Digitaler sexueller Mißbrauch von Kindern in Chats? Fachanwalt warnt vor Strafe!

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Das Internet und digitale Chatrooms sind bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern sehr populär. Strafrechtlich höchst problematisch werden diese, wenn (unbekannte) Erwachsene mit Kindern chatten. Hierbei können schleichend oder gar bewußt Grenzen überschritten werden, die eine schwerwiegende Strafbarkeit für Erwachsene begründen. Was beim Chatten im Internet zu beachten ist und wo eine mögliche Strafbarkeit beginnt, wird Ihnen dieser Beitrag von Rechtsanwalt Heiko Urbanzyk aus Coesfeld (bei Ahaus, Borken, Bocholt) vermitteln.


Anbahnung des Kontakts

Oftmals beginnen Kontakte mit Kindern unbewusst durch Chatfunktionen in verschiedenen Spielen oder über Social-Media Plattformen wie Instagram oder TikTok. Dort ist das Alter der Chatpersonen oftmals nicht ersichtlich. Demnach sollte man als Erwachsener aufpassen und nicht mit minderjährigen Chatpartnern kommunizieren. Auch wenn sich das minderjährige Alter erst später herausstellt, sollte am besten ab diesem Zeitpunkt das Chatten beendet werden. Bei Zweifeln ist anzuraten konkret nach dem Alter zu fragen. 

Wann das Chatten mit Kindern strafbar ist, ist in mehreren Vorschriften geregelt und muss immer im konkreten Einzelfall festgestellt werden. Sollten Sie beschuldigt werden eine der nachfolgend erläuterten Taten begangen zu haben, wenden Sie sich umgehend an einen erfahrenen Strafverteidiger, noch bevor Sie mit der Polizei sprechen. Solche Vorwürfe können durchaus eine stigmatisierende Wirkung entfalten, weswegen man sich früh von einem professionellen Strafverteidiger beraten lassen sollte.


Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt gem. § 176a StGB 

In § 176a StGB sind konkrete Fälle des sexuellen Missbrauchs geregelt, welche im Rahmen eines Online-Kontaktes erfüllt werden können. Taten gem. § 176a Abs. 1 StGB werden mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Hierbei wird der sexuelle Missbrauch von Kindern bestraft. Kinder sind Personen bis zum vierzehnten Lebensjahr.

Zunächst bestraft § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB die Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind. Zur Erfüllung dieses Tatbestandes ist keine räumliche Nähe erforderlich, sodass eine Strafbarkeit ebenfalls mittels eines Videochats begründet werden kann. Der Täter kann die sexuelle Handlung an sich oder an Dritten vornehmen oder durch einen Dritten an sich vornehmen lassen. Dabei muss das Kind die sexuellen Handlungen zeitgleich am Bildschirm betrachten und visuell wahrnehmen. 

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Onaniert ein Erwachsener vor der Webcam während das Kind dies verfolgen kann, dann stellt dieses Verhalten einen sexuellen Missbrauch des Kindes gem. § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. 

Erforderlich ist die Absicht des Täters, dass das Kind das sexuelle Geschehen wahrnimmt, um die Straftat zu verwirklichen. Wird die sexuelle Handlung von dem Kind trotz Absicht des Täters nicht wahrgenommen, kommt immer noch eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht. In der Praxis bleibt die Strafandrohung gleichwohl erheblich. 

Ist ein Videochat mit einem Kind fälschlicher Weise nicht beendet worden oder in unbewusster Weise gestartet worden, dann liegt kein Vorsatz vor. Dies muss jedoch hinreichend und glaubhaft belegt werden können. Hierbei kann Ihnen ein Strafverteidiger, Akteneinsicht ermöglichen,  beratend zur Seite stehen und mit Ihnen eine Verteidigungsstrategie erarbeiten.

Ebenfalls strafbar ist gem. § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB ein Kind zur Vornahme von sexuellen Handlungen zu bestimmen. Diese Vorschrift kann durch Videochats oder Telefonate erfüllt werden, weil ebenfalls keine räumlich Nähe des Täters zum Kind vorhanden sein muss. Erforderlich ist, dass durch den Erwachsenen das Kind zu einer sexuellen Handlung bestimmt wird. Dabei muss der Täter kommunikativ auf das Kind einwirken, damit dies eine sexuelle Handlung vornimmt. Der Täter muss das Kind dazu überreden, auffordern oder durch anderweitige Einwirkung die Handlung hervorrufen. Konkret könnte dabei der Täter im Rahmen eines Videochats das Kind auffordern sich auszuziehen und die Beine zu spreizen, um die Genitalien oder den Anus zu präsentieren. Auch erfüllt die auf Veranlassung des Täters durch das Kind getätigte Aufzeichnung einer solchen Handlung den Tatbestand. 

