Dienstverträge mit Vorstandsmitgliedern – Worauf Aktiengesellschaft und Vorstand achten sollten

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Vorab ist festzuhalten, dass Vorstandsmitglieder keine Arbeitnehmer sind, da sie die Aktiengesell­schaft weisungsfrei und eigenverantwortlich leiten (§ 76 Abs. 1 AktG). 

Außerdem ist zwischen dem im Anstellungsvertrag geregelten Rechtsverhältnis und den sich aus der Organstellung der Vorstandsmitglieder ergebenden Rechten und Pflichten zu trennen. Daraus folgt, dass eine Kündigung des Anstellungsvertrags nicht automatisch die Abberufung des Vorstands zur Folge hat. Umgekehrt muss der Aufsichtsrat zum Ablauf der Bestellungsperiode oder bei Abberufung des Vorstandsmitglieds immer die Beendigung des Dienstvertrags im Blick haben und ggfs. aktiv herbeiführen!

Folgender Aufbau empfiehlt sich für einen für beide Seiten ausgewogenen Anstellungsvertrag:

1. Aufgaben und Pflichten des Vorstandsmitglieds

Hier ist es üblich und ausreichend, auf die gesetzlichen Regelungen und sonstigen Bestimmungen zu verweisen (Aktiengesetz, Satzung, Geschäftsordnung, Deutscher Corporate Governance Kodex sowie ggfs. interne Richtlinien). Der Aufsichtsrat kann diesen ersten Abschnitt auch nutzen, um besondere Rechte und Pflichten, die für das Tätigkeitsfeld der Gesellschaft zentral sind, hervorzuheben. 

In der Regel ist ein Nebentätigkeits- und Konkurrenzverbot enthalten, das noch über das gesetzliche Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) hinausgeht. Darin wird in der Regel klargestellt, dass das Vorstands­mitglied seine Arbeitskraft ausschließlich der Gesellschaft widmen wird. Der Dienstvertrag sollte das Vorstandsmitglied dazu verpflichten, nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Aufsichtsrats an einem Unternehmen beteiligt zu sein, das mit der Gesellschaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen in Konkurrenz steht. Dieses Verbot kann auch auf Familienangehörige ausgeweitet werden. 

In der Praxis ist es üblich, dass Vorstandsmitglieder Aufsichtsratsposten in wichtigen Tochter- oder Beteiligungsunternehmen innehaben (Konzernmandate). Aus Sicht des Vorstandsmitglieds ist es sehr zu empfehlen, dass die Konzernmutter ihre Vorstandsmitglieder im Anstellungsvertrag von etwaigen Haftungsansprüchen frei, die durch ihre Kontrolltätigkeit im Tochter- oder Beteiligungsunternehmen entstehen können (Haftungsfreistellung). 

Die Gesellschaft kann zudem schon im Anstellungsvertrag regeln, dass sie jederzeit und erst Recht bei Beendigung der Vorstandsbestellung dazu berechtigt ist, sämtliche im Besitz des Vorstandsmit­glieds befindlichen geschäftlichen Unterlagen und Datenträger sowie sonstigen Arbeitsmittel zurück­zufordern (§ 667 BGB). Ein Zurückbehaltungsrecht des Vorstandsmitglieds (z. B. aufgrund von aus­stehenden Vergütungsansprüchen) kann mit Rückendeckung des Bundesgerichtshofs ausgeschlos­sen werden. Aus Sicht des Vorstandsmitglieds ist es allerdings ausgesprochen wichtig, dass ihm auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch ein Zugang zu Dokumenten der Gesellschaft gewährt wird. Die Flut von Vorstandshaftungsprozessen der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass es zur Verteidigung in Zivil- und Strafverfahren entscheidend sein kann, ob dem beklagten Vorstand die entscheidenden Dokumente zur Verfügung stehen. Dies sollte unbedingt vertraglich zugesichert wer­den.

2. Vergütung

Vorstandsdienstverträge sehen in der Regel ein fixes Jahresgehalt, einen Jahresbonus und eine lang­fristige variable Vergütung vor. Im Anstellungsvertrag werden die Berechnungsgrundlage für den Jahresbonus und den Langfristbonus meist nur rudimentär dargestellt. Dem Aufsichtsrat ist zu emp­fehlen, die konkrete Ausgestaltung der Bonusstrukturen – den sich ändernden Jahreszielen entspre­chend – in separaten Dokumenten außerhalb des Dienstvertrags zu regeln, um möglichst flexibel für spätere Anpassungen zu bleiben.

Ein interessantes zusätzliches Motivationswerkzeug können auch Aktienhalteverpflichtungen sein. Danach müssen Vorstandsmitglieder einen festgelegten Bestand an Aktien der Gesellschaft aus privaten Mitteln zu erwerben und diesen für die gesamte Dauer ihrer Vorstandstätigkeit halten. Außerdem kann sich der Aufsichtsrat die Option zur Vergabe von Sonderboni in besonderen Einzel­fällen vertraglich absichern. 

