Kindesunterhalt in Patchwork-Familien
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Mit der Zunahme von Scheidungen und Wiederheiraten hat auch die Anzahl von Patchwork-Familien zugenommen.
D.h. Familien, in denen sowohl einseitige als auch gemeinsame Kinder vorliegen.
Unterhaltsrechtlich ergeben sich hieraus eigene Probleme.
1. Rangfolge von Unterhaltsberechtigten
Entscheidend für die Lösung von Patchwork-Konstellationen ist vor allem der Rang von Unterhaltsberechtigten nach § 1609 BGB.
Es folgen aufeinander:
- Minderjährige Kinder und ihnen gleichgestellte Volljährige, d.h. Kinder bis 21. Jahren, die im Haushalt eines Elternteils wohnen und noch in der allgemeinen Schulausbildung sind,
- Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären,
- Sonstige Ehegatten und geschiedene Ehegatten,
- Volljährige Kinder, die nicht minderjährigen Kindern gleichgestellt werden,
- Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
- Eltern,
- weitere Verwandte der aufsteigenden Linie.
Die Frage ist vor allem dahingehend zu berücksichtigen, wenn die finanziellen Möglichkeiten nicht zur Deckung aller Berechtigten ausreichen, d.h. der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig für alle Unterhaltsansprüche ist. Vorrangige Unterhaltspflichten werden zuerst befriedigt.
Die Frage des Patchwork ist im Hinblick auf die Kinder jedoch nur von nachrangiger Bedeutung, in dem jedes Kind eigenständig auf seinen Rang überprüft wird.
Minderjährige Kinder aus 1. Ehe stehen minderjährigen Kindern aus 2. Ehe damit im Rang gleich.
Auswirkungen im Rahmen von Patchwork-Familien ergeben sich vor allem beim Hinzutreten eines 2. Ehepartners sowie dem Eintritt der Volljährigkeit der Kinder aus 1. Ehe.
So erhält z.B. die 2. Ehefrau, die die gemeinsamen Kinder betreut, vor dem bereits volljährigen Kind aus 1. Ehe, welches in der Berufsausbildung ist, Unterhalt, da diese im Rang dem Volljährigen Kind vorgeht.
Auch im Rahmen des Zusammenlebens mit dem Unterhaltspflichtigen in einem Haushalt und somit fehlenden tatsächlichen Geldzahlungen seitens des Unterhaltspflichtigen an seine 2. Ehefrau, wird der ihr zustehende Unterhaltsbetrag vorrangig vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgezogen, bevor dessen Leistungsfähigkeit überprüft wird.
2. Unterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern
Die Unterhaltspflichten eines Elternteils gegenüber minderjährigen Kindern werden durch die Wiederheirat eines Elternteils grds. nicht berührt.
Der nicht betreuende Elternteil hat noch immer eine erhöhte Erwerbsobliegenheit, um den vorrangigen Kindesunterhalt sicherzustellen.
a) Wiederheirat/ neue Partnerschaft des barunterhaltspflichtigen Elternteils
Verletzt der barunterhaltspflichtige Elternteil seine Erwerbsobliegenheiten gegenüber seinen minderjährigen Kindern, wird diesem das erzielbare Erwerbseinkommen fiktiv angerechnet und hieraus der Unterhalt für die Kinder berechnet.
Die Wiederheirat hat hierauf keine Auswirkung, da der neue Ehepartner im Rang den Kindern nachfolgt.
Auswirkungen der Heirat ergeben sich vor allem im Hinblick auf fehlende Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Vaters.
Ist der Vater nicht leistungsfähig ohne seine Erwerbsobliegenheiten gegenüber den Kindern zu verletzen, so kann dessen Selbstbehalt durch Ansprüche gegenüber dem neuen Ehepartner gedeckt sein.
Ehepartner haben gegeneinander Anspruch auf sog. Familienunterhalt. Ein solcher besteht zwar nicht als Geldzahlung, deckt aber den eigenen Bedarf.
Im Ergebnis verringert sich der gegenüber dem Kind bestehende Selbstbehalt um den sich ergebenden Familienunterhalt innerhalb der Ehe, sodass ggf. über dem verringerten Selbstbehalt liegendes Einkommen wieder für Unterhaltszahlungen frei wird.
Daneben kommen gegenüber Ehepartnern auch Ansprüche auf Taschengeldzahlungen in Geld gegenüber dem anderen Ehegatten in Betracht, die gegenüber Kindern für Unterhaltszahlungen benutzt werden müssen.
