Diskrete Strafverteidigung bei Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie - § 184b StGB

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Nach Auffassung des Autors, der bundesweit im Bereich  des § 184b StGB verteidigt, nehmen Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Besitzes bzw. der Verbreitung kinderpornographischer Schriften auch innerhalb des Strafrechts eine gesonderte Stellung ein. Schon alleine der Tatvorwurf per se hat - völlig unabhängig davon, ob dieser zutreffend oder unberechtigt ist - eine stigmatisierende Wirkung.

Konsequenzen im strafrechtlichen sowie im privaten, beruflichen und familiären Bereich sind die Folge, was eine effektive und gleichwohl diskrete Strafverteidigung zwingend notwendig macht. Eines der im Mittelpunkt stehenden Ziele einer Verteidigung im Bereich des § 184b StGB besteht daher häufig in der Vermeidung einer Hauptverhandlung.

Hierzu aufgelistet neue sowie ständig wiederkehrende FAQs zur Strafverteidigung im Verfahren zu § 184b StGB:

1. Ist „schon" das Aufrufen der Bilder ohne anschließende Speicherung strafbar?

Bei einer bundesweiten Auswertung der aktuellen Rechtsprechung im Bereich von § 184b StGB ist zu erkennen, dass die Rechtsprechungspraxis weiter verschärft wird. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des 2. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamburg, welche das vorangegangene Urteil des Amtsgericht Hamburg-Harburg aufgehoben hatte (Az. 2-97/09 (REV); 2-27/09 Ss 86/09). Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hatte den Beschuldigten ursprünglich freigesprochen, welcher u. a. kleine Vorschaubilder mit entsprechendem Inhalt durch Anklicken auf seinem Bildschirm vergrößert hat. Diese vergrößerten Vorschaudateien wurden automatisch im Cache des Computers abgespeichert. Eine manuelle Speicherung hat nicht stattgefunden.

Das Oberlandesgericht Hamburg geht jedoch davon aus, dass ein mäßig erfahrener Internetuser mit den Funktionen eines Caches vertraut ist. Somit geht mit dem bewussten und gewollten Aufrufen der Dateien in vergrößerter Form auch ohne ein nachfolgendes Abspeichern ein Herunterladen der Dateien und somit der Besitz in Sinne des § 184b StGB einher.

2. Kann § 184b StGB durch „Verlinkung" verwirklicht werden?

Der Anwendungsbereich einer Strafbarkeit gem. § 184b Abs. 1, 2 StGB (Öffentliches Zugänglichmachen kinderpornographischer Schriften sowie Drittbesitzverschaffung) wurde durch die Entscheidung des BGH vom 18.01.2011 (Az. 2 StR 151/11) erneut erweitert. Bislang wurde „lediglich" das Zurverfügungstellen kinderpornographischer Dateien in Online-Tauschbörsen wie z.B. eMule, aMule, Frostwire etc. als öffentliches Ausstellen im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet. In seiner Entscheidung vom 18.01.2011 hat der BGH klargestellt, dass gleiches für das Bereitstellen entsprechender Links gilt.

Dies vor dem Hintergrund, dass „anderen Usern durch bloßes Anklicken ohne weitere Zwischenschritte" durch das Posten von entsprechenden Links mit kinderpornographischen Inhalten Zugriff auf ebensolche gewährt wird, womit der Tatbestand des öffentlichen Ausstellens kinderpornographischer Schriften erfüllt wird. Der BGH sieht eine Strafbarkeit wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften ebenfalls als dann gegeben, wenn durch Anklicken des Links keine direkte, unmittelbare Verbindung zu den ausgestellten Dateien erstellt wird, was zum Beispiel dann der Fall ist, wenn der Link „durch Weglassen, Hinzufügen oder Verändern von Buchstaben" modifiziert wurde, was die Nutzer zur „manuellen Eingabe" der Linkadresse veranlasst.

3. Was droht bei § 184b StGB nach dem Gesetz?

Der § 184b StGB stellt den Besitz sowie die Verbreitung von kinderpornographischen Schriften unter Strafe. Nachfolgend aufgeführter Auszug aus § 184b StGB (Abs. 1-4) bestimmt für den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornographie:

(1) Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3), die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern (§ 176 Abs. 1) zum Gegenstand haben (kinderpornographische Schriften),

1. verbreitet,

2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder

3. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer es unternimmt, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und die kinderpornographischen Schriften ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben.

(4) Wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischer Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die in Satz 1 bezeichneten Schriften besitzt.

