Eigenbedarfskündigung muss im Einzelfall beurteilt werden

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Der Bundesgerichtshof urteilte aktuell zur Eigenbedarfskündigung (AZ VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17, Urteile vom 22.05.2019).

Die bisher gültige Rechtsauffassung besagt, dass zum einen ein langjähriges Mietverhältnis, zum anderen das hohe Alter der Mieter eine Eigenbedarfskündigung schwierig machen kann.

Der Bundesgerichtshof widersprach nun dieser eher pauschalen Rechtsprechung und legte fest, dass künftig immer nur der Einzelfall beurteilt werden dürfe.

Welcher Härtefall lag den Richtern aktuell vor? Eine Familie wohnte, gemeinsam mit dem Bruder des Ehemannes, seit neun Jahren in einer Doppelhaushälfte. Der Mietvertrag wurde wegen Eigenbedarfs gekündigt, denn die Hausbesitzerin wollte mit ihrem Ehemann selbst einziehen – um in der Nähe ihrer pflegebedürftigen Großmutter zu sein.

Die Mieter legten Widerspruch gegen die Kündigung ein. Sie argumentierten: Der Bruder des Hauptmieters sei schwer krank. Er leide unter anderem an Schizophrenie, Alkoholismus und Demenz, weshalb er Pflegestufe II erhalten habe. Ein Umzug sei ihm nicht zuzumuten, denn dadurch würde sich sein gesundheitlicher Zustand dramatisch verschlechtern – so die Empfehlung eines Psychiaters.

Die Richter am BGH forderten ein ausführliches Sachverständigengutachten (§ 144 Abs. 1 S. 1 ZPO). Erst auf dieser Grundlage könne eine gültige Entscheidung getroffen werden, ob die Kündigung der Mietsache wirksam sei. Aus einem Sachverständigengutachten müsse detailliert zu erkennen sein, welche physischen und psychischen Folgen ein Umzug für den Mieter hätte und mit welcher Wahrscheinlichkeit diese einträten. Außerdem müsse der Eigenbedarfsanspruch der Besitzer genauer unter die Lupe genommen werden.

Die weitreichende Folge dieses Urteils: Künftig werden sich Mieter, die Widerspruch bei einer Eigenbedarfskündigung einlegen, auf gesundheitliche Folgeschäden einer solchen Kündigung berufen können. Dafür werden sie ein ärztliches bzw. psychiatrisches Gutachten vorlegen, das – so die Befürchtung vieler Vermieter – auch aus Gefälligkeit verfasst sein könnte. Jeder Einzelfall muss genau geprüft werden – was die Abwicklung des Auszugs der Mieter natürlich in die Länge zieht.

Wenn Sie planen, eine vermietete Wohnung oder ein Haus zu erwerben, um dann – nach einer Eigenbedarfskündigung – selbst darin wohnen zu können, sollten Sie sich juristisch vorab beraten lassen, ob Sie eine Kündigung überhaupt rechtsgültig aussprechen können.

Falls Sie von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind und Widerspruch dagegen einlegen wollen, sind Sie ebenfalls gut beraten, sich Unterstützung durch einen im Mietrecht erfahrenen Rechtsanwalt zu holen. Es gilt, bestimmte Fristen einzuhalten und Ihren Fall so detailliert wie möglich darzulegen.

In unserer Kanzlei in Stuttgart ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Samir Talic spezialisiert auf Fälle zum Thema Kündigung und Räumung aus dem Mietrecht und unterstützt Sie gerne bei Ihrem Anliegen.


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