Lebt der unterhaltspflichtige Elternteil nur in einem nichtehelichen gemeinsamen Haushalt mit seiner neuen Partnerin, bestehen keine Ansprüche auf Familienunterhalt. Ausschließlich Haushaltsersparnisse infolge des gemeinsamen Haushalts werden im Rahmen des Selbstbehalts berücksichtigt.
b) Wiederheirat/ neue Partnerschaft des betreuenden Elternteils
Die Wiederheirat hat keine Auswirkungen auf die Erfüllung der Betreuung des Kindes durch die Kindsmutter.
Durch den gemeinsamen Haushalt des Kindes mit dem neuen Partner der Mutter tritt jedoch keine Bedarfsdeckung des kindlichen Bedarfs ein.
Leistungen, die der neue Partner ggf. auch für das Kind erbringt, z.B. Bezahlen von Lebensmitteln, Kleidung, Urlaub etc., sind freiwillige Leistungen eines Dritten, die unterhaltsrechtlich keinen Bedarf decken.
Die Unterhaltspflicht des barunterhaltspflichtigen Vaters wird dadurch also nicht verringert.
Soweit die Mutter infolge der Betreuung selbst keine Barunterhaltspflicht mehr hat, ergeben sich dadurch gegenüber Minderjährigen keine Unterscheidung zur vorherigen Situation.
c) Bisher barunterhaltspflichtiger Elternteil betreut in der neuen Partnerschaft/ Ehe ein gemeinsames Kind (sog. Hausmannrechtsprechung – gilt aber auch für Mütter)
Minderjährige Kinder haben immer den gleichen Rang.
Für die Frage der Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind aus 1. Ehe ist die Frage der Rollenverteilung in der 2. Ehe daher nur im Ausnahmefall beachtlich.
D.h. die Eheleute können die Rollenverteilung zwar grds. frei bestimmen, dies jedoch nicht zu Lasten des Kindes aus 1. Ehe. Dieses muss sich die Haushaltstätigkeit des Vaters also nicht automatisch gefallen lassen.
Der BGH führt hierzu seit 25 Jahren aus:
„Ein seinen Kindern aus erster Ehe barunterhaltspflichtiger Elternteil darf aus unterhaltsrechtlicher Sicht in einer neuen Ehe nur dann die Haushaltsführung und Kindesbetreuung übernehmen, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall den Rollentausch rechtfertigen.“
Es handelt sich daher um einen Ausnahmefall mit strengen Anforderungen. Die Aufgabe der Rollenverteilung muss also unzumutbar sein. Bejaht wurde die Billigkeit des Rollenwechsels u.a. für
- wesentlich höheres Einkommen des berufstätigen Partners
- fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten durch Dritte
- sonstige Gründe von gleichem Gewicht mit erkennbarem Vorteil, z.B. Freistellungsmöglichkeiten von Beamten oder Rückkehr nach Elternzeit im öffentlichen Dienst
Beweispflichtig ist der bisher barunterhaltspflichtige Vater, der nunmehr die Kinderbetreuung übernehmen will.
Wird die Billigkeit des Rollenwechsels bejaht, heißt dies nicht, dass kein Kindesunterhalt geschuldet wird.
So kann u.a. sowohl auf den Taschengeldanspruch gegenüber dem neuen Ehegatten zugegriffen werden, als auch kann der Selbstbehalt durch einen etwaigen Familienunterhaltsanspruch gegenüber dem neuen Ehepartner gedeckt sein. Auch staatliche Ersatzleistungen, wie z.B. das Elterngeld, sind weitestgehend heranzuziehen.
Daneben hat aber der andere Elternteil des neuen Babys die Pflicht den Hausmann für eine Nebentätigkeit freizustellen, sodass eine Erwerbsobliegenheit in geringem Umfang bestehen bleibt.
Soweit der Selbstbehalt durch den Familienunterhalt gedeckt ist, muss resultierendes Einkommen für Unterhalt verwendet werden.
Gleiches gilt im Falle nichtehelicher Partnerschaften für den bestehenden Anspruche auf Unterhalt bei Betreuung gemeinsamer Kinder gegen den anderen Elternteil.