Zur Erfüllung des Tatbestandes ist es nicht zwangsläufig erforderlich, dass der Täter die sexuelle Handlung des Kindes wahrnimmt. Zur Erfüllung der Strafbarkeit genügt die ursächliche Veranlassung der Handlung durch den Täter und die Durchführung durch das Kind aufgrund der Veranlassung.

Vor allem die Prüfung inwiefern ein Erwachsener nun auf das Kind eingewirkt hat und die Einordnung, ob die Handlung des Kindes überhaupt einer sexuellen Handlung entspricht, muss präzise erfolgen.

Ebenfalls strafbar ist gem. § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB das Einwirken auf ein Kind mittels pornografischer Inhalte oder Reden. Pornografisch sind Darstellungen, die ein sexualbezogenes Geschehen vergröbernd und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen zeigen. Die Übermittlung der Inhalte kann durch das Übersenden von Fotos, Videos oder Chatnachrichten, z.B. per WhatsApp, geschehen. Auch eine telefonische Einwirkung ist möglich. 

Bei dem konkreten Inhalt muss nun differenziert werden, inwiefern dieser pornografisch ist. Das Bild eines nicht erigierten Penis unterfällt diesem Begriff zum Beispiel noch nicht. Das Video eines masturbierenden Mannes hingegen unterfällt diesem Begriff. Sogar das Zusenden von entsprechenden Verlinkungen zu pornografischen Inhalten genügt, um sich straffbar zu machen.


Bereits Versuch strafbar! 

Der Versuch einer Tat gem. § 176a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB ist strafbar. Für eine Tat nach Nr. 3 ist in § 176 Abs. 3 StGB eine besondere Versuchsstrafbarkeit normiert. Dabei ist der Versuch nur strafbar, wenn die Strafbarkeit daran scheitert, dass der Täter irrtümlich davon ausging er chatte mit einem Kind, aber er tatsächlich mit einem Erwachsenen gechattet hat.


Tatvorsatz vorhanden?

Jede der zuvor genannten und erläuterten Taten muss vorsätzlich begangen werden, um strafbar zu sein. Zentral ist besonders der Vorsatz hinsichtlich des Alters des Kindes. Dabei muss der Täter nicht zwangsläufig das konkrete Alter des Chatpartners kennen, jedoch muss er zumindest in Kauf genommen haben, dass es sich bei der Person um ein Kind handeln könnte. 

Vor allem bei diesem Punkt können sich Ansätze für eine Verteidigung ergeben, wenn beispielsweise der Erwachsene durch das Kind über dessen Alter belogen wurde und das Alter nicht offensichtlich oder durch andere Umstände aus den Chats erkennbar war.


Professionelle Verteidigung von Beginn an!

Bei solch schwerwiegenden Taten ist es unerlässlich, frühzeitig einen erfahrenen Strafverteidiger zu engagieren. Allein der (unzutreffende) Vorwurf einer solchen Tat kann zu weitreichenden Folgen führen (Arbeitsplatzverlust, Jugendamtsbesuche bei Familien, soziale Ächtung). Wichtig ist es, gegenüber den Polizei und Staatsanwaltschaft keine unüberlegten Aussagen zu tätigen und zunächst zu schweigen.  

Insbesondere die hohe Strafdrohung erfordert die schnelle Hilfe durch einen professionellen Strafverteidiger. Er wird auch allein derjenige sein, der Akteneinsicht erhält, während diesem dem Beschuldigten im Sexualstrafverfahren gerade nicht zusteht. 

Auch eine Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden möglicher Beweismittel für solche Taten wird regelmäßig vorgenommen. Dementsprechend ist es hilfreich sich frühzeitig einer fachlichen Beratung zu unterziehen und sich gegen mögliche Maßnahmen wehren zu können, falls man befürchtet, sich online strafbar gemacht zu haben.

Rechtsanwalt H. Urbanzyk ist Fachanwalt für Strafrecht in Coesfeld (bei Dülmen, Gescher, Stadtlohn) . Er verteidigt seit Beginn seiner Berufslaufbahn bundesweit Beschuldigte in Sexualstrafverfahren. Zögern Sie als Beschuldigter oder Angeklagter nicht, ihn zu kontaktieren.     

Hinweis: Für Taten die vor dem 01.07.2021 begangen sein sollen, kann eine abweichende Rechtslage gelten.

Foto(s): Heiko Urbanzyk

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