4. Wie kommt es zur Durchsuchung wegen § 184b StGB?

Sofern „die Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen, nicht nur straflos vorbereitet worden ist" im Sinne von § 184b StGB werden entsprechende Wohnungsdurchsuchungen vorgenommen. Hierzu muss jedoch zwingend ein „tatsächlicher Anhaltspunkt" vorliegen. Eine Durchsuchung der privaten Gegenstände und Wohnräume stellt für den Beschuldigten einen erheblichen Grundrechtseingriff dar. Daher ist es üblich, dass ein Richter eine Durchsuchung vor der Durchführung ausdrücklich anordnet, außer, es liegt „Gefahr in Verzug" vor. Dies heißt jedoch, dass bereits bei einer ersten Prüfung der Sachlage ein „begründeter Anfangsverdacht" bestätigt wurde.

5. Was geschieht mit den beschlagnahmten Speichermedien?

Die beschlagnahmten Speichermedien wie Festplatten, Notebooks etc. werden entweder von den Ermittlungsbehörden selbst oder von einem externen Gutachter ausgewertet. Zur Auswertung wird u.a. das Programm „Perkeo" verwendet.

6. Gilt die Einziehung für den gesamten Computer?

Diesbezüglich wird auf eine neuerliche Entscheidung des BGH vom 08.02.2012 (Az. 4 StR 657/11) hingewiesen.

Wird ein Verfahren wegen Verbreitung, Erwerbs oder Besitzes von kinder- und jugendpornographischer Schriften abgeschlossen taucht oftmals die Frage nach der weiteren Vorgehensweise bezüglich der sichergestellten Speichermedien wie z.B. Computer oder Handys auf. Oft bezieht sich das Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft bei der Frage der Einziehung auf die Vorschrift des § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08.02.2012 unterliegt nach § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB nicht der gesamte Computer nebst Zubehör der Einziehung, sondern lediglich die darin enthaltene Festplatte als selbständiges Speichermedium. Eine Einziehung von etwaigen Ladekabeln kann allenfalls als Tatwerkzeug gem. § 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden. Eine solche Entscheidung liegt lediglich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Tatrichters, bei dem Pflicht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit liegt. Das Gericht hat gem. § 74 Abs. 2 StGB grundsätzlich zu prüfen, ob der Einziehungszweck nicht auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden könnte. In Zusammenhang hiermit weist der BGH ausdrücklich auf eine mögliche endgültige Löschung von inkriminierten Bilddateien im Sinne von § 184b StGB hin. Dies ist vor umfassenden Einziehungen von Speichermedien stets zu prüfen.

Zu beachten ist hier nach Auffassung des Autors auch die Tatsache, dass bei Ermittlungsverfahren nach § 184b StGB bzw. § 184c StGB eine möglichst effektive und diskrete Verfahrenserledigung in Verbindung mit einer Vermeidung zur Hauptverhandlung angestrebt wird. Daher kann es im Einzelfall von Vorteil sein, die Einziehungsfrage gegenüber den zuständigen Ermittlungsbehörden ruhen zu lassen.

7. Verhindern eine Hauptverhandlung trotz vorhandener Bilder?

Hier kommt es selbstverständlich auf den Einzelfall an. So spielt die Frage, ob kinderpornographische Schriften „nur" besessen oder auch verbreitet wurden, neben der Anzahl dieser Dateien sowie der rechtlichen Einordnung eine große Rolle. Hinzu kommt die gewählte Verteidigungstaktik und Verteidigungsstrategie. Auch bei nachweisbarem Besitz kinderpornographischer Dateien ist eine Lösung ohne Hauptverhandlung und ohne Vorstrafe aber nicht ausgeschlossen. Denkbar kann im Einzelfall etwa die Verfahrenserledigung gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage sein.

8. Vermeidung einer Vorstrafe bei Besitz von Kinderpornographie

Ein erfahrener Strafverteidiger ist sich darüber im Klaren, dass eine öffentliche Hauptverhandlung wegen Verdachts des Verstoßes gegen § 184b StGB immer eine zusätzliche, psychische Belastung für den Beschuldigten bedeutet. Auch, wenn es deutliche Beweise für den Vorwurf nach § 184b StGB gibt, gilt es daher die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um eine Hauptverhandlung doch noch abzuwenden.

9. Mandatierung eines ortsansässigen Strafverteidigers ein Muss?

Es ist nicht mehr zwingend notwendig, einen ortsansässigen Strafverteidiger für eine Rechtsberatung sowie Strafverteidigung im Falle des § 184b StGB zu beauftragen. Wichtig ist Fachkenntnis und Erfahrung im Umgang mit solchen Verfahren. Die heutigen Telekommunikationsmöglichkeiten vereinfachen eine bundesweite Strafverteidigung um ein Vielfaches, gerade vor dem Hintergrund einer möglichen Abwendung einer Hauptverhandlung.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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