Eilmeldung: LSG Essen stoppt Ambulanzzulassung einer Klinik nach § 116b SGB V

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Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen stoppt die Ambulanzzulassung eines Krankenhauses nach § 116b SGB V und bekräftigt die Anfechtungsberechtigung konkurrierender Vertragsärzte. (LSG Essen, Beschluss vom 9.2.2011 - Az.: L 11 KA 91/10 B ER)

Am 9.2.2011 hat sich auch das LSG NRW dafür ausgesprochen, dass in einschlägiger Konkurrenzsituation stehende, nachteilig betroffene Vertragsärzte berechtigt sind, eine Bestimmung nach § 116b Abs. 2 SGB V zur spezialärztlichen ambulanten Behandlung anzufechten. Der Beschluss erging wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ausnahmsweise aufgrund mündlicher Verhandlung vor dem 11. Senat, an welcher der Verfasser als Prozessbeobachter teilgenommen hat. Die schriftlichen Gründe der Entscheidung stehen noch aus.

Im Fall des LSG hatte die Bezirksregierung Düsseldorf mit Bescheid aus dem Jahr 2009 eine Klinik zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen zugelassen. Gegen diesen Bescheid hatte eine örtlich konkurrierende onkologische (Schwerpunkt-)Gemeinschaftspraxis (BAG) unter Hinweis auf einen erheblichen Rückgang ihrer Fallzahlen (v.a. Neuzugänge) und die mittelfristige Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz Widerspruch eingelegt und nach Zurückweisung des Widerspruchs durch die Bezirksregierung Klage zum Sozialgericht erhoben. Außerdem ordnete die Bezirksregierung die sofortige Vollziehung des Bestimmungsbescheids an, wogegen die BAG mit einem sozialgerichtlichen Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vorging. Diesen Antrag hatte das Sozialgericht in erster Instanz zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der BAG.

Das LSG NRW nahm den Fall zum Anlass, sich grundsätzlich zur Rolle der Vertragsärzte bei der Krankenhauszulassung nach § 116b Abs. 2 SGB V zu äußern, die „unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation" zu erfolgen hat. Wie schon das LSG Sachsen in seinem grundlegenden Beschluss vom 3.6.2010 (Az.: L 1 KR 94/10 B ER) vertritt nun auch das LSG NRW die Auffassung, dass die Behörde hiernach eine umfassende Abwägung öffentlicher und privater Belange vornehmen müsse, in welche gerade auch die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsärzte einzubeziehen seien. Diese Abwägung sei zwar gerichtlich nur eingeschränkt auf Fehler überprüfbar. Im vorliegenden Fall ergebe sich jedoch aus den Gründen des Bescheids schon nicht, dass die vertragsärztliche Versorgungssituation überhaupt hinreichend aufgeklärt worden ist und auf dieser Basis eine Abwägung der relevanten Belange stattgefunden hat.

Faktisch konkurrierende Vertragsärzte seien auch berechtigt, die fehlerhafte Abwägung im Rahmen einer Anfechtung des Bestimmungsbescheids zu rügen. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus den durch die Krankenhauszulassung möglicherweise verletzten Grundrechten der Vertragsärzte gemäß Art. 12 Abs. 1 (Berufsfreiheit), Art. 14 Abs. 1 (Eigentum) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitsgrundsatz).

Das LSG hob im Ergebnis (unter Änderung der sozialgerichtlichen Entscheidung) die behördliche Anordnung des Sofortvollzugs mit der Maßgabe auf, dass in der Klinik des beigeladenen Krankenhausträgers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vertragsärztliche Anfechtungsklage in der Hauptsache nur Patienten weiterbehandelt werden dürfen, deren Behandlung bereits vor dem 10.2.2011 begonnen hat.

Die Entscheidung des LSG NRW vom 9.2.2011 geht mit seiner verfassungsrechtlichen Fundierung in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Verfassers über diejenige des LSG Sachsen hinaus, das die Anfechtungsberechtigung der Vertragsärzte „nur" auf das „einfache" Gesetz gestützt hatte. Sie stellt damit einen weiteren wichtigen Paukenschlag der Rechtsprechung zur Auslegung des § 116b SGB V dar und weist auch in politischer Hinsicht den Weg zu einer sektorenübergreifenden fachärztlichen Versorgung unter fairen Wettbewerbsbedingungen. Soweit Zulassungsbescheide nach § 116b SGB V allerdings nicht angefochten werden, bleiben sie grundsätzlich bestandskräftig, wodurch unfaire Wettbewerbsverhältnisse ggf. zementiert werden.

Holger Barth

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Medizinrecht

www.arztrechtplus.de


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