicht andere Abkömmlinge des vorverstorbenen Vaters vorhanden sind) die Mutter, d.h. die Exfrau des Erstverstorbenen Exmannes allein.

Diese wiederum wird auch beerbt durch einen ggf. vorhandenen Ehemann in 2. Ehe sowie weitere einseitige Kinder.


Im Ergebnis gelangt somit bei entsprechendem Zusammenfallen und zeitlichem Ablauf von Todesfällen Vermögen eines Ehepartners nach Scheidung an den Expartner sowie dessen Verwandte, die mit dem ursprünglichen geschiedenen Ehepartner in keiner verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehung stehen.


Häufig ist selbst bei einer entsprechenden vorhandene Regelung in ihrer Wirksamkeit davon abhängig in welchem zeitlichen Ablauf die Todesfälle stattfinden.

Zur Vermeidung ungewollter erbrechtlicher Folgen sollte daher eine testamentarische Regelung für verschiedenste Konstellationen getroffen werden.


In Betracht kommen auch hier vor allem Gestaltungen der Vor- und Nacherbschaft, in der bestimmt wird, wer im Falle des weiteren Versterbens des Kindes, Erbe des Vermögens des vorverstorbenen Vaters wird.



3. Erbfolge zur Absicherung des Stiefkindes oder nicht verheirateten neuen Lebenspartners


Eine weitere regelungsbedürftige Situation ist die Absicherung des Stiefkindes, welches nicht adoptiert wurde.


Ohne rechtliche Beziehung zum Stiefelternteil hat das Stiefkind grds. keine erbrechtliche Stellung und damit weder ein Erb- noch Pflichtteilsrecht.


Um eine Begünstigung des ggf. als „eigenes Kind“ großgezogenen Stiefkindes vor etwaigen weit entfernten Verwandten sicherzustellen ist somit eine testamentarische Regelung notwendig, sofern nicht sofort eine (Volljährigen-)Adoption angestrebt wird.

Soweit bei einer Volljährigen-Adoption Verwandtschaftsverhältnisse zu den biologischen Elternteilen des Kindes nicht erlöschen, ist jedoch auch hier ggf. Vorsorge für das nachfolgende Versterben des Kindes zu treffen, um zu verhindern, dass Vermögen an den ggf. ungeliebten biologischen Elternteil des Kindes fließt.

Insbesondere bei nicht involvierten Elternteilen (sog. „Zahlväter“), z.B. aus One-Night-Stands, kann es so zu ungewollten rechtlichen Folgen im Falle eines nachfolgenden Versterbens des bedachten Stiefkindes kommen.



Ein ähnliches Regelungsbedürfnis entsteht bei der Absicherung des nichtehelichen Partners des Erblassers.

Ohne Heirat hat dieser grds. nach dem Tod kein Erbrecht und damit keinerlei Anteil am Nachlass.

Dies zu ändern erfordert auch hier eine konkrete testamentarische Regelung.


Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollte auch hier genau auf die Formulierung geachtet werden. Z.B. hinsichtlich der Frage, ob die Erbeinsetzung auch Ersatzweise für etwaige Abkömmlinge des Lebenspartners geltend soll, da es im deutschen Recht keine entsprechende Vermutungsregel gibt.

Allgemein gilt, je klarer das Testament desto besser.


Im Ergebnis wird deutlich, dass Patchwork-Konstellationen durch die gesetzlichen Rechtsfolgen zu meist ungewollten Ergebnissen führen.

Deren Vermeidung erfordern fast immer eine Verfügung von Todes wegen, d.h. ein Testament oder einen Erbvertrag.


Gerne beraten und vertreten wir Ihre Interessen durch Erläuterung der gesetzlichen Erbfolge ohne testamentarische Regelung sowie der zur Sicherstellung gewünschter erbrechtlicher Folgen notwendigen Gestaltung im Rahmen der der Gestaltung eines alleinigen oder gemeinschaftlichen Testaments.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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