Diesel-Verfahren gegen Daimler geht in die Verlängerung – BGH VI ZR 433/19

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Bei zahlreichen Mercedes-Dieselmodellen kommt ein sog. Thermofenster bei der Abgasrückführung zum Einsatz. Dieses bewirkt, dass die Abgasreinigung bei Außentemperaturen, die innerhalb dieses festgelegten Fensters liegen, vollständig arbeitet. Bei höheren oder niedrigeren Außentemperaturen wird die Abgasrückführung allerdings reduziert bzw. ganz abgeschaltet. Folge ist ein Anstieg des Stickoxid-Ausstoßes.

Daimler und andere Autohersteller begründen die Verwendung der Thermofenster mit Motorschutzgründen, Kritiker sehen darin eine unzulässige Abschalteinrichtung und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer. Nun landeten die Thermofenster eines Daimler-Diesels vor dem Bundesgerichtshof. Der BGH machte mit Beschluss vom 19.01.2021 deutlich, dass der Einsatz eines Thermofensters allein noch keinen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB begründet. Allerdings ist Sittenwidrigkeit auch nicht auszuschließen. Sie könnte vorliegen, wenn weitere Umstände hinzukommen, die auf ein sittenwidriges Verhalten des Herstellers schließen lassen (BGH VI ZR 433/19).

„Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Autohersteller im Typengenehmigungsverfahren gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt die Karten nicht auf den Tisch gelegt, Informationen verschwiegen oder unzutreffende Angaben gemacht hat“, sagt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer aus Stuttgart.

Genau das warf der Kläger in dem zu Grunde liegenden Fall Daimler auch vor. Er machte Schadensersatzansprüche geltend, weil in seinem Mercedes C 220 CDI mit dem Dieselmotor OM 651 (Euro 5) eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verwendet werde. Gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) habe Daimler diese Funktion bewusst verschleiert.

Seine Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das OLG Köln wies die Klage mit der Begründung ab, dass Daimler keine Sittenwidrigkeit unterstellt werden könne, und der Kläger dafür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte geliefert habe.

Das sah der BGH jedoch teilweise anders. Das OLG Köln hätte die Klage nicht einfach so abweisen dürfen, ohne sich mit dem gesamten Klägervorbringen zu befassen. Der Kläger habe ausreichende Anhaltspunkte dafür geliefert, dass Daimler gegenüber dem KBA unzutreffende Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe. Das OLG habe dies jedoch nicht berücksichtigt, und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, so der BGH, der die Sache an das OLG Köln zurückverwies.

Das OLG Köln muss den Fall nun unter dem Gesichtspunkt, ob Daimler gegenüber dem KBA alle notwendigen Angaben gemacht hat, neu aufrollen. Dabei wird sich Daimler dazu äußern müssen, welche Angaben denn nun im Typengenehmigungsverfahren gemacht worden sind.

Die Mercedes vorgeworfene unzulässige Abschalteinrichtung reduziert sich auch nicht auf den Einsatz des Thermofensters. Das KBA hat wegen anderer unzulässiger Abschalteinrichtungen, u.a. wegen der Kühlmittel-Sollwert-Temperatur-Regelung, diverse Rückrufe für Mercedes-Modelle angeordnet. Ebenso haben inzwischen die Oberlandesgerichte Köln und Naumburg Daimler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt. Zudem hat der EuGH am 17.12.2020 festgestellt, dass Abschalteinrichtungen -bis auf wenige Ausnahmen- unzulässig sind (EuGH vom 17.12.2020 - C-693/18). Der EuGH entschied, dass Abschalteinrichtungen, die den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors verhindern sollen, unzulässig sind. Damit wären auch Thermofenster nicht zulässig.

Mehr Informationen: https://www.ra-staudenmayer.de/t%C3%A4tigkeitsschwerpunkte/abgasskandal



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