Der Deutsche Corporate Governance Kodex gibt vor, dass die Vorstandsvergütung insgesamt und hinsichtlich ihrer variablen Vergütungsteile betragsmäßige Höchstgrenzen aufweisen soll (Ziffer 4.2.3 Satz 7), womit eineHöchstgrenze oder ein Vergütungs-Cap gemeint sind. Dies stellt die Vertragsge­staltung vor besondere Herausforderungen, da die Kodexempfehlung gerade im Hinblick auf die variablen Vergütungsbestandteile nicht einfach umzusetzen ist.

Weitere Nebenleistungen der Gesellschaft (Dienstwagen, Versicherungen, IT-Ausstattung) werden häufig in einem begleitenden Anschreiben oder internen Richtlinien festgelegt. Besonderes Augen­merk für den Vorstand ist auf die vertragliche Zusicherung einer D&O-Versicherung zu legen, die ihn gegenüber Schadensersatzforderungen der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandats absichern soll. 

3. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Die Gesellschaft verpflichtet sich in der Regel zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, meist für einen Zeitraum von 6 bis 18 Monaten. Vorstandmitglieder sollten zudem eine Absicherung Ihrer Angehöri­gen im Todesfall fordern.

4. Betriebliche Altersversorgung

Als betriebliche Altersversorgung sehen Anstellungsverträge meist eine Direktzusage vor. Die weite­ren Details (Höhe der Beiträge durch die Gesellschaft, Entgeltumwandlung, Auszahlungsmöglichkei­ten usw.) werden in separaten Versorgungsbedingungen geregelt. 

5. Urlaub

Das Bundesurlaubsgesetz gilt nicht für Vorstandsmitglieder. Daher sollte im Anstellungsvertrag ein angemessener Jahresurlaub geregelt sein.

6. Vertragslaufzeit und Vertragsbeendigung

Nach dem Aktiengesetz gilt eine fünfjährige Höchstdauer für die Bestellung zum Vorstandsmitglied (§ 84 Abs. 1 AktG) und die Laufzeit der Anstellungsverträge wird meist an den Zeitraum der Bestel­lung zum Vorstandsmitglied gekoppelt. Allerdings sollte auch eine Verlängerungsmöglichkeit bei Wie­derbestellung des Vorstandsmitglieds vorgesehen sein. Aus Fairnessgründen verpflichtet sich der Aufsichtsrat in der Regel, spätestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit über die Verlängerung des Anstellungsvertrags zu entscheiden. 

Der Aufsichtsrat sollte außerdem dafür Sorge tragen, dass der Anstellungsvertrag im Fall einer dau­ernden Arbeitsunfähigkeit des Vorstandsmitglieds sofort endet, damit die Gesellschaft weiterhin ver­antwortungsvoll geführt werden kann. Dies ist spätestens nach einer Arbeitsunfähigkeit von drei bis sechs Monaten der Fall. 

Da es sich in der Regel um befristete Dienstverträge handelt, sind diese nicht ordentlich kündbar. Beide Vertragsparteien können den Anstellungsvertrag jedoch aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) kündigen. Aus Sicht des Vorstandsmitglieds sollte ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eines Kon­trollwechsels geregelt werden (Change of Control-Klausel). Hierbei ist auch die Empfehlung des Deut­schen Corporate Governance Kodex zur betragsmäßigen Begrenzung der in diesem Fall an das Vor­standsmitglied zu zahlenden Abfindung zu beachten.

7. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Will die Gesellschaft verhindern, dass ausscheidende Vorstandsmitglieder unmittelbar für Konkur­renzunternehmen tätig werden, sollte der Anstellungsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsver­bot enthalten. Die Gesellschaft ist in der Gestaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für Vorstandsmitglieder freier als bei Arbeitnehmern, weil die vorhandenen Schutzvorschriften (§§ 74ff. HGB, § 110 GewO) nicht unmittelbar gelten. 

Für die Dauer des Wettbewerbsverbots (in der Regel 6 bis max. 24 Monate) muss das Vorstandsmit­glied daher eine (monatliche) Karenzentschädigung erhalten, die sich an der vertraglichen Jahres­vergütung orientiert. Dafür ist es ratsam, sich an der im Handelsgesetzbuch festgelegten 50-Prozent-Regel zu orientieren (§ 74a HGB). Wichtig ist, dass der Anstellungsvertrag eine Anrechnungsregelung vor­sieht, nach der sich das Vorstandsmitglied anderweitigen Verdienst auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen muss. Für den Fall, dass sich das Vorstandsmitglied nicht an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot hält, kann der Vertrag eine Vertragsstrafe (z. B. 25 % einer Jahresvergütung) vorsehen. Wichtig ist zudem, dass die Gesellschaft sich ein Recht zum Verzicht auf das Wettbewerbs­verbot vorbehält. Dieser Verzicht kann allerdings nur vor Beendigung des Anstellungsvertrags aus­gesprochen werden.

8. Ausblick

Die besondere Herausforderung bei der Verhandlung und Gestaltung eines Vorstandsvertrages liegt immer darin, die Interessen beider Vertragspartner ausgewogen zu berücksichtigen und über die bestmögliche Motivation des Vorstandsmitglieds zum langfristen Erfolg des Unternehmens beizutra­gen. Dabei unterstützen wir Sie gerne!



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