Wird die Billigkeit des Rollenwechsels verneint, werden dem barunterhaltspflichtigen Elternteil das erzielbare Einkommen (aus der früheren Tätigkeit) fiktiv angerechnet und der geschuldete Unterhalt auf dieser Basis berechnet.
3. Unterhalt gegenüber Volljährigen Kindern
Sobald Kinder volljährig werden, haften die Eltern grds. beide für anteilig für den Kindesunterhalt nach dem Verhältnis der Einkommen.
Die Beweislast für den Fortbestand des Unterhaltsanspruchs trägt grds. das volljährige Kind.
d.h. dieses muss nicht nur zu seinem eigenen Bedarf und zum Haftungsanteil des in Anspruch genommenen Elternteils vortragen, sondern auch zur Leistungsfähigkeit und dem Haftungsanteil des anderen Elternteils.
Die Auskunft über das Einkommen des bisher betreuenden Elternteils umfasst alle Punkte, die die Unterhaltspflicht beeinflussen können.
Hierzu zählen insbesondere auch die Einkommensverhältnisse des neuen Ehepartners eines der Elternteile.
Lebt ein unterhaltspflichtiger Elternteil in einer neuen Ehe, so kann im Falle fehlender Leistungsfähigkeit (ohne Verletzung der Erwerbsobliegenheiten) der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt durch Ansprüche gegenüber dem neuen Ehepartner gedeckt sein.
Soweit der Elternteil einen Anspruch auf Familienunterhalt oder Taschengeld hat, ist dessen Selbstbehalt gedeckt, sodass übersteigendes Resteinkommen für die Unterhaltspflichten herangezogen werden muss.
Auch fiktives Einkommen infolge der kostenlosen Haushaltsführung für einen neuen Partner kann als Einkommen angesetzt werden.
Im Ergebnis kann so trotz tatsächlich den Selbstbehalt nicht überschreitender finanzieller Mittel eine Mithaftung der bisher betreuenden Mutter in Betracht kommen.
Umgekehrt kann infolge zusätzlicher Unterhaltspflichten für den neuen Ehepartner, der minderjährige Kinder aus der 2. Ehe betreut, eine Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils für gegenüber dem Ehepartner nachrangige volljährige Kinder nicht mehr gegeben sein.
Ohne Erwerbstätigkeit des anderen Ehepartners sieht die Düsseldorfer Tabelle pauschale Bedarfsbeträge für den mit dem Unterhaltspflichtigen in einem Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Ehepartner vor.
Diese betragen im Jahr 2024 gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehepartner 1.280,00 € falls erwerbstätig bzw. 1.180,00 € falls nicht erwerbstätig, sowie 1.400,00 € gegenüber einem nicht privilegierten volljährigen Kind.
Es muss insofern in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine unterhaltsrechtliche Leitungsfähigkeit besteht.
4. Verfahrensrechtliche Auswirkungen
Vor und während des prozessualen Verfahrens zählen damit die Umstände der neuen Beziehung, d.h. Dauer eines Zusammenlebens, etwaiger weiterer Unterhaltsberechtigter Personen, sowie Einkünfte eines neuen Partners/ neuen Ehegatten zu einer geschuldeten vollständigen Auskunft.
Dies, da sich nur so etwaige Ansprüche auf Familienunterhalt, Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes sowie Synergieeffekte, die den Selbstbehalt kürzen berechnet werden können.
Ohne die Erteilung der Auskunft auch zum Einkommen des Stiefvaters kann das volljährige Kind seinen Unterhaltsanspruch nicht schlüssig belegen und wird unterliegen.
Wird eine Auskunft auch zum neuen Ehepartner außergerichtlich trotz Aufforderung nicht vollständig erteilt, dies jedoch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nachgeholt, bestimmt § 243 S.2 Nr.2 FamFG insofern dennoch die volle Kostenlast des Gerichtsverfahrens, soweit die Auskunft außergerichtlich nicht vollständig erteilt wurde.
Die Erteilung der vollständigen Auskunft bzw. die vorherige Aufforderung hierzu hat daher für die Prozessführung entscheidende Bedeutung und ihre Verletzung kann trotz Obsiegen in der Sache zu Kostennachteilen im Verfahren führen.
Gerne beraten wir Sie im Rahmen einer Beauftragung über Ansprüche Ihrerseits und berechnen diese anhand uns übersandter konkreter Zahlen.
Weiterhin ist es uns eine Freude Ihre Interessen gegenüber der Gegenseite sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich zu vertreten.
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