Eine Kita ist kein „Laden“

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Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat den Betrieb einer Kindertagesstätte in einem als Laden ausgewiesenen Teileigentum untersagt, weil typischerweise von Kindern nachteiligere Störungen für die übrigen Bewohner ausgehen als vom Betrieb einer Verkaufsstelle.

Der Fall:

In einem Wohngebäude aus den 1970er Jahren hat ein Teileigentümer die Erdgeschossfläche, die in der Teilungserklärung und im Aufteilungsplan als „Laden“ bezeichnet ist, an 4 Tagesmütter vermietet, die dort werktäglich bis zu 20 Kleinkinder betreuen. Die Räumlichkeiten sind nicht mit besonderen Schallschutzeinrichtungen ausgerüstet worden. Zuvor befand sich eine Arztpraxis darin. Oberhalb der Kita befinden sich 24 Einzimmerwohnungen, deren Bewohner in detaillierten Lärmprotokollen das Ausmaß der Beeinträchtigungen durch Schreien, Kreischen, Toben, Trampeln und Springen der Kinder dargelegt haben.

Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg hat nun mit Urteil vom 26.02.2016 (AZ: 980b C 23/15 WEG) festgestellt, dass den übrigen Wohnungseigentümern ein Unterlassungsanspruch gegen den Betrieb der Kita zusteht. Dem Gericht kam es vor allem darauf an, wo die Zweckbestimmung „Laden“ verankert ist. Der Begriff „Laden“ findet sich im vorliegenden Fall schon am Anfang der Teilungserklärung bei der Bestimmung des jeweiligen Sondereigentums. Damit hat diese Bezeichnung als Zweckbestimmung Eingang in das Grundbuch gefunden und ist ein dingliches Recht geworden.

Anders lag ein Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, bei dem lediglich im Aufteilungsplan die Bezeichnung „Laden“ enthalten war. Das stufte der BGH (16.11.2012, V ZR 246/11) als bloßen Nutzungsvorschlag des Architekten ab, weil einem Aufteilungsplan allein keine rechtliche Verbindlichkeit zukomme.

Auch die vorherige Nutzung als Arztpraxis, ändere nach Ansicht des Gerichts an der grundbuchlichen Zweckbindung als „Laden“ nichts, weil damit keine Abänderung für die Zukunft verbunden gewesen ist.

Den Begriff „Laden“ legt das Gericht streng nach Wortlaut und Sinn aus, wonach typischerweise allgemein nur der Verkauf von Waren, die nicht vor Ort verzehrt oder verbraucht werden, an Endverbraucher erlaubt ist. Eine uneingeschränkte gewerbliche Nutzung solcher Räumlichkeiten sei davon nicht umfasst. Auch die ortsgebundene Betreuung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Räumen sei mit dem Verkauf von Waren nicht gleichzusetzen, sondern vielmehr als Ausübung eines Gewerbes oder Berufes zu qualifizieren, weil dort weder ein Warenverkauf noch regelmäßiger Kundenverkehr stattfindet. Vielmehr bilden die Betreuer und die betreuten Kinder eine geschlossene Gruppe.

Das Gericht hat die Geräusche, die typischerweise durch den Betrieb einer Kita hervorgerufen werden, als besonders hoch eingestuft. Dies betraf kindliche Laute wie Sprechen und Singen, Lachen und Weinen, Rufen und Schreien und Kreischen, aber auch körperliche Aktivitäten wie Spielen, Laufen, Springen und Tanzen, selbst wenn vielfach die eigentliche Geräuschquelle in kindgerechten Spielzeugen, Spielbällen und Spielgeräten sowie Musikinstrumenten liegt. Ebenso ging es um lautes Sprechen und Rufen von Betreuerinnen und Betreuern. Diese Lärmbeeinträchtigungen gingen bei typisierender Betrachtung über dasjenige hinaus, was bei einer Nutzung des Teileigentums als „Laden“ zu erwarten wäre. Maßstab sei dabei nur ein typischer Laden und nicht etwa Beispiele von besonders geräuschintensiven Verkaufsstätten.

Andererseits ist Maßstab auch nur eine typische Kita mit den dort typischerweise auftretenden Geräuschentwicklungen, also nicht die konkret auftretenden Emissionen. Eine Beweisaufnahme vor Ort sei deswegen auch nicht notwendig, erklärte das Gericht und bezog sich auf ein Urteil des OLG Frankfurt/Main (ZWE 2012, S. 35). Das Gericht ließ aber erkennen, dass der Betrieb einer Kita in einem als „Laden“ ausgewiesenen Teileigentum bei ausreichenden baulichen Vorkehrungen ausnahmsweise auch zulässig sein könnte.

Die notwendigen Schallschutzmaßnahmen hatte der Teileigentümer, der den Mietvertrag mit der Kita geschlossen hatte, unstrittig nicht erbracht. Er ist daher vom Gericht als mittelbarer Handlungsstörer eingestuft worden, denn er sei als Vermieter in der Lage gewesen, die unmittelbar auftretenden Störungen zu verhindern, zu unterbinden oder adäquat zu regeln. 

Damit habe er gegen die Gebrauchsregelungen nach § 15 WEG verstoßen, was wiederum jedem einzelnen der übrigen Wohnungseigentümer einen eigenen Unterlassungsanspruch verschafft.

Die Verpflichtung zur adäquaten Schalldämmung werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass § 22 Abs. 1a des Bundesimmissionsschutzgesetzes Geräuschentwicklungen von Kindern gesetzlich privilegiert. Zwar strahlt diese Norm auch ins Wohnungseigentumsrecht aus. Für eine ergänzende Auslegung der Teilungserklärung fehle es aber schon an einer Regelungslücke, weil die Nutzung der betroffenen Teileigentumseinheiten als „Laden“ hier konkret festgelegt worden ist. Das Gericht hat auch keinen zwingenden Vorrang der Privilegierung von Kinderlärm gegenüber den Eigentumsrechten der übrigen Wohnungseigentümer angenommen, etwa mit der Wirkung, dass die kindlichen Geräusche ohne Weiteres hinzunehmen wären.

Es bestehe ein Konflikt zwischen der Eigentumsgarantie des Teileigentümers und dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörte Nutzung ihrer Wohnung. Dieser Konflikt sei zu Lasten des Teileigentümers aufzulösen, weil dieser sich nicht an die Zweckbindung der Teilungserklärung gehalten und keinerlei ihm zumutbare Vorkehrungen dafür getroffen hat, Geräuschentwicklungen, die von den Kindern ausgehen können, zu verringern bzw. gar zu vermeiden.

Ob Kinderlärm auch einen Nachteil der übrigen Bewohner im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG darstellt, hat das Gericht ausdrücklich offengelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Fazit:

Sicherlich ist in einem Ballungsraum, wie dem Stadtstaat Hamburg jede Fläche, die für den Betrieb einer Kita infrage kommt, wertvoll. Dieser Fall hat aber gezeigt, dass nicht jede leerstehende Fläche dafür geeignet ist und dass Betreiber und Vermieter in Mehrparteienhäusern erhöhte Anforderungen an Schallschutzvorkehrungen einzuhalten haben, um die Grundrechte der übrigen – erwachsenen – Wohnungseigentümer und Bewohner nicht zu verletzen. Von grundlegender Bedeutung ist die Einordnung des in Teilungserklärungen häufig auftretenden Begriffes „Laden“ als dingliches Recht, wenn er bei der Definition des Teileigentums Verwendung findet.


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